Wenn nur eine Filiale schließt, bilden sich Schlangen vor den Apotheken in der Umgebung, weil ihr Kundenaufkommen in diesen Fällen so stark steigt.
Werden lange Schlangen Normalität?Lage der Apotheken in Bergisch Gladbach „spitzt sich zu“
Lange Schlangen vor der Elefanten-Apotheke in der Fußgängerzone – ein Bild, an das sich die Bergisch Gladbacher gewöhnen müssen? „Wenn es so weitergeht, wie in den letzten Jahren und nicht endlich gehandelt wird, ist das erst der Anfang“, sagt Markus Kerckhoff. Er betreibt die Schlossapotheken in Bergisch Gladbach und warnt schon lange davor, dass Apotheken „ausgeblutet“ werden.
Dass die Bären-Apotheke in der Rhein-Berg-Galerie kurzzeitig geschlossen war (der Betreiber Abdul-Matin Hafizi wollte auf Anfrage dieser Zeitung keine Angaben zu den Gründen dafür machen), zeige, wie es vielen Apotheken in Deutschland gehe. Besonders abseits von Ballungsgebieten. Seit Jahren schließen immer mehr Apotheken – das bedeute für die, die weiterhin geöffnet haben: Mehr Kunden, mehr Notdienste und mehr Arbeit, bei gleichbleibendem Personal.
Durch fehlende Regelung: Ungleiche Verteilung der Apotheken
„In der Fußgängerzone liegen die Apotheken unmittelbar beieinander. Und wenn eine von beiden schließt, sorgt das für ein viel höheres Aufkommen bei der anderen als vorher. Da kann man sich vorstellen, wie es in ländlicheren Gebieten zugeht, in denen man bis zur nächsten Apotheke 30 Kilometer fahren muss“, sagt er.
In der Branche herrsche Niederlassungsfreiheit. Diese führe zu der ungleichen Verteilung, dass in einigen Gebieten Apotheken nur 20 Meter auseinander liegen und Kunden in anderen Regionen eine halbe Stunde zur nächsten Filiale fahren müssen. Als die Post privatisiert wurde, habe es Vorschriften gegeben, die besagten, dass „jede Omi innerhalb von 500 Metern ihr Paket für ihren Enkel abschicken können muss. So etwas wäre für uns auch sinnvoll gewesen“, meint Kerckhoff.
So, wie es seit langem in der Politik und dem Gesundheitswesen laufe, steuere man langsam darauf zu, dass Schlangen vor Apotheken bald nichts Ungewöhnliches sein werden. „Die Situation spitzt sich zu. Das wird auch von allen Seiten bedauert, aber die, die etwas tun könnten, bleiben untätig. Die Politik versteht das erst, wenn sie bemerken, dass ihre Steuerbescheide nicht essbar sind“, kritisiert er.
Deutschland verliere im Jahr rund 400 Apotheken. „Die, die weg sind, kommen nicht wieder“, bedauert er. Schlechte Rahmenbedingungen, wie lange Arbeitszeiten, Nacht- und Notdienste und wenig finanzieller Anreiz sorgten dafür, dass sich immer weniger junge Menschen in der Branche selbstständig machen wollten. 13.000 Apotheker hätten derzeit die Erlaubnis, öffentliche Apotheken zu eröffnen. „Aber die werden auch älter und viele von denen gehen bald in Rente“, sagt der Apotheker. Und unter den jüngeren hätten viele keine Lust mehr auf die Regulierungen, die die eigentliche Aufgabe, die Bevölkerung zu versorgen, erschwerten. „Die Regulierungen stammen aus dem 19. Jahrhundert und die Verbände, die dahinter stehen, sind mit dem Kopf auch noch dort“, findet Kerckhoff.
Herstellung von Medikamenten im Ausland schädigt Gesundheitssystem
Ein Dorn im Auge der Branche seien zum Beispiel Rabattverträge mit den Krankenkassen. Eigentlich sollten diese Kundinnen und Kunden vor erheblichen Zusatzkosten schützen. Doch setze die Gesundheitspolitik in Deutschland zu sehr darauf, Arzneimittel immer billiger abzugeben. Bei den Apotheken bleibe kaum etwas hängen und viele Hersteller könnten es sich nicht mehr leisten, in Deutschland zu produzieren. Also sei die Produktion zu einem großen Teil ins Ausland verlagert worden. „Spätestens in der Corona-Pandemie haben wir gemerkt, was das für unser Gesundheitssystem bedeutet. Aber die Verantwortlichen lernen aus solchen Situationen einfach nicht“, so Kerckhoff. Mit dem Beginn der Pandemie sei besonders die Abhängigkeit der deutschen Gesundheitsversorgung von China deutlich geworden.
Die Verlagerung der Produktion ins Ausland bleibe nicht ohne Folgen: An einige Medikamente komme man auch über längere Zeiträume nicht heran. „Und sie als Apotheker stehen dann da und bekommen den Ärger der Leute ab“, sagt er. Sprüche wie: „Wie leben doch nicht in der DDR“ und ähnliches seien schon längst keine Seltenheit mehr.
Ein erster Schritt, den Berufszweig wieder attraktiver zu machen, sei es, das Apothekenhonorar auf zwölf oder 15 Euro zu erhöhen. „Wir haben seit 15 Jahren keinen Inflationsausgleich bekommen. Die Kosten sind im Moment mit nichts mehr zu vergleichen", sagt er. Er wünsche sich, dass die Politik endlich gegen das Apothekensterben steuere: „Die wissen genau, was gerade passiert, aber tun nichts.“