Trotz bestem Image der Feuerwehr Bergisch Gladbach kündigen Tarifbeschäftigte im Rettungsdienst. Selbstkritische Töne vom Kreis.
Gezielt abgeworbenPersonalnot im Bergisch Gladbacher Rettungsdienst – Feuerwehr redet Klartext
Weder gab es im zurückliegenden Jahr eine Pandemie, noch eine große Hochwasser- oder Unwetterlage – und doch plagen die Feuerwehr Bergisch Gladbach nie gekannte Nöte. Das wurde jetzt in der Bilanz des Leiters der Feuerwehr, Jörg Köhler, bei der Jubilarehrung deutlich.
Die Herausforderung: Die Feuerwehr, die in der Kreisstadt auch den Rettungsdienst stemmt, findet immer schwieriger Personal für die Besetzung von Rettungswagen und Co. Anders als Hilfsorganisationen oder gar private Anbieter sei die Stadt an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TvÖD) gebunden, so Köhler. „Die anderen können einfach mehr zahlen.“
So würden Rettungsdienstkräfte teilweise auch ganz gezielt abgeworben. „Der Markt ist echt kaputt.“ Zumal die Bezirksregierung die bei den Tarifbeschäftigten im Rettungsdienst der Bergisch Gladbacher Feuerwehr beliebten, weil lukrativen freiwilligen Doppelschichten unterbunden habe. Diese 24-Stunden-Dienste hätten die Beschäftigten auf rein freiwilliger Basis gemacht, betonte Köhler. „Wir mussten diese Dienste abschaffen, und zwei Wochen später hatte ich die ersten sieben Kündigungen auf dem Tisch“, so Köhler. „Das tut weh.“ Die Folge: Die Feuerwehrbeamten müssten noch mehr Rettungsdienst fahren, was zu einer zusätzlichen Belastung für diese Gruppe führe.
„Das nehmen wir nicht kampflos hin“, versprach Köhler. Er weiß ab er auch: „Das ist das Thema, das uns in Zukunft stark beschäftigen wird: Wie bekommen wir Personal? Wie bilden wir es aus? Und: Wie halten wir es?“
Dabei ist die Feuerwehr Bergisch Gladbach bestens aufgestellt und als Arbeitgeber durchaus angesehen. Dazu trage auch die eigene Feuerwehrschule bei, die nächstes Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiere, so Köhler. Dass die vormalige Freiwillige Feuerwehr mit hauptamtlichen Kräften seit mehr als einem Jahr nun als Berufsfeuerwehr firmiere und agieren könne, habe die erwünschte verbesserte Position auf dem Arbeitsmarkt gebracht und zugleich das gute Verhältnis zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräften fortleben lassen.
Vize-Kreisbrandmeister spricht von „Sand im Getriebe“ und Selbstreflexion
Die Zusammenarbeit zwischen Kreis und Feuerwehr sei „in Teilen schwierig gewesen“, räumte der stellvertretende Kreisbrandmeister Sven Jansen (41) bei der Jubilarehrung der Feuerwehr Bergisch Gladbach auch mit Blick auf die Auseinandersetzung der Kreisverwaltung mit der Feuerwehr ein, die nicht zuletzt im Weggang von Kreisbrandmeister Martin Müller-Saidowski deutlich wurde (wir berichteten).
Es habe „Sand im Getriebe“ gegeben, so Jansen. „Wir arbeiten auf jeden Fall an der Problemlösung … wir machen jetzt viel Selbstreflexion“, so Jansen. „Vieles lag auch an Kommunikation.“ Am Vortag habe es ein „gutes Gespräch“ mit dem Kreisfeuerwehrverband gegeben, so Jansen. In dem Verband hatten sich die Feuerwehren der Städte und Gemeinden wie berichtet – erstmals ganz unabhängig von Vertretern des Kreises – neu organisiert. Ab Januar solle es wieder einen neuen Kreisbrandmeister geben, kündigte Jansen an. Er sei jung, komme von der Feuerwehr Wuppertal und sei hochmotiviert, so der Vize-Kreisbrandmeister. Den Jubilaren sprach Jansen seinen höchsten Respekt für ihren langjährigen Einsatz aus und dankte ihren Familien ebenso wie den Partnerinnen und Partnern aller Feuerwehrleute für ihre Unterstützung. (wg)
Zudem lobte Köhler das gute Verhältnis zu Stadtverwaltung und Politik, die ein Miteinander bei notwendigen Ersatzbeschaffungen wie neuen Fahrzeugen in diesem Jahr und der anstehenden Ersatzbeschaffung für zwei Drehleitern im kommenden Jahr für je 1,2 Millionen Euro pflege. Im Gegenzug sagte der Feuerwehrchef zu, auch in Zukunft weiterhin alles daranzusetzen, stets transparent den Bedarf und die Kosten aufzuzeigen, damit auch weiterhin keinerlei Nachtrag oder keine überplanmäßige Ausgabe notwendig sei.
Zum hervorragenden Image der Feuerwehr trage nicht zuletzt die engagierte Arbeit des Social-Media-Teams um Pressesprecher Elmar Schneiders und seinen Stellvertreter Simon Schwab bei, lobte Köhler. Große Naturkatastrophen oder ähnliches habe es im zurückliegenden Jahr nicht gegeben, bestätigte Köhler die bereits von Bürgermeister Frank Stein getroffene Einschätzung, die dieser mit dem großen Dank an die Feuerwehr für die vielen großen und kleinen Nöte der Menschen in der Kreisstadt und darüber hinaus verbunden hatte.
Feuerwehrchef lobt gutes Miteinander mit Stadtverwaltung und Kommunalpolitik
Gleichwohl, so Feuerwehrchef Köhler, habe es wichtige Schritte wie die Verabschiedung des neuen Brandschutzbedarfsplans, den Ankauf von Hallen an der Britanniahütte für die Feuerwehrschule und -verwaltung sowie besondere Einsätze gegeben wie den Brandanschlag auf die Shisha-Bar unweit des S-Bahnhofs, oder den schweren Lkw-Unfall auf der A4 und nicht zuletzt die Reizgas-Attacke am Berufskolleg Kaufmännische Schulen.
Köhler würdigte die unaufgeregt, aber strategisch vorgehende Bewältigung der Einsätze durch „seine“ Feuerwehr. Dabei wies er ebenso auf das abgeschlossene Digitalprojekt unter anderem mit der Installation von iPads auf den Einsatzfahrzeugen hin wie auch auf den ehrenamtlichen Zusatz-Einsatz der Feuerwehrleute bei der großen Jahresübung oder Festen wie dem 125. Geburtstag der Feuerwehr Refrath oder dem Familientag des Löschzugs Paffrath/Hand, bei dem der Bevölkerung Feuerwehr hautnah nähergebracht wurde. Überhaupt ist das Ehrenamt in der Feuerwehr nach wie vor eine wichtige Stütze. Die Stärke der Löschzüge sei stabil, bilanzierte Feuerwehrchef Köhler erfreut. Auch Bürgermeister Stein hatte zuvor zudem bereits den Einsatz der Jugendfeuerwehr gewürdigt.
Vorstoß für einen neuen Standort für ehrenamtlichen Löschzug Bensberg
Allerdings: Neben einer neuen Werbekampagne sei es auch wichtig, sich über den Standort des Löschzugs Bensberg Gedanken zu machen. Wenn die hauptamtliche Wache in den Neubau in Frankenforst gezogen sei, solle der ehrenamtliche Löschzug nach der derzeitigen Beschlusslage am bisherigen Standort an der Wipperfürther Straße bleiben. Allerdings sei der Standort nicht sehr zentral, und das Gebäude entspreche ohnehin nicht mehr den aktuellen Anforderungen.
„Eine Einheit aber, die keine vernünftige Unterkunft hat, diffundiert weg“, weiß Köhler. Umgekehrt zeigten die Neubauten in Refrath, Herkenrath und Schildgen, dass Einheiten mit neuen Unterkünften florierten. „Deshalb werden wir auch für Bensberg etwas tun und eine Alternative suchen müssen“, versprach Köhler im Schulterschluss mit seinen Stellvertretern Frank Haag und Benjamin Severin-von Polheim und erntete auch dafür kräftig Applaus.www.feuerwehr-gl.de
Seit bis zu 60 Jahren in der Feuerwehr aktiv – Ehrung auch für Vize-Feuerwehrchef
In der Feuerwehr heißt er nur der „Pit-Jupp“, ist vom einfachen Feuerwehrmann bis zum Einsatzführer der Löschgruppe Schildgen und in den vergangenen Jahren bis zum Neubau des Feuerwehrhauses auch als engagierter Vermieter seit unfassbaren 60 Jahren der Feuerwehr als Mitglied verbunden. Bei der Jubilarehrung der Bergisch Gladbacher Feuerwehr wurde Hauptbrandmeister a.D. Peter-Josef Meuten dafür mit einer Sonderauszeichnung des Verbandes der Feuerwehren in NRW in Anwesenheit des Vize-Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbandes, Bastian Eltner, ausgezeichnet.
„Pit-Jupp war und ist immer mit Herzblut dabei“, würdigte Gladbachs Feuerwehrchef Jörg Köhler. Auch seitdem die Feuerwehr nach dem Umzug ins neue Feuerwehrhaus nicht mehr sein direkter Nachbar sei, pflege „Pit-Jupp“ einen weiterhin engen Kontakt und stimme auch mal mit seinem Akkordeon, der „Quetsch“, das Feuerwehrlied an und sorge für Stimmung. „Lieber Pit-Jupp, du warst und bist ein wesentlicher Bestandteil dieser Einheit und hast sie geprägt“, so Feuerwehrchef Köhler.
Seit 35 Jahren unermüdlich in den Diensten der Feuerwehr ist Vize-Feuerwehrchef und Stadtbrandinspektor Frank Haag. Er sei „nicht nur ein Feuerwehrmann, sondern eine Institution, ein Motivator und, wie viele sagen würden, eine echte Marke“, würdigte sein ihm eng verbundener Wehrleitungskollege Köhler. Schon bei Haags Eintritt in die Jugendfeuerwehr Overath sei 1989 klar gewesen: „Dieser junge Mann hat nicht nur ein Herz für die Feuerwehr, sondern auch das Zeug dazu, sie zu gestalten und voranzubringen“, würdigte Köhler. 1991 wechselte Haag in den Löschzug Stadtmitte der Feuerwehr Bergisch Gladbach, in dem er bis heute aktiv ist. In der Folge war er unter anderem Jugendwart und Einheitsführer, bevor er 2012 stellvertretender Leiter der Feuerwehr Bergisch Gladbach wurde.
Auch Haags Ehefrau Nicole ist aktive Feuerwehrfrau im Löschzug Stadtmitte – und arbeitet bei der Feuerwehrverwaltung, die beiden erwachsenen Kinder sind mit der Unterstützungsabteilung verbunden. Frank Haag sei nicht nur Feuerwehrmann, sondern ein Visionär, ein „Förderer und ein Mensch mit großem Herzen“, würdigte Köhler und wies unter anderem auf die Motivation der Führungskräfte, Haags Engagement für das Brauchtum (Vorsitzender der Großen Gladbacher KG) und die Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Butscha (Vorsitzender im Städtepartnerschaftsverein) hin. Haag wurde mit dem Feuerwehr-Ehrenzeichen in Gold des Landes NRW gewürdigt.
Ebenfalls für 35-jährige Mitgliedschaft in der Feuerwehr geehrt wurden Unterbrandmeister Dirk Bilstein und Brandinspektor Ingo Luszczyk vom Löschzug Paffrath/ Hand. Dirk Bilstein ist als Angriffstrupp-Führer für den Löschzug im Einsatz, ein erfahrener Lkw-Fahrer und ein „Allrounder“ als Maschinist, zudem Truppführer. 2008 bis 2017 war er stellvertretender Jugendwart. Ingo Luszczyk war bis 2017 stellvertretender Einheitsführer des Löschzugs Paffrath/Hand, beteiligt sich als Ausbilder bei Übungsdiensten und als Führungskraft bei Einsätzen und ist Ausbildungsbeauftragter.
Für 25 Jahre in der Feuerwehr wurde Hauptbrandmeister Tobias Lutz geehrt, der hauptamtlich für die Bergisch Gladbacher Feuerwehr tätig ist und sich in der Ausbildung engagiert, insbesondere im Rettungsdienst. Für seine besonderen Verdienste um die Jugendfeuerwehr erhielt Fabian Koch (Löschzug Stadtmitte) die silberne Ehrennadel der Jugendfeuerwehr NRW. (wg)