Debatte nach Tönnies-SkandalWie Schlachter Herrmann mit Bergischen Rindern umgeht
- Nach dem Corona-Skandal bei Tönnies wird viel über die Bedingungen in Schlachthöfen diskutiert.
- Wir durften uns beim Schlachter Karl-Günther Herrmann aus Burscheid umgucken.
- Er verarbeitet nur Tiere aus der Region und gibt einen Einblick in die Branche.
Burscheid/Region – Dass in der Schlachter-Branche zunehmend mit harten Bandagen gekämpft wird und manches nicht ganz koscher ist, bekam Karl-Günther Herrmann spätestens 2008 zu spüren. Da musste er seinen Betrieb in Burscheid Kuckenberg nach EU-Standard zertifizieren lassen. Die Veränderungen, die er damals umsetzen musste, erforderten von dem Metzger mal eben eine Investition von 45.000 Euro.
Für die Schlacht-Industrie waren die Auflagen damals kein Problem, womöglich hatten deren Interessenvertreter die Standards ja sogar mit festgelegt. Für die Region Leverkusen, Burscheid, Odenthal und Leichlingen bedeutete es, dass Herrmann fast als einziger lokaler Schlachtbetrieb die Zertifizierungsphase überstanden hat. Nur einen Kollegen in Leichlingen soll es geben, ein kleiner Betrieb.
Was gut war für den Profit der Fleischindustrie bedeutete für viele Metzger in Stadt und Land das Aus ihrer eigenen Schlachtung. Die in Sonntagsreden immer wieder beschworene Besinnung auf lokale Versorgung hat damals einen harten Schlag erhalten. Die, die übrig geblieben sind, bekamen viel zu tun.
Herrmann steht in seinem Schlachthaus, weiße Stiefel, weiße Gummischürze – er macht einen zufriedenen Eindruck, wirkt mit seinen 63 Jahren fast durchtrainiert: Schlachten ist harte Arbeit, die er zu 95 Prozent ohne Helfer leistet. Einem Besuch des „Leverkusener Anzeiger“ hat er gleich zugestimmt. „Hier gibt es doch nichts zu verstecken“, sagt er, „ich hatte hier schon ganze Kindergartengruppen zum Gucken“.Auch wenn heute kein Schlachttag ist, riecht es ein wenig nach Eisen in dem komplett gekachelten Raum. Herrmann öffnet die Tür zum Kühlhaus, kalte Luft, der Geruch von frischem Rindfleisch zieht durch den Raum.
Tiere aus der Umgebung
Der Schlachter dreht langsam eine von zwölf schweren Rinderhälften, die in dem Raum hängen. „Das ist eine Highland-Kreuzung“, nicht unbedingt seine Lieblingsrasse, es gebe andere mit besserem Fleisch. Das Fleisch muss reifen. Das Tier hat in Odenthal gestanden, der Kopf mit den Hörnern hängt auch in der Kühlung, das sieht gewöhnungsbedürftig aus, ohne Haut und Augen. Heute gibt es nur Rinderhälften. Auf die Tiere ist Herrmann spezialisiert, Schafe und Schweine verarbeitet er aber auch.
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Herrmanns Kunden kommen nicht von weit her. Alle sind Bauern, einige mit Hofläden: Bakker, Baumhögger, Jost, Klein, Urbahn. Er bekommt keine Lieferungen von Tierhändlern, dafür reiche die Kapazität auch gar nicht. Mit den Tieren seiner lokalen Bauern ist Herrmann ausgelastet.Nähe ist großer Vorzug des lokalen Schlachtbetriebs, die Tiere haben auf ihrer letzten Reise oft nicht einmal 15 Minuten Fahrzeit. „Bei mir bekommen die Bauern immer garantiert ihr eigenes Tier zerlegt zurück, das sie mir gebracht haben. In der Großschlachterei kann man sich nicht unbedingt vorstellen, dass das klappt.“
Herrmann übt seinen Beruf gerne aus, er ist überzeugt, dass die Tiere, die zu ihm gebracht werden, ein weniger schlimmes Ende erleben als in der Industrie. Erstens würden sie fast immer einzeln gebracht, sagt er, das Töten mit dem Bolzenschussapparat gehe in der Regel stressfrei vonstatten. Schweine werden elektrisch betäubt. „Dass die in der Schlachtindustrie eine Fuhre von 150 quiekenden Ferkeln nicht ohne Stress gebändigt bekommen, ist doch klar“, sagt er. Tönnies schlachtet in seinem größten Betrieb bis zu 30 000 Schweine – jeden Tag.
Den Hype, der ums südamerikanische Rind gemacht wird, ist für Karl-Günther Herrmann nicht nachvollziehbar. Das sei wegen des ewigen Transports natürlich zart, die Haltung dort sei aber meist katastrophal. In riesigen Pferchen vegetierten die Tiere in der prallen Sonne. Dass sie in der Pampa stünden, sei nichts als Werbung. Der Burscheider Schlachter bevorzugt bergische Tiere.
Herrmann wird im Oktober 64 Jahre alt und aus der Sicht der Bauern aus der Region droht sein Ruhestand. Sogar die Landwirtschaftskammer hat schon einen Aufruf gestartet. Sie will einen Schlachtbetrieb in der Umgebung unterstützen, ein sicheres Gewerbe, es müsste sich nur jemand finden.