Bürgerhaus WitzheldenIm Herzen der Dorfgeschichte
Leichlingen-Witzhelden – Für manche ist es nur ein maroder Altbau. Sie sehen die morschen Fensterbänke, löchrigen Lehmwände, windschiefen Balken, ein Sammelsurium aus Fliesen aus drei Jahrhunderten, Elektroinstallationen und Toiletten aus Großvaters Zeiten.
Für Kenner aber ist das verlassene, 170 Jahre alte Wirtshaus „Zur alten Post“ ein Juwel der Ortsgeschichte. Im früheren Schankraum erinnern sie sich an fröhliche Zechrunden. Im einstigen Tanzsaal werden Geburtstagspartys, Familienfeiern und Konzerte lebendig. Hier wohnten einst aber auch Zwangsarbeiter und Flüchtlinge. Im kühlen Gewölbekeller haben sie die Bierfässer vor Augen. Beim Gang durch den Irrgarten aus Hinterzimmern, Speiseräumen, Küchen und Buffets haben sie noch den Dorfklatsch und die Vereinsmeiereien von damals im Ohr.
Bei einem vom Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) organisierten Gang durch die historische Gastwirtschaft war der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwoch dabei. Dass in dem 2015 geschlossenen Gasthaus Am Markt 13/14 wieder Leben einkehren, es erneut zum gesellschaftlichen Mittelpunkt des Höhendorfs werden muss, steht für die Witzheldener außer Frage. Das Integrierte Handlungskonzept bietet die große Chance, die zum Verkauf stehende Immobilie zu erwerben und als Bürgerbegegnungsstätte für soziale und kulturelle Zwecke zu nutzen. Dafür wirbt eine vom VVV angeführte Initiative. Sie hat vom Hausbesitzer bis zu den politischen Parteien bereits ein breites Bündnis für ihren Plan geschmiedet, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude zum Bürgerhaus zu machen.
Träger könnte ein gemeinnütziger Verein oder noch eher eine Genossenschaft werden: „Alle sind bereit, mitzumachen“, ist Rolf Schneider vom VVV-Vorstand überzeugt. Neben dem Verkehrsverein seien die Sportler von TV und VfL, der Förderverein Alter Wasserturm, mehrere Gesangsvereine mit im Boot sowie die Internationale Johann Wilhelm Wilms Gesellschaft, die in der Geburtsstadt des Komponisten gerne Kammerkonzerte ausrichten würde.
Räume für ein Bürgerbüro
Schneider hat schon Pläne in der Tasche, wo ein Aufzug eingebaut werden kann. Oben wäre Platz für eine Pächterwohnung. Im Erdgeschoss gibt es drei Zimmer mit separatem Eingang, die als Nebenstelle des städtischen Bürgerbüros geeignet wären.
In manchen Ecken des Hauses sieht es aus, als seien die letzten Gäste gerade erst gegangen. Vor der früheren Kegelbahn stehen noch Stühle. Auf dem Unterschrank der Zapftheke liegt ein Konzertplakat. An der Wand hängt ein Mannschaftsfoto von der Aufstiegsfeier der Fußballer des VfL von 2007, im Bierkeller die Bedienungsanleitung für die Fassanlage. Und unter der Saaldecke, über dem Klavier, das noch schräg klimpern kann, hängen Girlanden und Plastik-Blumen von der letzten Feier.
Andere Trakte des verschachtelten Doppelbaus sind derzeit Lager und Heimstatt für die Baustelle nebenan. Hier übernachten zeitweise Bauarbeiter und stapeln sich Styroporplatten für die Wohnanlage auf dem früheren Kirmes- und Parkplatz der „Alten Post“. Immobilien-Unternehmer Hans-Hugo Hungerberg hat dort 17 Wohnungen errichten lassen. Sie sollen im Herbst fertig werden und sind alle verkauft.
Auch das Fachwerk-Wirtshaus hat der Opladener mit dem Grundstück erworben. Er will das Denkmal aber nicht selbst sanieren, sondern bekanntlich für aufgerufene 195 000 Euro veräußern. „Ich würde es begrüßen, wenn die Stadt es übernehmen würde. Wenn daraus ein Bürgerzentrum würde, wäre das ein tolles Ding“, sagte Hungerberg beim Besuch am Mittwoch. Er fügte aber hinzu, dass er mit dem Verkauf nicht ewig auf die Stadt warten könne. Ein Investor aus Köln sei stark an dem Objekt interessiert, um dort Wohnungen einzurichten, und würde sofort mit ihm zum Notar gehen.
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Die Besichtigung der Räume verband der VVV daher mit dem erklärten Ziel, den Druck auf die noch zögerliche Stadtverwaltung zu erhöhen. Bis zur Ratssitzung am 1. Juli soll eine Entscheidung fallen. Die Ratsfraktionen, die an einem Runden Tisch über das Projekt beraten, sind für den Ankauf. Im Rathaus aber scheut man die auf zwei Millionen Euro geschätzten Kosten für die denkmalgerechte Sanierung. Daher hatte man wie berichtet stattdessen den Ankauf der gegenüber liegenden, kleineren historischen „Butterküche“ als Bürgersaal vorgeschlagen. Eine Idee, die von den Witzheldenern eher als schlechter Witz empfunden wurde.
Dorfplatz am Bistro „Plan B“
Die Backsteinhalle wollen sie abreißen lassen, um vor dem Bistro „Plan B“ einen Dorfplatz für Veranstaltungen zu schaffen und Parkplätze für ihr ersehntes Bürgerhaus, auf dessen Grundstück kein Platz mehr für Autos ist. „Dass beide Gebäude zum Verkauf stehen und Fördermittel in Aussicht stehen, ist ein Geschenk des Himmels“, schwärmt VVV-Vorsitzender Ulrich Braun, „und die letzte Chance, in der Witzheldener Ortsmitte einen Dorfplatz zu bekommen.“