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ProzessBergisch Gladbacher Pfleger soll Psychiatrie-Patientin missbraucht haben

Lesezeit 3 Minuten
Die Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Berlin.

Ein Flur in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. In Bergisch Gladbach steht ein Pfleger wegen Missbrauchs einer Patientin vor Gericht

Ein Krankenpfleger aus der Psychiatrie soll eine Patientin missbraucht haben. Sie zeigte ihn an, er steht in Bergisch Gladbach vor Gericht.

Jugendsozialarbeiter dürfen mit den von ihnen betreuten Jugendlichen keinen Sex haben, Gefängniswärter nicht mit ihren Häftlingen, Krankenpfleger nicht mit ihren Psychiatrie-Patienten. Eine Binsenweisheit, die sich von selbst versteht?

Eigentlich ja. Die Zahl der Personen, die jährlich in Deutschland wegen des „sexuellen Missbrauchs von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen“ verurteilt wird (Paragraf 174a des Strafgesetzbuchs, Strafe bis zu fünf Jahren Haft), liegt laut dem Bergisch Gladbacher Strafverteidiger Dr. Karl-Christoph Bode „weit unter zehn“. Andererseits verteidigt Bode am Bensberger Amtsgericht momentan einen Bergisch Gladbacher Krankenpfleger, dem genau dieser Missbrauch vorgeworfen wird.

Hausbesuche der besonderen Art

Auf der Anklagebank sitzt an diesem Vormittag der 35-jährige Krankenpfleger Daniel D. (Namen geändert), verheirateter Familienvater. Daniel D. soll sich an seinem Arbeitsplatz in der Psychiatrie der Patienten Petra G. in völlig unangemessener und verbotener Weise genähert haben.

Die junge Frau, die sich wegen einer Borderline-Störung stationär in der Klinik aufhielt und von deren Krankheit und Abgrenzungsproblemen er gewusst haben soll, hatte es ihm wohl sehr angetan – so sehr, dass er im Juni und Juli 2023 zwei Mal im Aufenthaltsraum der Pfleger sexuelle Handlungen an ihr vornahm und sie zwei weitere Mal in ihrer Wohnung besuchte, sie auszog, aufs Bett legte und anfasste. Später distanzierte sich die deutlich jüngere Frau von ihm und zeigte ihn an.

Verteidiger sieht kein „Ausnutzen“

Die sexuellen Handlungen hat Daniel D. bereits schriftlich zugegeben. Klarer Fall für einen kurzen Prozess? Das dann doch nicht, denn Jurist Bode ist tief in die Materie eingestiegen. Nach der Anklageverlesung trägt er einen 14 Seiten umfassenden Schriftsatz vor, der erstens die Komplexität der Gesetzesvorschrift beleuchtet und zweitens die Problematik einer kranken Zeugin.

Eine Tat nach Paragraf 174a liege nur dann vor, wenn der Täter die Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit zu sexuellen Übergriffen „ausnutze“, führt Bode aus. Das sei aber nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen nicht der Fall.

Angeklagter bereut laut Anwalt seinen „Fehler“

Vielmehr, so der Jurist weiter, deuteten Chats zwischen dem Angeklagten und dem mutmaßlichen Opfer darauf hin, dass die beiden „offen ihre Standpunkte“ ausgetauscht hätten; ein „Machtgefälle“ belegten sie nicht. Auch sei Petra G. „im Rechtsleben nahezu voll geschäftsfähig“. Bode: Wenn sie die „Klinik verlässt und einen notariellen Vertrag unterschreibt, ist der Vertrag rechtswirksam geschlossen“.

Andererseits, so der Gladbacher Jurist weiter, bedauere sein Mandant seinen Fehler, habe daraus gelernt und das Geschehen auch mit seiner Ehefrau „intensiv aufgearbeitet“. Sollte die Hauptverhandlung gegen Daniel D. fortgesetzt werden, müsste Petra G. psychiatrisch begutachtet werden, was etwa ihre Steuerungsfähigkeit angehe oder ihre Fähigkeit zur Schilderung von Erlebnissen.

Rechtsgespräch und Beratungspausen

Nachdem der Verteidiger seinen 14-Seiten-Vortrag beendet hat, ziehen sich auf seinen Vorschlag hin Richterin Simona Sünnemann, die Staatsanwältin, Nebenklage-Vertreterin Alexandra Seidenkranz und Bode selbst sich zu einem 15-minütigen Rechtsgespräch zurück.

Ein halbes Dutzend Zuschauer sitzt mucksmäuschenstill im Raum, während der Angeklagte auf die Tischplatte vor sich starrt. Anschließend spricht Bode noch einmal vor der Tür fünf Minuten mit Daniel D. und Anwältin Seidenkranz 15 Minuten mit ihrer Mandantin Petra G.

Patientin stellt sich psychiatrischer Begutachtung

Danach ist klar: Die junge Frau ist dazu bereit, sich der geforderten psychiatrischen Begutachtung zu stellen. Der Prozess ist damit für Erste geplatzt. Angesichts des Mangels an geeigneten Gutachterinnen und Gutachtern kann es mit der Fortsetzung Monate dauern.

Beim Verlassen des Saales nimmt eine der Zuschauerinnen, eine lebenserfahrene Frauenrechtlerin, den Verteidiger-Hinweis auf die bislang so wenigen Verurteilungen auf: Es werde halt Zeit, dass sich jemand wehre.