Bergisch Gladbach – „Als ich 1992 zum ersten Mal mit dem Güterbahnanschluss Zinkhütte zu tun hatte, lag da ein Kopfgleis mit einer Ladestraße, an der zweimal im Jahr ein Holzunternehmer aus dem Oberbergischen einen Waggon beladen hat“, erinnert sich Martin Westermann von der Wirtschaftsförderung der Stadt Bergisch Gladbach. „Das war alles.“ Und das war nicht genug.
Gespräche über Gleisnutzung aus den 90er-Jahren wieder aufgenommen
In den 90er-Jahren setzte die Deutsche Bahn der Stadt die Pistole auf die Brust: Entweder das Gleis wird mehr genutzt, oder die Stadt zahlt für Wartung und Unterhalt: 20 000 Euro im Jahr. Ansonsten drohte der Rückbau und auf längere Sicht die Entwidmung.
20 Jahre nach der Androhung der Strafzahlungen ist die Uhr für den Bahnanschluss endgültig abgelaufen. Jetzt hatte der Planungsausschuss im Verfahren zum Rückbau des Schienenweges, beantragt von der Zanders-Firmentochter BGE, noch einmal das Wort.
Wie zuvor im Verkehrsausschuss war das Aus für das Zinkhüttengleis für die Grünen „nicht nur ein Skandal, sondern ein großer Fehler“, so Sprecher Roland Schundau. Alle anderen Fraktionen schwiegen oder zeigten Bedauern, aber auch Verständnis für die Entscheidung, den Anschluss zu liquidieren.
Keine großen Versandformate
Im Gewerbegebiet Zinkhütte gibt es schon seit 2013 kein Unternehmen mehr, das Verwendung für einen Gleisanschluss hat. Auch am Bahnhof Stadtmitte ist das Industriegleis zu G+H schon lange tot. Bahnanschlüsse sind demnach nur interessant, wenn man ganze Waggonladungen zu verschicken hat.
Doch solche großen Versandformate sind in Gladbach nicht mehr üblich. „Für Güter, die auf Paletten in alle Himmelsrichtungen verschickt werden, macht das keinen Sinn“, erklärt Westermann. „Man braucht ein Ziel mit einem Großabnehmer.“
Wirtschaftliche Ziele von 1999 bis 2013 erfüllt
Wirtschaftlich funktioniert das zudem nur, wenn der Zug voll hineinfährt und voll wieder hinaus. „Leerfahrten sind tödlich.“ Diese beiden Voraussetzungen waren eine Zeit lang erfüllt: Von 1999 bis 2013 wurde das Zinkhüttengleis von der Bergisch Gladbacher Eisenbahn Güterverkehr GmbH (BGE) betrieben, der die Papierfabrik Zanders als Hauptanteilseigner, die Spedition P&O als Logistiker, die Häfen und Güterverkehrs Köln (HGK) und die Stadt Bergisch Gladbach angehörten.
Die HGK war notwendig, „weil die den Führerschein für die Eisenbahn hatte“ (Westermann), und die Stadt brachte Landeszuschüsse für den Bau eines Güterterminals mit Hochregallager ein: insgesamt 35 Millionen Mark (17,5 Millionen Euro). Zanders sollte dafür 300 000 Tonnen jährlich über die Schiene umschlagen.
Zanders lief auf Hochtouren
Allerdings bedurfte es dazu eines Doppelanschlusses: Die Züge fuhren voll mit Rohstoffen (Kohle und Zellstoff) in das Werk Gohrsmühle ein, wurden dann leer zur Zinkhütte rangiert, wo sie mit Papier beladen wurden, das zuvor mit Lkw von der Gohrsmühle zur Zinkhütte gebracht wurde.Die Waggons wurde dann zum Güterbahnhof Köln-Eifeltor gezogen, wo die Züge für Übersee zusammengestellt wurden, die Richtung Nordsee und Ärmelkanal rollten. Ein Geschäftsmodell, das nur funktionierte, solange bei Zanders die Produktion auf Hochtouren lief. Als die notwendigen Mengen nicht mehr erreicht wurden, war der Fährenbetreiber P&O der erste, der sich zurückzog. Die BGE war gescheitert.
Schuld im Lebensmittelunternehmen Krüger gesehen
Für die Verteidiger des Schienenanschlusses, die sich vor allem aus Umweltschutzverbänden, Grünen und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) zusammensetzen, liegt die Schuld jedoch vor allem bei dem Lebensmittelunternehmen Krüger, das sich weigere den Gleisanschluss zu benutzen. Krüger hatte allerdings schon bei der Gründung der BEG abgewinkt: Außer Zucker würden keine Rohstoffe in Waggonmengen angeliefert. Und auch die Fertigprodukte würden in viel zu kleinteiligen Gebinden ausgeliefert, die sich nicht für einen ökonomisch sinnvollen Bahntransport eigneten. Das Werk besitzt auch selbst keinen Gleisanschluss. Als das Unternehmen 2016 einen Teil des Bahnanschluss-Areals von Zanders kaufte, tat es das bereits in der Erwartung, dass das Gleis abgebaut wird.
Historie der Gleisanlage Zinkhütte
1969 kauft die Stadt die Gleisanschlussanlagen „An der Zinkhütte“ mit dem Stammgleis der „Berzelius Metallhütten-Gesellschaft“ von der Metall AG.1995 regt die Güterverkehrsrunde Bergisch Gladbach (ein Projekt des Stadtmarketings) einen Zusammenschluss von Firmen für den Betrieb eines dezentrales Güterterminals an. Nur die Firma Zanders macht letztlich mit.
1999 wird die BGE Eisenbahngüterverkehr GmbH Bergisch Gladbach (BGE) als lokale Eisenbahngesellschaft mit den Gesellschaftern Zanders, Stadt, P&O sowie HGK gegründet zum Neubau und Betrieb eines Logistikzentrums und Güterterminals, Investitionsvolumen: 35 Millionen D-Mark. Das Land fördert den Bau mit 50 Prozent. Die Gleisanlage wird an die BGE verpachtet, die die Zahlung an die DB Netz AG und die Unterhaltskosten übernimmt (knapp 20 000 Euro jährlich). Von 2000 bis 2012 werden circa 3,1 Millionen Tonnen Fertigwaren und Zellstoff über den Gleisanschluss transportiert, zusätzlich cirka 850 000 Tonnen Kohle über den vorhandenen Bahnanschluss am Driescher Kreisel direkt ins Werk Zanders.
Versand von Fertigwaren 2013 eingestellt
2013 wird der Versand von Fertigwaren aus dem Güterterminal wegen der stark reduzierten Produktionsmengen eingestellt, Zanders übernimmt die Anteile der Gesellschafter P& O sowie HGK, 2016 auch die Anteile der Stadt.
2016 verkauft die BGE einen Teil des Geländes an die Firma Krüger und stellt Antrag bei der Landeseisenbahnverwaltung auf Rückbau des Privatgleises, da seit drei Jahren keine Nutzung erfolgt sei und auch keine Nutzung in Zukunft zu erwarten sei wegen fehlender Frachtmengen, Kosten und mangelnder Flexibilität des Schienentransportweges.
Jährliche kosten betragen 20 000 Euro bei Aufrechterhaltung des Anschlusses
2017 wird die Stadt im Februar von der Kölner Regierungspräsidentin um Stellungnahme gebeten und stimmt im März vorläufig zu. Nachträglich wird diese Zustimmung von den politischen Ausschüssen bestätigt. Ausschlaggebend ist dabei nicht zuletzt, dass bei Aufrechterhaltung des Anschlusses jährliche Kosten von 20 000 Euro anfallen (plus ungenannte Instandhaltungskosten), die letztlich auf die Stadt zukämen.