Erinnerungen ans Viktoria-Kino„Ein Stück vom alten Gladbach geht weg“

Wehmut: Ferdinand Linzenich (l.) und Karl Hubert Hagen.
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Bergisch Gladbach – „Nach dem Krieg war das Viktoria-Kino eine wichtige Anlaufstelle, schon wegen der Wochenschau, Fernsehen gab es ja damals noch nicht“, erinnert sich Franz Heinrich Krey. Schon während des Zweiten Weltkriegs hatte der spätere Gladbacher Bürgermeister mit seinem Vater Märchenfilme in dem Kino gesehen. Um 1950 arbeitete er sogar für das Lichtspieltheater: „Ich bin damals mit Peter Kürten in seinem Lautsprecherwagen durch die Stadt gefahren und habe Werbung für die aktuellen Filme gemacht“, erinnert sich der heute 82-jährige Ehrenbürger der Stadt: „Als Bezahlung bekam ich Freikarten und konnte mir immer alle Neuerscheinungen ansehen.“
Manchmal war vor dem Kino mehr los als drinnen: Etwa als 1951 der sandalträchtige Streifen „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef anlief. „Damals gab’s vor dem Kino Demonstrationen“, erinnert sich Krey, „heute würde man über den Anlass dafür wahrscheinlich nur noch müde lächeln.“
Auch wenn der langjährige Politiker den Verlust des letzten Kinos in Gladbachs Mitte bedauert – „Ich begrüße trotzdem sehr die städtebaulichen Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben“, so Krey. „Favorit wäre an der Stelle natürlich ein Kreisverkehr.“ Zweifelhaft sei allerdings, ob sich eine aufwendige Translozierung des neben dem Kino stehenden Waatsack-Gebäudes lohne, so Krey. Möglicherweise sei dessen Bausubstanz nicht mehr gut genug. Stattdessen schlägt der frühere Bürgermeister vor, über die Option eines zurückversetzten Neubaus nachzudenken, in den gegebenenfalls einzelne Elemente des Waatsacks wie Türsturz oder Eingang integriert werden könnten. „Dann käme man auch den Nostalgikern entgegen.“
Zahlreiche Jugenderinnerungen verbindet auch AOK-Regionaldirektorin Annegret Fleck mit dem Viktoria-Kino: „Ich finde es sehr schade, dass das Kino schließt. Ich habe dort viele schöne Stunden erlebt,“ sagt die Gladbacherin. Sehr gut erinnert sie sich etwa an den Film Ben Hur. „Die riesige historische Kulisse und die Überlänge des Films waren damals etwas Besonderes.“
Selbst unter die Kinomacher ging Ferdinand Linzenich. Zwei Jahre bevor er erstmals als Kabarettist auf der Bühne stand, produzierte er 1982 einen Werbefilm für das Gladbacher „Sport- und Leistungszentrum“. Der Kinospot, in dem der Mitinhaber der frühen „Muckibude“ sich selbst effektvoll aus dem Fenster stürzen ließ und ein Weißer auf die studio-eigene Sonnenbank ging, um im Handumdrehen als Dunkelhäutiger wieder herauszukommen, sorgte für Aufsehen. Schließlich bestand regionale Kino-Werbung damals noch hauptsächlich aus dröge betexteten Standbildern. Auch an den Kinobesuch mit seinen Kindern in „Shrek“ kann sich Linzenich noch gut erinnern. „Ich hatte zwei Stunden Langeweile à la x-te Folge von Pokémon befürchtet, habe mich aber mit den beiden anderen anwesenden Vätern schlapp gelacht.“ Auch mit Heiner Lauterbach war der Gladbacher Kabarettist schon im Viktoria-Kino: „Helmut Hüttig, der ja zur lebendigen Einrichtung des Kinos gehört, ist ein großer Lauterbach-Fan und hat sich sehr gefreut.“
Karl Hubert Hagen, langjährig stellvertretender Bürgermeister von Bergisch Gladbach, hat noch Gedanken an die Kinozeit der 50er Jahre. „Nachmittags sind wir nach den Spielen von ,09’ immer ins Viktoria-Kino gegangen.“ Dass er dort den Heimatfilm „Schweigen im Walde“ gesehen hat, weiß Hagen genau. „Ein Stück vom alten Gladbach geht wieder weg“, bedauert er die Schließung. Die Zeit sei wohl über das Kino hinweg weggegangen. „Früher gab es in Gladbach außer dem Viktoria noch das Kino im Bergischen Löwen, das Apollo-Kino in Heidkamp und ein Filmsälchen am Kradepohl.“ Dass die Stadt nun kein Kino mehr in den Innenstadt habe, sei bedauerlich: „Es wäre gut, wenn wieder eines käme.“
Für Dr. Alexander von Petersenn, den Vorsitzenden der IG Stadtmitte, stirbt „ein altes Stück von Gladbach“. Allein der Name des Kinos habe Kultcharakter. „Schade, dass es schließt.“ Ein Kino für die Innenstadt wäre wünschenswert, findet Petersenn. „Aber Kino ist heute schwierig.“