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Buch-NeuerscheinungBergisch Gladbacher Autor verarbeitet Misshandlungen zum zweiten Mal

Lesezeit 4 Minuten
Autor Frank Bergmann versucht zum zweiten Mal, seine Kindheit in einem Buch zu verarbeiten.

Autor Frank Bergmann versucht zum zweiten Mal, seine Kindheit in einem Buch zu verarbeiten.

Mit einem neuen Ansatz nähert sich der Autor Frank Bergmann seiner traurigen Kindheit.

Die eigene Geschichte in Kindheit und Jugend hat Frank Bergmann gleich zweimal aufgeschrieben. 2014 begann er mit seinem Roman „Stärke und Mut“, der 2015 erschien – im Gespräch mit dieser Zeitung erzählte er schon damals von seinem Schicksal als misshandeltes Pflegekind. Knapp ein Jahrzehnt später hat Bergmann die selbe Geschichte noch einmal neu geschrieben, seit wenigen Wochen ist der neue Roman erhältlich, er hat den Titel „Die Geburt des Phönix“.

Der große Unterschied zwischen der ersten Version und der Neufassung ist, dass der Autor nun noch deutlicher macht, dass er seine eigenen Erlebnisse aufgeschrieben hat: „Ich habe jetzt die ganze Geschichte autobiografisch aufgebaut.“ Anders als 2014/2015 habe er sie nicht abgewandelt. Im Mittelpunkt steht zwar erneut der Junge Michael – also nicht Frank – ganz am Ende des Buchs schreibt Bergmann aber in Ich-Form.

Pflegemutter misshandelte den Autor in seiner Kindheit

Hintergrund für das Neu-Verfassen des Romans ist Bergmanns erneute und noch intensivere Auseinandersetzung mit seiner Missbrauchserfahrung, körperlichen und seelischen Schmerzen, die ihm seine Pflegemutter zufügte und die auch eine sexuelle Dimension hatten. Er hat Kontakt zur „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ aufgenommen und erfahren, dass auch der von Frauen verübte Missbrauch mittlerweile verstärkt in den Blick genommen werde.

Nach einer Studie seien in etwa 20 Prozent der Missbrauchsfälle Frauen die Täterinnen. Bergmann will zur Aufmerksamkeit für dieses Thema beitragen. Dabei will er ausdrücklich seine Erfahrungen teilen: „Es geht nicht nur darum, eine Geschichte zu überstehen, sondern auch darum, was sie mit einem Menschen macht.“ Er will mit seinem Buch anderen Betroffenen „Mut machen, sich zu zeigen und sich die Hilfe zu holen, die sie benötigen und die ihnen zusteht“, so der Autor in seinem Nachwort zu dem neu geschriebenen Roman.

Auch ein Gedicht an die leibliche Mutter ist beigefügt

Die Handlung ist in der Neufassung weitgehend die gleiche wie in der ersten Version – jedenfalls soweit sie Kindheit und Jugend behandelt. Immer wieder sind dabei aber Formulierungen überarbeitet, kurze Passagen eingefügt oder neu gestaltet. Das spiegelt die verstärkte Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen.

Auch ein Gedicht, in dem sich der 15-Jährige an seine leibliche Mutter wendet, ist eingefügt. Der Neufassung ist ein Vorwort vorangestellt, darin berichtet der Autor von seinem Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik, bei dem er die Folgen der jahrelangen Gewalt in seiner Kindheit zu verarbeiten suchte. Er habe diese über Jahrzehnte verdrängt, sei aber mit 46 Jahren von Panikattacken heimgesucht worden, die ihn nach einem jahrelangen Prozess schließlich in die Klinik führten.

Schon zuvor hatte er seine Geschichte in dem ersten Roman „Stärke und Mut“ aufgeschrieben. Doch in der Klinik stellte er fest, dass er sich mit dem Buch in dieser Form unwohl fühlte: „Es fühlt sich falsch an, weil es eine Anklage ist“, erklärt er: eine Anklage gegen seine leiblichen Eltern, die ihn in ein Kinderheim gaben, und gegen seine Pflegemutter, die ihn misshandelte. Damit sei er Opfer, aus dieser Opferrolle wollte er aber heraus. „Es dauerte eine Weile, bis die Idee gereift war, nicht nur meine Geschichte, sondern auch die meiner leiblichen Eltern neu zu erzählen“, berichtet Bergmann im Vorwort zu dem Roman „Die Geburt des Phönix“.

Ich weiß nicht, warum ich so schlecht zu dir war
Sterbende Pflegemutter zum Protagonisten

Mit seinem neuen Herangehen gibt er im Buch auch der Perspektive seiner leiblichen Eltern und seiner Pflegemutter mehr Raum. „Ich weiß nicht, warum ich so schlecht zu dir war“, sagt die im Sterben liegende Pflegemutter zu Michael. „Ich weiß auch nicht , warum ich dich manchmal so gequält habe.“ Sie sehe nun, dass er seinen Weg gehen werde, sagt sie, und „ich bin so stolz auf dich“. Und die leibliche Mutter erklärt: „Ich glaube, ich bin nie damit zurechtgekommen, dass ich dich überhaupt weggegeben habe.“ Diese Aussagen sind Teil des letzten Drittels des neuen Romans, in dem Bergmann – anders als in der ersten Version – ausführlich auf sein Erwachsenenleben blickt: Anders als Kindheits- und Jugendgeschichte ist die Geschichte des Erwachsenen auch weitgehend neu gestaltet.

Wie erwähnt, wandelt der Autor den Werdegang von Michael, der in der alten Roman-Fassung Jura studiert, in der Neufassung nicht mehr ab. So erzählt Bergmann seine eigene Geschichte als die von Michael: Er macht eine Ausbildung bei einer Berufsgenossenschaft und geht nach Köln. Auch die berufliche Tätigkeit als Reha-Berater ist erwähnt – damit trifft der Leser auf den Frank Bergmann der letzten Jahrzehnte, der in Bergisch Gladbach arbeitete und lange in Overath wohnte.

Dass er seine Lebensgeschichte mit dem Schreiben nun endlich verarbeiten konnte, bedeutet für den Autor aber nicht, dass sein Schreibdrang nun nachlassen würde. Nach den autobiografisch inspirierten Werken, Fantasy- und Unterhaltungsromanen sowie Krimis arbeitet er schon an seinem nächsten Buchprojekt.


Frank Bergmann, Die Geburt des Phönix. Autobiografischer Roman. Books on Demand, Norderstedt 2024, ISBN 978-3758383205, 393 Seiten, 15,99 Euro, als E-Book 5,99 Euro.