Susanne Prothmann hat im Hospiz des Evangelischen Krankenhauses in Bergisch Gladbach die Gäste fotografiert.
„Letzte Male“ FotoreiheBergisch Gladbacherin fotografiert Gäste des Hospizes
Das letzte Mal in der Sonne sitzen, die letzte Unterhaltung mit den Liebsten – selten werden letzte Male so bewusst wahrgenommen, wie die ersten Male im Leben eines Menschen. Die Aussicht, die schönen Dinge im Leben noch oft wiederholen zu können, beflügelt. Der Gedanke, diese Dinge nicht mehr machen zu können, löst Unbehagen aus. So ging es auch Susanne Prothmann.
Sie ist Fotografin und hat für das Hospiz des Evangelischen Krankenhauses in Bergisch Gladbach letzte Male von den „Gästen“ (so nennen die Mitarbeitenden Menschen, die zu ihnen zum Sterben kommen) eingefangen. Bevor sie zu dem Shooting fuhr, habe sie Berührungsängste mit dem Thema Tod gehabt und nicht einschätzen können, wie die Begegnungen mit den Menschen im Hospiz ablaufen werden.
„Die Mitarbeitenden haben mir geholfen und gesagt, je offener ich komme, desto entspannter werden die Begegnungen“, erinnert sie sich. Und genauso sei es gekommen: „Ich habe den Tod in den Unterhaltungen mit den Menschen und im gesamten Hospiz gar nicht wahrgenommen“, sagt die Bergisch Gladbacherin.
Die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen würden alles dafür tun, es den Menschen dort in ihrer letzten Zeit so angenehm, wie möglich zu machen. „Nach dem Shooting habe ich erst so richtig bemerkt, wie wichtig solche Orte sind“, sagt Prothmann. Sie sei, anders als erwartet, „richtig beseelt“ aus dem Termin gegangen.
Keine Angst vor dem Tod
Die Begegnungen mit den sterbenden Menschen hätten sie außerdem langfristig beeindruckt: „Die haben mir die Angst vor dem Tod und Sterben genommen“, erzählt sie. Den Gästen, mit denen die Fotografin gesprochen hat, hätte sie nicht angesehen, dass sie todkrank sind.
Viele seien immer noch fröhlich und aktiv gewesen. Die meisten schienen im Reinen mit sich und ihrer Situation gewesen zu sein. Besonders an einen Menschen denkt sie noch öfter zurück: Sie fotografierte einen älteren Mann, der die Sonne draußen genoss– vielleicht das letzte Mal in seinem Leben.
Erfülltes Leben
„Er hat mir viel von seinen Reisen mit seiner Frau und ihrem Wohnmobil erzählt“, erinnert sie sich. Damit sei er bei ihr an die richtige Person geraten, weil sie und ihr Mann sich ebenfalls vor kurzem ein Wohnmobil zugelegt hätten. So sei direkt eine Verbindung entstanden.
Im Verlauf des Gesprächs habe sie zu ihm gesagt: „Sie haben aber echt viele Abenteuer erlebt.“ Und der Mann antwortete: „Das stimmt. Nur deswegen kann ich diese Situation hier so gut aushalten.“ Dass das Leben dieses Menschen so erfüllt war, habe sie zum Nachdenken gebracht: „Ich dachte: Da möchte ich auch irgendwann einmal hinkommen“, erzählt sie.
Unbeschwerte Treffen
Dass diese Begegnungen so unbeschwert abliefen, habe auch daran gelegen, dass sie nur mit älteren Leuten gesprochen hat: „Wäre da ein jüngerer Mensch gewesen, der sein Leben nicht zu Ende leben konnte, wäre das mit Sicherheit viel schwieriger gewesen“, erzählt sie.
Doch die älteren Menschen im Hospiz des EVK würden auch ihre letzte Zeit noch voll ausleben. Ein Gast zum Beispiel habe seine Zeitung am liebsten im Gesellschaftsraum gelesen, weil dort immer etwas los sei und er nach wie vor gerne in Gesellschaft war. Und: Es wird regelmäßig mit Sekt angestoßen.
Zum Rauchen rausgegangen
„Anfangs dachte ich, dass der Sekt zur Feier des Shootings rausgeholt wurde. Erst später habe ich erfahren, dass dort öfter eine Flasche geöffnet wird“, sagt sie und lacht. In den letzten Momenten des Lebens sei es nicht die richtige Zeit, sich alte Laster abzugewöhnen.
So sei ein Mann, der Sauerstoff bekam, schon morgens zum Rauchen rausgegangen. „Zuerst wirkt das ein wenig widersprüchlich. Aber es hat ihm seelisch gutgetan. Und dafür sind die Menschen ja da“, findet sie.
Berührende Szenen
Prothmann hat auch intime Szenen eingefangen: Eine Tochter und ihr Vater, bei einer ihrer letzten Umarmungen. Einige Tage nach dem Shooting sei der Mann gestorben. „Mich hat diese Szene an mich und meinen Vater erinnert. Der ist auch vor ein paar Jahren gestorben“, sagt sie. Ihr Vater sei zwar nicht im Hospiz gewesen, habe aber auch Palliativpflege erhalten. „Auch von ihm habe ich Fotos in seinen letzten Tagen gemacht.“ Ihr würden diese Fotos viel geben, ihre Mutter möge die Bilder nicht so. Sie wolle ihren Mann anders in Erinnerung behalten.
Sie findet: „Da hat jeder seinen eigenen Umgang mit. Aber wenn ich einigen Menschen durch diese Arbeit vielleicht die Angst vor dem Tod nehmen kann, hat sich das schon gelohnt.“