Doppeldecker gegen GedrängeZähe Diskussionen im Kampf gegen Corona auf dem Schulweg
Rhein-Berg – Dicht gedrängt sitzen und stehen Schüler und Berufspendler zur Hauptverkehrszeit im Bus der Linie 400 zwischen Bensberg und der Bergisch Gladbacher Stadtmitte. Abstand zu halten ist kaum möglich, und leise geht’s auch nicht gerade zu. Der Herbstregen hat das Fahrrad für viele als Verkehrsmittel der Wahl wieder in den Keller wandern lassen und nicht nur Eltern fragen sich zurzeit, ob die besten Hygiene-, Masken- und Lüftungsregeln in den Schulen nicht leicht ad absurdum geführt werden, wenn man auf dem Weg dorthin dem Atem der anderen Fahrgäste trotz Masken und verstärkter Lüftung im Bus kaum ausweichen kann.
„Die Busse sind nach wie vor oft voll“, bestätigt auch der Geschäftsführer der Bergisch Gladbacher Stadtverkehrsgesellschaft, Franz-Wilhelm Schmitz, auf Anfrage. Bereits im Sommer habe man daher mit den Schulen im Stadtgebiet Kontakt aufgenommen, um zu ermitteln, ob es Bedarfe für Entlastungsfahrten gäbe. Ergebnis laut Schmitz: Null Rückmeldungen. Gemeldet hätten sich unterdessen eine Reihe von Eltern, deren Beschwerden wegen zu voller Busse man auch weitergeleitet habe, so dass zusätzliche Fahrten etwa zwischen dem Schulzentrum Herkenrath und Kürten sowie zwischen Moitzfeld und Herkenrath eingerichtet werden konnten. Zwar fördere das Land zusätzliche Entlastungsfahrten, aber pro Schule gebe es lediglich 0,3 Busse, so Schmitz. Wenn man außerdem sämtliche weiterführenden Schulen in der Kreisstadt mit zusätzlichen Entlastungsbussen ansteuern wollte, bräuchte man eine dreistellige Zahl von Bussen, rechnet Schmitz vor. „Die haben die Verkehrsgesellschaften nicht, geschweige denn gibt es so viele zusätzliche Fahrer.“
Auch Professor Dr. Roman Suthold vom ADAC Nordrhein warnt unterdessen davor, dass besorgte Eltern ihre Kinder wegen voller Busse im Winter wieder verstärkt mit dem Auto bis zur Schule fahren, dort für Chaos sorgen und die Sicherheit der Schüler gefährden könnten.
Hilfen gegen Gedränge auf dem Schulweg
Auf Buslinien mit gutem Takt empfiehlt Franz-Wilhelm Schmitz von der Gladbacher Stadtverkehrsgesellschaft Schülern, einfach mal einen früheren Bus oder eine frühere Bahn zur Schule zu nehmen.
Städte und Gemeinden können für Entlastungsbusse im Schülerspezialverkehr Landesmittel beantragen. Der Kreis kann Hilfen für Entlastungsfahrten auf ÖPNV-Buslinien erhalten, sofern es Busse dafür gibt.
Die Stadt Overath setzt in ihrem Schülerspezialverkehr Doppeldeckerbusse als Entlastungsfahrzeuge ein. Der Kreis setzt bei den Verkehrsgesellschaften RVK und Wupsi , an denen er beteiligt ist, verstärkt auf Gelenkbusse.
Sollte doch das Elterntaxi zur Entzerrung der Schulwegsituation genutzt werden, rät der ADAC Nordrhein dringend, die Kinder nicht direkt bis vor den Schuleingang zu bringen, sondern sie die letzte Strecke zu Fuß laufen zu lassen, um gefährliches Chaos an den Schulen zu vermeiden. Teilweise gibt es Hol- und Bringzonen. (wg)
Erneut diskutiert wurde das Thema nun im Verkehrsausschuss des Kreises, der für den ÖPNV im Kreisgebiet und damit für die von Schülern genutzten öffentlichen Buslinien zuständig ist – im Unterschied zum Schülerspezialverkehr, der in Regionen mit zu wenigen öffentlichen Buslinien von den einzelnen Städten und Gemeinden organisiert wird.
36 zusätzliche Entlastungsfahrten und 520 zusätzliche Buskilometer würden zurzeit pro Woche auf den ÖPNV-Buslinien im Kreisgebiet angeboten, um die Situation zu entzerren, so die zuständige Dezernentin Elke Reichert auf Nachfrage von SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn. Bei zehn Fahrten würden zudem größere Busse eingesetzt, so Reichert. In der Regel sind das Gelenkbusse.
Eine Entzerrung durch gestaffelte Schulanfangszeiten, wie Zorn sie bereits im Juni im Verkehrsausschuss aufs Tapet gebracht hatte, mit einem entsprechenden Prüfantrag aber gescheitert war, sah Dezernentin Reichert auch nach Gesprächen mit Schulträgern skeptisch: „Das ist ein sehr großer organisatorischer Aufwand. Das sind dicke Bretter, die noch nicht bewältigt werden konnten.“
Auch von Eltern gebe es Widerstand gegen Überlegungen, den Unterricht in unterschiedlichen Stufen einer Schule zu unterschiedlichen Zeiten beginnen zu lassen, weiß Gladbachs Stadtverkehrsgesellschaftsgeschäftsführer Schmitz. Er appelliert stattdessen an Eltern und Schüler, insbesondere bei den im Zehn-Minuten-Takt mit ÖPNV-Buslinien angeschlossenen Schulzentren im Stadtgebiet einfach mal einen früheren Bus zu nehmen, um so die Situation zu entzerren.
SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn appellierte im Kreis-Verkehrsausschuss unterdessen auch noch einmal an die schwarz-grüne Mehrheit und die Kreisverwaltung, mit den Verkehrsunternehmen „noch mehr Kreativität“ zu entwickeln.
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Kreativ ist nach Informationen dieser Zeitung zweifelsfrei auch die Stadt Overath das Problem angegangen, die in den nicht von ÖPNV-Buslinien hinreichend erschlossenen Teilen ihres Stadtgebiets einen Schülerspezialverkehr betreibt. Zwar hat auch sie lange bohren müssen, um einen Antrag für die Landesmittel für zusätzliche Entlastungsbusse stellen zu können, wie Schulamtsleiter Herbert Rijntjes auf Nachfrage berichtet. Dafür aber sind seit den Herbstferien nun statt normaler Busse auch drei Doppeldecker-Busse im Einsatz. Sie werden sonst eigentlich für touristische Stadtrundfahrten beispielsweise in Bonn genutzt. Da diese zurzeit jedoch coronabedingt brach liegen, waren die Fahrzeuge eines privaten Busunternehmens im Rhein-Sieg-Kreis zu haben. Nun fahren sie aus Richtung Lohmar und von den Marialindener Bergen zum Schulzentrum Cyriax. Der Vorteil: Die Doppeldecker bieten deutlich mehr Raum, brauchen aber anders als ein zweiter Bus nicht einen weiteren Fahrer. Ein Pilotprojekt, das auch in anderen Kommunen Schule machen könnte. Im Kreisverkehrsausschuss sah Thorsten Schmalt (CDU) unterdessen wenig Bedarf an weiteren Maßnahmen im Busverkehr: Man habe schließlich auch in den Schulen keine besonderen Abstandsregelungen, unterrichte komplette Klassen in normalen Räumen. SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn warnte trotzdem: „Die Winterzeit steht uns erst noch bevor.“