Missbrauchsfall von Bergisch GladbachDie wichtigsten Fragen und Antworten
- Die Ermittler haben am Mittwoch bekanntgegeben, dass der Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach immer größere Ausmaße annimmt.
- Mittlerweile wurden sechs Väter festgenommen, die ihre Kinder sexuell missbraucht haben sollen.
- Wie ermittelte die Polizei die Tatverdächtigen? Wie geht es nun mit den Ermittlungen weiter? Welche Rolle spielt das Handy des Bergisch Gladbachers?
- Die wichtigsten Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Bergisch Gladbach – Sechs dringend tatverdächtige Väter, die acht ihrer Kinder beziehungsweise Stiefkinder sexuell missbraucht haben sollen, und Hunderttausende kinderpornografische Bilder und Videos – das Netzwerk von Missbrauchs- und Kinderpornografiefällen, dem die Polizei nach der Hausdurchsuchung bei einem 42-jährigen Bergisch Gladbacher auf die Spur gekommen ist, zieht immer weitere Kreise. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie sieht der Ermittlungsstand nach der Festnahme eines fünften Tatverdächtigen am späten Dienstagabend in Krefeld aus?
Der 38-Jährige wurde mit seinem eigenen Kind angetroffen und festgenommen. Er hat sich laut Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob vollumfänglich eingelassen. Durch sein Geständnis habe es noch in der Nacht Hinweise auf einen weiteren Täter im Raum Viersen gegeben. Ab drei Uhr wurden dessen Wohnanschrift sowie ein mutmaßlicher Tatort in Aachen, an dem der Mann ein Kind missbraucht haben soll durchsucht, der Tatverdächtige festgenommen. „Es geht um jede Stunde, um weitere Missbräuche zu verhindern“, sagt Jacob.
Was wird den Tatverdächtigen vorgeworfen?
Sie sollen allesamt ihre Kinder beziehungsweise Stiefkinder im Alter zwischen unter einem Jahr und elf Jahren schwer sexuell missbraucht und dabei Foto- und Videoaufnahmen gemacht haben. Wie perfide die Täter vorgegangen seien, zeige der Umstand, dass umfangreiches Sexspielzeug in Kinderzimmern, Fesselmaterial und von Kinderhand geschriebene Liebesbriefe sichergestellt worden seien, so Polizeipräsident Jacob.
In welcher Beziehung standen die Tatverdächtigen?
Nach ersten Ermittlungen sollen sie durch Internetchats miteinander in Verbindung gestanden haben und über Messenger-Dienste wie Whatsapp kinderpornografische Bilder und Videos ausgetauscht haben. Zumindest einen Teil davon sollen sie selbst beim sexuellen Missbrauch ihrer Kinder beziehungsweise Stiefkinder angefertigt haben. Im Bergisch Gladbacher Fall soll der Tatverdächtige versucht haben, sich mit einem weiteren Mann zu treffen. Ob dieses oder weitere Treffen, möglicherweise sogar ein Austausch der Kinder stattgefunden hat, konnte die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben noch nicht bestätigen.
Wie viele Ermittler sind mit den Fällen befasst?
Von mehr als 20 Ermittlern in der vergangenen Woche ist die Kommission auf landesweit rund 130 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aufgestockt worden, die in einzelnen Einsatzabschnitten im Schichtdienst das sichergestellte kinderpornografische Material auf der Suche nach weiteren Opfern und Tatverdächtigen auswerten. Unterstützt wird die Gruppe durch Mitarbeiter des Landeskriminalamts. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer spricht von einer „Mammutaufgabe“, Polizeipräsident Jacob von einem Verfahren, das es in dieser Art und Weise noch nicht in Köln gegeben habe. Am gestrigen Dienstag sind die Verfahren in NRW bei der 2016 gegründeten „Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW“ in Köln zusammengefasst worden. Neben den Ermittlern sind hier allein vier Staatsanwältinnen und Staatsanwälte involviert.
Sind weitere Tatverdächtige und Opfer zu erwarten?
Die Ermittler gehen davon aus. So seien bereits weitere Beschuldigte auf dem sichergestellten Datenmaterial entdeckt, aber noch nicht identifiziert worden. Und bislang sei nur ein Teil des sichergestellten Materials ausgewertet.
Ins Rollen gekommen sind die Ermittlungen nach der Hausdurchsuchung bei einem Bergisch Gladbacher vor zwei Wochen. Wie kam es dazu?
Im August sind die Kölner Ermittlungsbehörden laut Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer von der Staatsanwaltschaft Kassel darüber informiert worden, dass es im Zusammenhang mit einem dort geführten Verfahren zum Besitz von Kinderpornografie Hinweise auf einen Bergisch Gladbacher gebe, von dem es bisher nur ein Chat-Pseudonym gab.
Wie sind die Kölner Ermittler mit der Information umgegangen?
Sie ermittelten nach eigenen Angaben die Personalien des Tatverdächtigen, erwirkten einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung und sandten die Ermittlungsakten am 12. September an die rheinisch-bergische Kreispolizei in Bergisch Gladbach.
Weshalb kommt dem Handy des Bergisch Gladbachers eine Schlüsselrolle in dem Fall zu?
Das im Speicher des Mobiltelefons gefundene Material habe die wesentliche Grundlage für den Haftbefehl gegen den 42-Jährigen gebildet, so Oberstaatsanwalt Bremer. Auf dem Handy gefundene Internetchat-Kontakte sollen zudem zu den weiteren festgenommenen Tatverdächtigen geführt haben.
Was ist auf den anderen Handys?
Eine laut Ermittler „unfassbare Menge“ von Daten. Alleine auf einem Mobiltelefon, so zählte Polizeipräsident Jacob auf, habe man mehr als 130.000 kinderpornografische Bilder, mehr als 1300 Videos sowie 469 Chats mit 113.000 Nachrichten sichergestellt. Teilweise seien 1800 Teilnehmer in einer Chat-Gruppe, was nicht heiße, dass jeder ein Straftäter sei, jeder müsse aber identifiziert und überprüft werden.
Wie aufwendig ist solche eine Handyauswertung mutmaßlicher Täter für die Ermittler?
Ein Ermittler bräuchte laut Polizeipräsident 100 Tage, wenn er ein solches Handy allein auswerten würde.
Seit wann wissen die Ermittler, dass es neben dem Besitz und der Verbreitung von Kinderpornografie in dem Fall auch um schwere sexuelle Misshandlung geht?
Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich Hinweise auf den schweren sexuellen Missbrauch der eigenen Kinder erst bei der Sichtung des bei dem 42-jährigen Bergisch Gladbacher sichergestellten Bild- und Videomaterial herausgestellt. Insgesamt liegen den Ermittlern allein aus Bergisch Gladbach mehr als sieben Terabyte elektronische Daten vor. Auch die von speziellen Datenspeicherspürhunden bis Montagabend zusätzlich im Haus und auf dem Grundstück des Bergisch Gladbacher Tatverdächtigen gefundenen Speichermedien enthielten nach ersten Erkenntnissen weiteres kinderpornografisches Material.
Warum hat die Kölner Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen?
Nachdem die Ermittlungen in dem Missbrauchsfall am Rande eines Pressetermins in Bergisch Gladbach bekannt geworden waren und diese Zeitung darüber berichtet hatte, ist großes bundesweites öffentliches Interesse an den Ermittlungen entstanden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Ermittlungen danach an die Kölner Polizei übergeben, weil dort „Manpower“ vorhanden sei, so der Minister, der die Ermittlungsarbeit in Bergisch Gladbach ausdrücklich lobte. Tatsächlich stehen die Ermittlungsbehörden nach den Ermittlungspannen im Fall Lügde vor wenigen Monaten nun unter besonderem Druck, keinen Fehler zu machen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Ist der aktuelle Fall mit dem in Lügde vergleichbar?
In beiden Fällen geht es um den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und die Erstellung von Kinderpornografie. Ansonsten sieht NRW-Innenminister Herbert Reul wenig Parallelen: „Die Geschichten sind andere“, so der Innenminister in einer Stellungnahme: „Die Geschichte von Lügde spielte an einem Platz, wo Kinder von ein, zwei Männern missbraucht wurden. Hier haben wir jetzt unterschiedliche Stellen, wo Männer mit ihren eigenen Kindern Missbrauch betrieben haben.“
Das jüngste Opfer war nicht mal ein Jahr, das älteste gerade mal elf Jahre alt. Welche Belastung bedeutet es für die Ermittler, solches Bildmaterial auszuwerten?
Laut LKA-Seelsorger Dietrich Bredt-Dehnen sagen 95 Prozent der Polizisten, dass sie diese Arbeit auf keinen Fall machen würden. Kölns Kripo-Chef Becker hat mehrfach betont, dass in der mehr als 130-köpfigen Ermittlungsgruppe ausschließlich Polizeibeamte arbeiteten, die diese Aufgabe freiwillig übernommen hätten.