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World Clean Up DayWie aktuelle Krisen die Nachhaltigkeit in Rhein-Berg verdrängen

Lesezeit 4 Minuten
Büggel unverpackt Gladbach

Hat es momentan schwer: Stefanie Marx-Bleikertz und ihr Unverpacktladen „Büggel“ in Bergisch Gladbach.

Bergisch Gladbach – „Der Hype ist vorbei.“ Zumindest momentan. Stefanie Marx-Bleikertz, Inhaberin des Büggel-Unverpacktladens an der Paffrather Straße, malt ein düsteres Bild. „Die Wahrnehmung hat sich verändert. Es ist nicht mehr so Thema“, sagt sie, die im November 2019 den Unverpackt-Laden in Bergisch Gladbach eröffnet hat. Damals sei nachhaltiges Einkaufen und das Vermeiden von Verpackungsmüll noch deutlich mehr in den Köpfen der Menschen gewesen. Das habe sich verändert.

Die Gründe liegen auf der Hand. Corona, der Ukraine-Krieg und die dadurch drastisch steigenden Energiepreise, die Inflation. All das bringt die Menschen dazu, ihr Geld beisammenzuhalten, und auch bei Lebensmitteln günstige Preise der Nachhaltigkeit vorzuziehen.

Rhein-Berg: Thema nach wie vor aktuell

Dabei ist das Thema nach wie vor aktuell: 18 907 700 Tonnen. Diese unglaubliche Menge Verpackungsmüll haben die Deutschen laut den Zahlen des Umweltbundesamtes im Jahr 2019 produziert. Im Jahr 2015 waren es noch rund 3,2 Millionen Tonnen weniger. Das Umweltbundesamt begründet das wie folgt: „Der Anteil der Ein- und Zweipersonenhaushalte sowie von Senioren nimmt zu.“ Das habe zur Folge, dass kleinere Füllgrößen und vorportionierte Einheiten verkauft würden. „Verpackungen übernehmen heute neben dem Schutz des Inhalts auch zunehmend Funktionen wie Dosierfunktion, Portionierfunktion, Aufbewahrungsfunktion und Handhabungsfunktion.“

Dazu kommen sich verändernde Verzehr- und Konsumgewohnheiten. 62,3 Prozent der Verpackungen und Privathaushalte im Jahr 2017 setzen sich aus Nahrungsmitteln, Getränken und Heimtierfutter zusammen, so das Umweltbundesamt. Auch geliefertes Essen wird meist in Verpackungen gebracht. Oft in unverständlichem Ausmaß. Nicht selten kommt das Essen in einer Aluschale, die wiederum in eine Plastiktüte eingepackt ist.

Gladbacher Unverpackt-Laden leidet unter aktueller Situation

Laut den Landesstatistikern von IT NRW sind in Rhein-Berg 2020 in neun Entsorgungs- und Behandlungsanlagen 210 166 Tonnen Müll entsorgt und behandelt worden. Das sind zwar deutlich weniger als noch 2019 (knapp 400 000 Tonnen) und erst recht als 2017 (518 338 Tonnen), aber auch deutlich mehr als Mitte der 2000er (2004: 87 100 Tonnen, 2005: 43 545 Tonnen, 2006: 60 792 Tonnen).

Der Büggel leidet unter der aktuellen Situation. Dabei habe es gut angefangen. „Die ersten vier Monate gingen gut, dann kam Corona“, erinnert sich Marx-Bleikertz. Inzwischen verzeichnet das insgesamt fünfköpfige Team einen Kundenrückgang von 30 Prozent. Deshalb starten sie ab kommendem Montag einen Hol- und Bringservice nach Refrath. Das Büggel-Team holt entweder bei den Kunden oder bei der Baumschule Becker die Behältnisse der Kunden ab, befüllt sie und bringt sie zurück zur Baumschule, wo sie dann abgeholt werden können.

Büggel sucht neues Ladenlokal in Gladbach

„Um unverpackt einzukaufen, muss man den Willen dazu haben, mehr Zeit und Idealismus mitbringen“, sagt die Inhaberin. Einen bestimmten Kundenstamm habe der Büggel, trotzdem wolle man sich verkleinern und sei auf der Suche nach einem neuen Ladenlokal.

Die Portion Idealismus bringt Sandra Fricke (33) aus Schlebusch mit, sie arbeitet im Büggel-Team und versucht, privat ebenfalls möglichst umweltfreundlich zu leben: Sie betreibt Foodsharing, gibt also übrig gebliebene Lebensmittel ab, ernährt sich vegan und macht Dinge wie Waschmittel selbst. „Die Menschen, die früher Wert auf Bio-Lebensmittel gelegt haben, kaufen angesichts der aktuellen Lage höchstens in den Discounter-Ketten ein.“ Die könnten größere Mengen an Ware abnehmen und sie deshalb billiger verkaufen. Das mache es Läden wie dem Büggel schwer, jetzt, da „alles teurer wird“.

Refrather räumen Müll weg

Häufig landet entstandener Müll in der Landschaft. In Bergisch Gladbach sammelt das Team von Clean-Up-Refrath daher einmal im Monat Abfall. Gegründet hat die Gruppe, deren Stamm aus zehn bis 20 Menschen besteht, Elmar Zimmermann. „Wir haben in 90 Minuten mit zwölf oder 13 Leuten 75 Kilo gesammelt“, berichtet Zimmermann über eine der Aktionen. Und schwere Teile wie Autoreifen seien noch nicht mal dabei gewesen.

World Clean Up Day

Treffen in Refrath

Am Samstag, 17. September, findet der World-Clean-Up-Day statt. Weltweit treffen sich Menschen, um in Gruppen Müll aufzusammeln. Clean-Up-Refrath trifft sich um 14 Uhr auf dem Marktplatz vor dem Kahnweiher. Jeder Teilnehmer kann selbst entschieden, wie langer er sammelt. Müllsäcke, Greifer und Handschuhe stellte das Clean-Up-Team zur Verfügung. Die Helferinnen und Helfer werden sich aufteilen und in verschiedenen Arealen in Refrath sammeln, teilt Elmar Zimmermann mit. (nip)

Besonders an roten Ampeln würfen die Leute ihren Müll häufig einfach aus dem Autofenster, berichtet Zimmermann von seinen Sammel-Erfahrungen. Das Clean-Up-Team findet häufig Masken in der Landschaft. „Eine OP-Maske braucht 450 Jahre, bis sie komplett zersetzt ist“, weist der Clean-Up-Organisator auf die ökologischen Auswirkungen hin. Und das Mikroplastik liege dann immer noch in der Natur. Ansonsten sammele das Team Dinge wie Trinktüten, Alkohol- oder auch Pfandflaschen.

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Besonders am Refrather Weg flögen viele Flaschen aus dem Fenster. Und an Bus- und Straßenbahnhaltestellen gebe es eine Flut an Zigarettenkippen. Der Refrather Weg ist ohnehin ein Müll-Hotspot, teilt Zimmermann mit, ebenso Autobahn Auf- und Abfahrten. „Insgesamt haben wir fast 900 Kilo in 15 Sammlungen gesammelt“, so der 50-Jährige.