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AutozuliefererAdient streicht in Burscheid 155 von 800 Stellen

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf das Adient-Werk in Burscheid

In Burscheid streicht Adient in großem Maßstab Stellen.

Die Europazentrale trägt damit die Hauptlast des Arbeitsplatzabbaus beim Autositz-Hersteller.

Im Unternehmen spricht man von einem „Transformationsprogramm“. Gemeint ist ein beispielloser Aderlass bei einem der beiden größten Arbeitgeber Burscheids: 155 der 800 Stellen bei Adient fallen weg. Darüber wurde die Belegschaft am Montagmorgen informiert. Das Programm soll bis spätestens 2027 abgeschlossen sein. Der Kahlschlag in der Europa-Zentrale des Spezialisten für Autositze soll mit einem Sozialplan abgefedert werden. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat sollen „in Kürze beginnen“, sagte Unternehmenssprecherin Claudia Steinhoff. Aus ihrer Sicht verlief die Betriebsversammlung in „neutral-konstruktiver“ Atmosphäre.

Als Gründe für den harten Schnitt wurden „die anhaltende Marktschwäche und der hohe Preisdruck in der Automobilindustrie“ angeführt. Die ganze Branche durchlebe einen „tiefgreifenden Wandel“: Krisen und Unterbrechungen der Lieferketten sowie Überkapazitäten und hoher Wettbewerbsdruck machten den Job-Abbau für Adient als Zulieferer „unumgänglich“. Der Autositz-Hersteller stelle sich „auf das langfristig geringere Marktvolumen ein“. Gegenüber dem „Leverkusener Anzeiger“ bezifferte Steinhoff den dauerhaften Absatz-Rückgang auf „20 Prozent, wenn man es mit dem Vor-Corona-Niveau vergleicht“. Das sei ein europäisches Problem, „auf das wir uns einstellen müssen“.

Hoffnung auf chinesische Ansiedlungen

Auch der Wandel zur Elektromobilität wurde als Begründung für den enormen Arbeitsplatzverlust herangezogen. Und zwar insofern, als sich die Autokäufer insgesamt zurückhielten. Bei Adient hoffe man aber darauf, Lieferant zu werden, wenn sich etwa ein chinesischer E-Autobauer wie BYD in Europa niederlasse. Kontakte in China gebe es.

Wie hart es Burscheid trifft, wo vor allem neue Sitzsysteme entwickelt werden, zeigt der Blick auf das gesamte Abbau-Konzept: In allen europäischen Adient-Standorten zusammen sind 360 Stellen betroffen, von denen 140 verlagert werden sollen. 220 Jobs will das Unternehmen insgesamt streichen. Der große Job-Abbau ist nicht der erste in der jüngeren Geschichte von Adient. Ende 2020 wurden schon einmal 162 Stellen gekürzt. Dennoch sagte Sprecherin Steinhoff, dass Burscheid „bisher unterproportional“ von Stellenstreichungen betroffen gewesen sei.

Nachdem aber schon „an vielen Stellschrauben gedreht worden sei“, um die Kosten zu drücken, gehe am Abbau von Arbeitsplätzen kein Weg mehr vorbei. Steinhoff bekräftigte aber: „Wir stehen zu Burscheid.“

Standort in Solingen wird geschlossen

Im Metallentwicklungszentrum in Solingen-Merscheid hingegen bedeutet der Umbau das Aus für den Standort. Dort sind nach Adient-Angaben rund 100 Stellen betroffen, nur 25 in der Fertigungsplanung würden bleiben. Damit sei das Werk nicht mehr zu betreiben, die Jobs „sollen ins nahegelegene Metallwerk in Solingen verlagert werden“, teilte Adient mit. Das soll bis Ende 2025 abgewickelt sein, ergänzte Steinhoff.

Verwaltung und Entwicklung würden insgesamt „neu ausgerichtet“, sagte sie. Das sei aber „nur ein Teil des europaweiten Transformationsprogramms“, mit dem Adient „den aktuellen Marktherausforderungen begegnet“. Ziel des umfassenden Plans sei „insgesamt eine Effizienzsteigerung, Prozessoptimierung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, vor allem im Hinblick auf die anhaltende Marktschwäche“.

Warnstreik der IG Metall bei Adient

Am Warnstreik am 12. Dezember beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 120 Beschäftigte. Die IG Metall kämpft um einen Tarifvertrag im Burscheider Adient-Werk.

Mit 200 Werken und gut 70.000 Beschäftigten ist Adient nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Autositzen. Die Produkte finden sich in den Autos aller großen Hersteller. In Burscheid sind Forschung und Entwicklung konzentriert, eine Adient-Sprecherin bezeichnete den Standort noch im Dezember als „kostenintensiv“.

Da ging es um einen schon lange schwelenden Konflikt: Das Werk ist der einzige ohne Tarifvertrag. Das will die IG Metall ändern, beißt aber bei der Geschäftsleitung auf Granit und kommt in der Sache nicht voran. Auch öffentlichkeitswirksame Proteste wie „aktive Mittagspausen“ haben keine Bewegung in den tiefgreifenden Konflikt gebracht. Am Montag bekräftigte Adient-Sprecherin Steinhoff allerdings die skeptische Haltung der Geschäftsleitung: Eine Tarifbindung mache das Werk „unflexibler“ und würde sich unterm Strich ungünstig auf seine Kostenstruktur auswirken: „Das schwächt den Standort.“

Dass die IG Metall überhaupt einen Fuß in der Tür hat bei einem der beiden größten Arbeitgeber in Burscheid, ist noch gar nicht so lange her: Vor vier Jahren wurde ein Betriebsrat gewählt – und dagegen hatte die Arbeitgeberseite mit allen Mitteln gearbeitet: Eine Wahlversammlung der Belegschaft ließ sie für ungültig erklären. Dagegen zogen die Gewerkschafter zu Felde. Das Arbeitsgericht gab ihnen Recht.