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ReformNeues Cannabis-Gesetz lässt im Bensberger Gericht die Köpfe rauchen

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann raucht vor dem Kölner Dom einen Joint.

Cannabis-Konsum (wie hier am 1. April vor dem Kölner Dom) ist jetzt legal, das entsprechende Gesetz lässt aber im Bensberger Amtsgericht die Köpfe rauchen.

Mit dem 50-Seiten-Cannabis-Gesetz macht die Ampel in Berlin der Justiz in der Provinz viel Arbeit, wie ein frischer Fall aus Bensberg zeigt.

Die Legalisierung des Besitzes von bis zu 25 Gramm Cannabis bei Erwachsenen macht sich in mehrfacher Hinsicht auch im Bergisch Gladbacher Amtsgericht bemerkbar: Sei es, weil nun alte Strafurteile daraufhin überprüft werden müssen, ob es „nur“ um Haschisch und Marihuana ging oder auch um härtere Drogen wie Kokain oder Heroin, sei es, weil die Justiz irgendwie mit Anklagen umgehen muss, die vor dem 1. April 2024 erhoben, aber noch nicht verhandelt wurden.

Hier gilt die Marschrichtung: Bei reinen kleinen Cannabis-Verstößen gibt es nach dem Grundsatz, dass zum Vorteil des Angeklagten das mildere Gesetz anzuwenden ist, einen Freispruch. Geht es dagegen noch um ein weiteres Delikt, wird die Sache mit dem Cannabis eingestellt und der Rest verhandelt – so auch in der vergangenen Woche wieder beim Jugendschöffen- und Erwachsenenstrafrichter Ertan Güven.

Die Untergrenze der großen Menge

Was passiert aber, wenn es ausschließlich um Cannabis geht, die Menge aber deutlich größer ist als die seit April erlaubten 25 Gramm? Darüber hatte jetzt das Bergisch Gladbacher Erwachsenenschöffengericht unter dem Vorsitz von Britta Epbinder zu entscheiden.

Epbinder, zuvor Jugendrichterin, hat die Nachfolge ihrer pensionierten Kollegin Birgit Brandes (wir berichteten) angetreten. Gleich bei ihrem ersten Fall als Schöffenrichterin stand die erfahrene Juristin vor der Aufgabe, neue Wege finden und erklären zu müssen — das neue Cannabisgesetz gibt es ja noch nicht einmal einen Monat.

Angeklagter mit 78 Gramm in Bergisch Gladbach erwischt

Angeklagt war Sven P. (Name geändert), ein 27-jähriger Student aus Leverkusen, der am Nachmittag des 30. Januar 2023 auf der Kempener Straße in Bergisch Gladbach mit 78,31 Gramm Cannabis erwischt worden war. Vor dem Inkrafttreten des 50 (!) Seiten umfassenden Gesetzes vom 27. März 2024 wäre das noch ein Verbrechen gewesen, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Aber jetzt?

Über seinen Bonner Verteidiger Martin Heising gab Sven P. an, dass er sich das „Dope“ nur zum Eigenkonsum gekauft habe. Die große Menge erkläre sich durch den großen Rabatt, ergänzte der angeklagte Sparfuchs nachvollziehbar. Allerdings hatte wohl auch der Dealer gespart und ihm nur 78,31 statt der vereinbarten 80 Gramm gegeben.

Nicht gering und besonders schwer

Aber war diese große Menge nur ein einfacher strafbarer Verstoß gegen Paragraf 34 Absatz 1 des Cannabisgesetzes, für den es nach dem neuen Gesetz bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe gibt? Oder schon ein „besonders schwerer Fall“ nach Absatz 3? Weil es nämlich um eine „nicht geringe Menge“ nach Absatz 3 Nummer 4 ging? Dann wäre die Strafe drei Monate bis fünf Jahre.

Fragen über Fragen, und hinzu kam die vom Gesetzgeber in Berlin nicht eindeutig beantwortete Frage, was denn eine „nicht geringe Menge“ sei. Die Kölner Gerichte setzen diese laut Staatsanwältin aktuell bei einem Wirkstoffgehalt von 15 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) an.

Entscheidend ist der Wirkstoffgehalt

Aber wäre das fair? Sven P. hatte ja am 30. Januar 2023 das „Glück“ gehabt, keinen Ramsch, sondern eine Droge mit hohem Wirkstoffgehalt gekauft zu haben, wie das Düsseldorfer Landeskriminalamt (LKA) herausgefunden hatte. Das LKA kam auf 16,2 Gramm THC, knapp über der Kölner Schallgrenze. Sollte sich das Käufer-Glück nun im Gerichtssaal rächen?

Tatsächlich forderte die Staatsanwältin eine Verurteilung wegen eines besonders schweren Falles zu 1350 Euro Geldstrafe (90 Tagessätze zu 15 Euro). Dagegen plädierte Verteidiger Heising dafür, seinen Mandanten mit dem bisher tadellosen Lebenswandel nach der milderen Sanktion zu 30 Tagessätzen zu verurteilen.

Richterin Epbinder und ihre beiden Schöffen entschieden sich nach intensiver Beratung für einen Mittelweg: Das Gericht verhängte einerseits die von der Staatsanwältin geforderte höhere Geldstrafe, verneinte andererseits aber den besonders schweren Fall.