AboAbonnieren

Burscheider Skisportler Moritz Klein„Beim Freestyle gibt es kein Limit“

Lesezeit 5 Minuten
4Moritz_Klein,_Kicker_Photo_Vars#2

Moritz Klein springt hoch hinaus. 

Burscheid – Die Skier wirken fehl am Platz im frühlingshaften Burscheid. Kein in Schnee, keine Berge weit und breit. Außer im Kopf von Moritz Klein. Da sind sie immer präsent, die Rails, Kicker und Halfpipes. Dass hier im Westen Deutschlands nicht viele Leute etwas mit diesen Begriffen anfangen können, ist ein Ansporn für den 19-Jährigen: „Ich will es mir und allen anderen beweisen, dass man nicht aus den Alpen kommen muss, um ein top Skisportler zu sein.“

Olympische Sportart mit wenig Aufmerksamkeit

Moritz Klein betreibt Freestyle-Skiing, eine olympische Sportart, die in Deutschland aber dennoch wenig Aufmerksamkeit findet. Vor allem, fernab der Alpen. „Im Gegensatz zu den alpinen Skifahrern gibt es keinen Westdeutschen Verband, keinen Kader. Es gibt überhaupt keine Ebene unterhalb der Nationalmannschaft“, erklärt der Abiturient von der Opladener Marienschule.

Moritz Klein im heimischen Burscheid.

Dabei ist der Sport äußerst spektakulär: Akrobatische Sprünge über teilweise meterhohe Sprungschanzen (Kicker), Tricks auf angelegten Geländern (Rails) oder in einer halbkreisförmigen Anlage (Halfpipe) gehören dazu. Und sie bestimmen jegliche Freizeit von Moritz Klein, seit er im Skiurlaub vor fünf Jahren Freestyler in einem Funpark gesehen hat. „Da war mir klar, das will ich auch machen.“

Abitur in Opladen

Sportlich war der 19-Jährige schon immer: Fußball, Handball, Schwimmen, Skifahren. Aber Freestyle hat alles andere abgelöst – und die Skihalle in Aachen ist sein zweites Zuhause geworden. Und die Alpen sein drittes. Zwei bis drei Mal die Woche fährt Klein in die Halle nach Aachen, wo er mittlerweile auch studiert. Vor seinem Abitur 2019 in Opladen hieß das: Drei Stunden Zugfahrt zum Training und zurück. „Mittlerweile ist es immerhin nur noch eine Stunde mit dem Auto“. Das ist natürlich nichts gegen die Fahrtzeit am Wochenende. „Abends um acht in den Flixbus, dann ist man morgens um fünf in Innsbruck und von da geht es direkt auf die Piste.“ So war das zumindest vor Corona. In diesem Winter war Österreich praktisch dicht, nur in der Schweiz konnte er noch auf echtem Schnee trainieren, Laax wurde Kleins Zufluchtsort im Corona-Wahnsinn.

Coronawinter ohne Slopestyle

Da allerdings gab es ein Problem. Wettkämpfe in Kleins bevorzugter Disziplin „Slopestyle“ finden vor allem in Österreich statt. Und wurden diesen Winter alle abgesagt. „Das ist die Disziplin für die, die aus der Halle kommen, das kann man in Aachen super trainieren.“ Riesige Sprungschanzen und Halfpipes gibt es hier im Flachland nicht.

Fünf Disziplinen auf zwei Brettern

Freestyle-Skiing hat fünf olympische Disziplinen:

Half Pipe: In einer Halfpipe zeigen die Sportler Sprünge, Tricks und Manöver. Punkte gibt es für die Schwierigkeit und die Ausführung aller Aktionen während einer Fahrt.

Slopestyle: Fahrer durchfahren einen Parcours aus Schanzen und Rails (Geländer) in verschiedensten Variationen. Welche Tricks sie damit ausführen, ist den Fahrern überlassen.

Aerials (Springen): Sprünge über eine Schanze mit fast senkrecht nach oben weisender Absprungfläche. Sprünge kombinieren Salti, Drehungen und Grätschen. Variante „Big Air“ mit besonders großen Schanzen.

Moguls (Buckelpiste): Fahrt durch eine künstlich angelegte Buckelpiste mit zwei Sprüngen.

Skicross: Vier Fahrer durchfahren gleichzeitig einen Parcours mit dem Ziel, ihn als erster zu beenden. (stes)

Wohl aber in der Schweiz, wo auch im Coronawinter Europacupwettkämpfe in der Halfpipe stattfanden. „Also habe ich mich in die Halfpipe gestellt und das ausprobiert“, erzählt Klein. Und es hat geklappt: In seinem ersten Wettkampf wurde er direkt siebter, über weitere Europacupwettkämpfe qualifizierte er sich sogar für die Teilnahme am Halfpipe-Weltcup für den kommenden Winter.

Alles selbst finanziert

Wahrnehmen wird er das eher nicht: „Die Weltcups finden meistens in Neuseeland, Kanada und USA statt“, sagt Klein. Was nach einem großen Abenteuer klingt, ist aber vor allem ein sehr teures Unterfangen: Klein muss sämtliche Reisen und Unterkünfte privat bezahlen, selbst wenn er mit der Nationalmannschaft unterwegs ist. Da ist Neuseeland dann doch sehr weit weg.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch wenn es beim Weltcup im Gegensatz zum Europacup Preisgelder gibt, wer in dem Sport finanziell bestehen will, braucht Sponsoren. Klein hat schon welche, die Ausrüstung stellen, aber kein Geld für Reisen. „Ich denke, ich werde nächsten Winter erst noch einmal im Europacup starten und mich weiter verbessern.“ In der darauffolgenden Saison dann vielleicht der Weltcup - und das große Fernziel: Olympia 2026 in Mailand.

Lieblingssprung: Cork 900

Kein Geld, kaum Aufmerksamkeit, warum hat der Burscheider sich nicht für Fußball oder zumindest alpinen Skisport entschieden, wo die Karrierechancen größer wären? „Beim Freestyle gibt es kein Limit, keine Regularien, man ist vollkommen frei und kann immer noch einen drauflegen.“ Wie etwa seinen Lieblingssprung, den Cork 900, einen Rückwärtssalto mit zweieinhalbfacher Drehung aus der Achse heraus. Beigebracht hat er sich das selbst, mit seinen Freunden an den verschiedenen Treffpunkten in Aachen, Holland und Belgien, wo man Sprünge auch ohne Schnee mit Landung auf riesigen Luftkissen sicher üben kann.

Zwei Schlüsselbeinbrüche

Auch das Trampolin ist ein wichtiges Trainingsgerät, um das Körpergefühl in der Luft zu trainieren. Kraft- und Ausdauersport gehört ebenfalls dazu, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Vor allem die Knie sind anfällig, durch einen guten Muskelaufbau können sie geschützt werden. „Da hatte ich zum Glück noch nie etwas“, sagt Klein. Dagegen hat er sich bei Stürzen schon sowohl das rechte wie auch das linke Schlüsselbein gebrochen – da gibt es keinen schützenden Muskelapparat. Ein Grund zum Aufgeben ist das für den 19-Jährigen nicht. Passiert halt.

Beim Slopestyle gilt es, Tricks an Hindernissen zu vollführen – das kann auch mal auf einem Auto sein.

Noch studiert Klein Georessourcenmanagement in Aachen, bei der größten Skihalle der Welt. Zum Wintersemester aber überlegt er, ins bayrische Kempten zu wechseln. In die Berge, in den Schnee. Näher ran an alle die Rails, Kicker und Halfpipes.

http://www.instagram.com/mohruebe