Wie aus 50 Euro Grundsteuer 1580 Euro Grundsteuer wurden - und welche Aussichten eine Petition gegen die Erhöhung hat.
NeubewertungBergisch Gladbacher soll das 32-fache an Grundsteuer für seine Wiese zahlen

Schöne Wiese, teure Wiese. Wilfried Theiß kämpft gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt.
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Als das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die alte Berechnungsgrundlage der Grundsteuer kippte und mehr Steuergerechtigkeit anmahnte, war klar: Das gibt Ärger. Denn auch wenn das Steueraufkommen durch eine Neuberechnung insgesamt neutral bleiben sollte, war eine Neu- und Umverteilung die Kernforderung des Verfassungsgerichts. Einige sollten mehr zahlen - andere weniger. Und so ist es auch gekommen. Landauf, landab werden besonders krasse Fälle gesucht und gefunden. Einer spielt in Bergisch Gladbach.
Wilfried Theiß steht vor seinem Grundstück im Osten von Bergisch Gladbach. Da sieht es richtig ländlich aus. Eine Idylle. Für seinen kleinen Bungalow - etwa 60 Quadratmeter Wohnfläche - aus dem Jahr 1960 mit seinem rund 2600 Quadratmeter großen Grundstück zahlte Theiß in den vergangenen Jahren sage und schreibe 50 Euro Grundsteuer. Vor einigen Wochen hat er seinen neuen Bescheid bekommen. Nun will die Stadt 1580 Euro Grundsteuer. Knapp das 32-fache des alten Betrages. Theiß hat eine „Petition gegen die unverhältnismäßige Grundsteuererhöhung in Bergisch Gladbach“ gestartet. „Die Sauerei muss man doch stoppen können“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Eine Wiese soll 500.000 Euro wert sein
Für Theiß beginnt der Wechsel zum Schlechten mit der Berechnung des Gutachterausschusses der Stadt Bergisch Gladbach. Dort werden Bodenrichtwerte in Bodenrichtwertzonen ermittelt. Da arbeitet der Gutachterausschuss der Stadt Bergisch Gladbach so wie jeder andere in der Republik. Es wird geschaut, was für die Immobilien in der entsprechenden Zone gezahlt wird und daraus errechnet sich der Bodenrichtwert. Im konkreten Fall gehörte der kleine Bungalow mit der großen Wiese in die Bodenrichtwertzone von Herkenrath. Baugrundstücke sind dort begehrt und teuer. Theiß rechnet vor, dass seine Wiese nun 500.000 Wert sein soll. „Das ist doch totaler Unsinn“, schimpft Theiß. Denn die Wiese werde niemals Bauland werden können.
Wenn auch das Wort „niemals“ mit Vorsicht gewählt werden sollte, dann hat Theiß aber sicher recht damit, dass nicht absehbar ist, dass seine Wiese jemals Bauland werden könnte. Schafe weiden dort - und das wird wohl auch so bleiben. Für die Berechnung seiner Grundsteuer hilft das Theißen wenig.
Bei dem Bescheid wurde richtig gerechnet
Helfen würde ihm, wenn sich Bergisch Gladbach Finanzverwaltung verrechnet hätte. Das passiert tatsächlich immer wieder, deshalb lohnt es sich durchaus nachzuschauen, wie die Stadt gerechnet hat. Zuletzt hatte Bergisch Gladbachs Kämmerer Thore Egger (FDP) von diesen Rechenfehlern berichtet: „Klar, dann justieren wir nach.“ Aber bei Theißen haben sie sich nicht verrechnet.
Wenn es jemanden in Bergisch Gladbach gibt, der sich a) mit der neuen Grundsteuerberechnung auskennt und b) an allen Rädern dreht, um sie zu kippen, dann ist das Sylvia Schönenbröcher, Geschäftsführerin beim Verein Haus und Grund. Der Zusammenschluss von Immobilienbesitzern hat sehr früh seine Mitglieder informiert, was sie gegen die Neuberechnung der Grundsteuer tun können - und was keinen Sinn macht.
Wir stehen bereit und achten auf jede Entwicklung
„Das Wichtigste ist, dass gegen die Berechnung des Finanzamtes Einspruch erhoben wurde“, sagt sie. Bis dato ist ihr kein einziger Fall bekannt, in dem diesem Einspruch widersprochen wurde. Das ist wichtig, denn es geht Haus und Grund darum, den Rechtsstreit um die Grundsteuer bis in die letzte Distanz zu bringen - und dann zu gewinnen. Es würde mutmaßlich die gesamte neue Grundsteuerberechnung kippen.
Davon würde auch Theiß mit seiner Wiese und den Schafen profitieren. Nur ist eben vollkommen offen, ob und wie der Rechtsstreit ausgeht. „Wir stehen jedenfalls bereit und achten auf jede Entwicklung“, sagt Schönenbroicher.
Sie rät übrigens davon ab, gegen die Bescheide der Stadt vorzugehen. „Das macht keinen Sinn, denn die Stadt setzt ja nur geltende Bestimmungen um.“ Allerdings sagt sie auch, dass Einsprüche gegen die differenzierten Hebesätze auf einem anderen Blatt stehen. Zum Verständnis: Bergisch Gladbach differenziert zwischen Wohn- und Nicht-Wohngrundstücken. Und ob das rechtssicher ist, darüber streiten die Experten - und am Ende die Gerichte.
So bleibt Theiß am Ende des Tages auch nichts anderes übrig, als abzuwarten. Schönenbroicher verweist auf die vielen Klagen, die Immobilienbesitzer und deren Vertretungen bundesweit führen. Ob Theiß jemals wieder 50 Euro Grundsteuer zahlen wird, ist aber auch eher unwahrscheinlich.