„Wissen, dass man noch eine Frau ist“Burscheiderin näht Dessous für Krebspatientinnen
- Santina di Martino bietet Nähkurse an – auch für Brustkrebspatientinnen. Wir haben sie in ihrem Atelier in Burscheid besucht.
- Neben Kursen für Erwachsene und Kinder bietet sie auch Junggesellinnenabschiede an.
Burscheid – Rote, orientalisch anmutende Spitze neben zartem Blumenmuster in Altrosa: geschickt drapiert Santina di Martino die verschiedenen Stoffe auf ihrem Tisch. Die Burscheiderin gibt in ihrem Atelier Nähkurse, eine Zielgruppe liegt ihr besonders am Herzen: Gemeinsam mit und für Krebspatientinnen schneidert sie Dessous.
Seit 26 Jahren wohnt die gebürtige Sizilianerin in Deutschland. Sie ist gelernte Schneidermeisterin, in Burscheid hat sie ihre Leidenschaft lange als Hobby verfolgt. Doch neben ihrem Job bei einem örtlichen Automobilzulieferer „ist die Leidenschaft zu Mode und Nähen immer geblieben“, erzählt sie und geht mit ihren Händen über ihre Kleidung: Der graue Rock? Selbst genäht. Die gemusterte Bluse? Ebenfalls. Die türkisfarbene Unterwäsche, wo ein Träger unter der Bluse frech hervorblitzt? Di Martino lacht, natürlich ist auch ihre Unterwäsche selbst geschneidert.
Seit zehn Jahren betreibt sie ihr Atelier, seit März in Vollzeit. Eines Tages kam eine Kundin auf sie zu, die Krebs hatte. Sie hätte keinen passenden BH, bedauerte die Frau. „Okay, dann machen wir das zusammen“, war di Martinos Antwort – seitdem schneidert sie immer wieder gemeinsam mit krebskranken Frauen Unterwäsche. Jede Frau habe das Recht, glücklich und schön zu sein: „Es geht darum, sich wohlzufühlen“, betont di Martino. Und zu wissen, „dass man noch eine Frau ist“, beschreibt sie, wie viele Krebspatientinnen sich fühlen, wenn ein Symbol der weiblichen Figur fehlt: Der Busen. Ihre erste Kundin hat ihr eine Dankeskarte geschickt: „Sie war so glücklich“, freut sich die Schneiderin.
Gel-Prothesen sorgen für mehr optisches Volumen
Heutzutage gibt es Möglichkeiten, zumindest optisch mehr Brust unter der Kleidung zu zaubern, wie Prothesen – meist aus Gel –, die in die Fächer des BHs geschoben werden und für die volle Form sorgen. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit bei Unterwäsche für Krebspatientinnen. Im Laufe der Zeit hat di Martino sich eingearbeitet, weiß nun, auf was sie achten muss: Die BHs dürfen beispielsweise keinen Bügel haben, weil er häufig auf die Narben drücke. „Ein softer Bund“ sei wichtig. Viele Patientinnen bevorzugen auch breitere Träger und mehr Platz, damit Lymphdrainagen durchgeführt werden können.
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Blassgrün, marine oder knallgelb, ob mit Sternen, mit Punkten oder unifarben: Im Regal stapeln sich die Stoffe für die Nähkurse. Den Stoff für Dessous bezieht Santina di Martino direkt aus Italien. Nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch vor sechs Jahren versucht sie mehr über die Lieferketten herauszubekommen, was sich aber als schwierig herausstellt. Das Ereignis hatte sie damals sehr schockiert. Grundsätzlich achtet di Martino sehr auf Qualität: „Ich nähe meine Kleidung nicht selbst, weil ich sparen will – so wie es früher vielleicht der Fall war – sondern wegen der besseren Qualität. Heutzutage ist Stoff teuer.“
Nähkurse
Santina di Martino bietet in ihrem Laden „Fantasia“ in der Höhestraße 24 neben Nähkursen für Erwachsene und Kinder auch Junggesellinnenabschiede an. Die Freundinnen nähen gemeinsam mit der Braut und für sie – was, kann man individuell verabreden. (aga)
Nähen ist gerade grundsätzlich im Trend, stellt die Burscheiderin fest: „Man will individuell sein.“ Es kommen auch viele Mütter zu ihr, die Sachen für ihr Baby nähen wollen, aber auch Kinder haben Spaß am Nähen – das zeigen ihre Kinderkurse.
Was Unterwäsche betrifft, ist seit vergangenem Jahr die Farbe Altrosa im Trend, auch „schwarz findet man immer“, genauso wie die „Evergreens“ beige, braun und weiß.
Doch auch rote Unterwäsche ist im Kommen. Di Martino verweist auf die italienische Tradition, an Silvester rot unter der Kleidung anzuziehen, was Glück für das neue Jahr bringen soll. Offensichtlich würden den Brauch auch immer mehr Deutsche kennen, lacht sie. Apropos Kulturunterschiede: „Die Italienerinnen geben das Geld für sich selbst aus, sie ziehen die Dessous für sich an. Hier in Deutschland heißt es schnell: «Das ist so teuer!» oder «Ach, wer sieht das schon unter dem Pullover?»“, hat di Martino schmunzelnd beobachtet.