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Wegmachen statt wegschauenZwei Bergisch Gladbacher sammeln in ihrer Freizeit Müll ein

Lesezeit 5 Minuten
Die Jungs stehen im Wald und halten Müll in ihren Händen.

Jonas Lange und Herman Heer sammeln Müll in Gladbacher Wäldern.

Statt einfach nur zuzusehen: Zwei Bergisch Gladbacher sammeln seit zwei Jahren in ihrer Freizeit Müll ein – von Stadt enttäuscht.

Die Suche nach wildem Müll hört bei Jonas Lange (18) und Hermann Heer (19) nicht auf. Entdecken sie Unrat bei ihren regelmäßigen Streifzügen am Straßenrand oder in der Natur, beseitigen sie ihn. Seit zwei Jahren können sie gar nicht mehr anders. Es kommt aus ihren Herzen heraus. Enttäuscht sind die beiden Jugendlichen deshalb von der Stadt. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Sauberkeit und des Umweltschutzes werden nicht umgesetzt – zu hohe Kosten und bürokratische Zwänge.

Ich schätze, da ist bereits ein CO2-Fußabdruck eines ganzen Lebens zusammengekommen.
Hermann Heer

Die Ausbeute des eingespielten Zweier-Teams ist bemerkenswert: „Ich schätze, da ist bereits ein CO2-Fußabdruck eines ganzen Lebens zusammengekommen“, sagt Hermann Heer. Gleich beim ersten Stopp beim mehrstündigen Rundgang an diesem heißen Montag gibt es Nachschub.

Wäldchen Buchholzstraße: Jungs kommen nicht mehr hinterher

Im Wäldchen angrenzend an die Buchholzstraße im Stadtteil Hand blicken die Jungs in die Tiefe einer Mulde und schütteln ratlos mit dem Kopf: Plastiktüten mit Hausmüll, Plastikeimer, ein rostiges Kfz-Kennzeichen, eine Satellitenschüssel, Eisbecher, Chipstüten, eine Kanaleinfassung und jede Menge staubiger Bauschutt. Irgendwelche Menschen haben irgendwann bei Nacht und Nebel ihren überflüssigen Plunder mitten in der Natur entsorgt.

„Das ist ein Verbrechen an der Natur“, stellt Hermann fest. „Wir kommen hier gar nicht mehr hinterher“, fügt Jonas hinzu. Erst vor einigen Wochen haben die Jugendlichen – inzwischen nicht mehr Schüler, sondern Auszubildende als Mechatroniker und Elektrotechniker – in einer Vier-Stunden-Aktion massenhaft Unrat hier abgeräumt: „CD-Player, zwei Monitore, einen Einkaufswagen, eine Toilette, einen Rasenmäher“, erinnert sich Jonas. Ohne Gerätschaften, wie in diesem Fall mithilfe einer Seilwinde, hätten sie es nicht geschafft, das Zeug den steilen Hang hoch zu befördern. Und jetzt ist wieder alles voll.

Die denken nix. Hauptsache weg damit.
Jonas Lange

Auf die Frage – warum verdrecken Menschen ihre Stadt, ihre Natur? – darauf hat Jonas Lange keine Antwort: „Die denken nix. Hauptsache weg damit.“

Illegaler Müll – mit der Schubkarre zum Wertstoffhof

Ihre zusammengetragenen Abfallberge stellen Jonas und Hermann an der Straße ab und lassen sie abholen. Das geht aber nur, wenn sie herausfinden können, wer zuständig ist. „Das ist schwer durchschaubar“, berichtet Jonas. Mal sei es Stadt-Grün, das städtische Amt für Verkehrsflächen, der Immobilienbetrieb oder der Rheinisch-Bergische Kreis. Müde von der Herumtelefoniererei endet es meist so, dass die Jugendlichen den illegalen Müll mit der Schubkarre selbst zum Wertstoffhof bringen.

Allerlei Müll liegt vor einem Container auf der Erde.

Diesen Querschnitt durch die Welt des Hausmülls haben Unbekannte am Container-Standort in Duckterath hinterlassen.

Gesammelt haben sie schon Abfall jeder Art: Kühlschranktüren, einen Backofen, vergammelte Teppiche, Kleidung, Scheinwerfer, Matratzen, Auto- und Traktorreifen. Schon die Aufzählung ist eine Zumutung. „Besonders viel Müll wird einfach an den Altglas- und Textilcontainern abgeladen“, sagt Jonas. Dort gammelten dann oft wochenlang Klamotten, Taschen und anderer Müll, der einfach dazugestellt wird, vor sich hin.

Kanister, Dach eines Pkw, Autoanhänger und vieles mehr an Unrat

Ein weiterer typischer Ort, um ungesehen Unrat zu beseitigen, ist das Wäldchen an der S-Bahnhaltestelle in Duckterath. Jonas schabt an einer Stelle nur mit dem Fuß über den Boden am Rand eines schmalen Trampelpfads. Zum Vorschein kommt eine alte Autobatterie.

Ein Müll quillt über.

Die Plastikkörbe in der Stadt sind zu klein und quellen über.

Ein Stückchen weiter – angrenzend an Gärten – bietet sich ein Anblick der Verwüstung: ein verrosteter Autoanhänger, das Dach eines Pkw, Maschendrahtzäune, Kanister mit irgendwas, teils überwuchert von schwarzer Schlacke aus vermodertem Laub. „Am kommenden Wochenende holen wir uns Hilfe von Freunden, um den Schrott abzutransportieren“, kündigen die beiden ehrenamtlichen Müllsammler an.

Jonas und Hermann wünschen sich Mitstreiter und einen Müllsauger

Auf dem Duckterather Park-&-Ride-Platz selbst füllen sich ihre Müllsäcke immer schnell. Vor allem mit Kippen, Kippen und nochmal Kippen. Zigarettenstummel, aber auch Flaschen und andere achtlos weggeworfene Verpackungen findet man auch überall dort, wo sich offenbar Jugendliche treffen. Einer dieser Plätze befindet sich hinter einem Getränkemarkt in Duckterath: Dort liegt ein ganzes Sammelsurium solcher Hinterlassenschaften auf dem Boden.

„Es wäre schon viel geholfen, wenn die Stadt ausreichend große Mülleimer mit eigenem Zigarettenfach aufstellen würde“, meint Hermann. Die Plastik-Müllbehälter seien zu klein. Dann würde vielleicht auch der Parkplatz am Busbahnhof für Linienbusse nicht so verwahrlost aussehen. An den Seitenrändern sammelt sich dort ein ganzes Sammelsurium weggeworfener Überbleibsel: Kaffeebecher, Pappteller und andere fiese Plastikfetzen.

Den Punkt, sich zu ärgern, haben die beiden Jungs längst überwunden: „Wir machen einfach weiter.“ Freuen würden sie sich über Mitstreiter und einen Müllsauger.


Vier Anträge zur Verbesserung der Sauberkeit

Im Ausschuss für Beschwerden und Anregungen stellten Jonas Lange und Hermann Heer im Mai vier Anträge zur Verbesserung der Sauberkeit in Bergisch Gladbach. Sie ernteten große Anerkennung von den Fraktionen und der Stadtverwaltung, mussten aber die Sitzung verlassen, ohne dass konkret etwas umgesetzt wird.

Zurückgewiesen wurden drei Vorschläge: 1. Austausch der Sitzflächen der sieben Bänke im Forumpark, weil sich in den Lattenritzen Kronkorken und Zigarettenstummel sammeln. Ablehnungsgrund: Die Regionale-Bänke 2010 seien noch relativ neu. 2. Ausstattung der Container-Standorte mit einer Videoüberwachung. Ablehnungsgrund: Nicht mit dem Datenschutz vereinbar. 3. Die kostenlose Annahme aller Abfälle am Wertstoffhof, also auch von Bauschutt, Reifen, Sondermüll und Grünschnitt. Ablehnungsgrund: Die Erhebung von Gebühren trage zur Deckung der Kosten bei, die durch die Annahme entstünden.

Einen Achtungserfolg erzielten die Jugendlichen mit ihrem Vorschlag, alle 1200 Papierkörbe im Stadtgebiet gegen geeignetere Behälter aus Stahl auszutauschen. Die Kapazitäten der Plastikeimer reichten nicht aus. Außerdem fehle ein Zigaretten-Fach. Der Antrag wurde in den zuständigen Fachausschuss verwiesen. Die Kosten würden 2,6 Millionen Euro betragen. Zu teuer, aus Sicht von Kämmerer Thore Eggert. Bezüglich der Zigarettenstummel merkte er an, dass Behälter in problematischen Bereichen wie der Fußgängerzone bereits mit Aschenbechern nachgerüstet wurden. (ub)