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ProzessBergisch Gladbacher ist trotz Nazi-Parole kein Höcke im Kleinformat - Freispruch

Lesezeit 3 Minuten
Schmucklos, aber zweckmäßig: Das Amtsgericht in Bensberg.

Das Gebäude des Bergisch Gladbacher Amtsgerichtes liegt unterhalb von Schloss Bensberg.

Um seiner Meinung Nachdruck zu verleihen, hat ein Bergisch Gladbacher sie mit einem NS-Spruch garniert. Nun stand er vor Gericht.

Nein, Höcke im Kleinformat war der Angeklagte gerade nicht, der sich am Mittwochvormittag wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor dem Bergisch Gladbacher Amtsgericht verantworten musste. Anders als der thüringische AfD-Chef Björn Höcke, der bereits zweimal wegen Verwendens einer Parole der verbotenen SA zu Geldstrafen verurteilt worden ist, wurde der Refrather Mechatroniker Bernd S. (Name geändert) freigesprochen.

Denn der 56-Jährige hatte sich zwar im Streit um die Positionierung Deutschlands im Gaza-Konflikt mit dem Nazi-Spruch „Deutschland, erwache“ auf Facebook zu Wort gemeldet. Er wusste aber, wie er überzeugend versicherte, nicht, dass die Parole auf die Nazis beziehungsweise die SA, die braune Schlägertruppe der Nazis in der Weimarer Republik, zurückgeht.

Ich bin kein Nazi, kenne keine Nazis und laufe auch nicht bei Nazi-Veranstaltungen mit.
Der Angeklagte vor Gericht

„Ich habe bis dahin noch nie etwas davon gehört und habe auch mit der NSDAP oder anderen Nazis nichts zu tun“, versicherte der geschiedene Familienvater im Prozess. Er habe allerdings die sehr klare Meinung, dass die Reaktion Israels auf den Terrorüberfall der Hamas unvertretbar sei und Deutschland auf keinen Fall daran mitwirken dürfe, „aber das ist meine freie Meinungsäußerung. Dafür lasse ich mich nicht in eine Nazi-Schublade stecken. Ich bin kein Nazi, kenne keine Nazis und laufe auch nicht bei Nazi-Veranstaltungen mit.“ Er arbeite für einen französischen Ölkonzern und habe früher für einen englischen gearbeitet – der Vorwurf sei völlig absurd.

Auch habe er den Post inzwischen gelöscht. Das habe er getan, nachdem sich die Polizei bei ihm gemeldet, ihn auf die Strafbarkeit hingewiesen und er sich näher mit der Parole befasst habe – und auch mit dem antifaschistischen Dichter Kurt Tucholsky, der die Parole im Jahre 1930 zur Überschrift eines Gedichtes gemacht habe, in dem er vor den Nazis warnte.

Bis zu drei Jahre Haft für verbotene NS-Parolen

Warum er unter die um das Wort „endlich“ ergänzte Parole auch noch die Parteinamen „AfD“ und „Werteunion“ geschrieben habe? Das würde er wohl auch nicht mehr tun, zumal er auch mit der AfD-Position nicht einverstanden sei und sich eher bei „Frau Sahra Wagenknecht“ wiederfinde, so der in Sachsen-Anhalt arbeitende Refrather.

Richterin Pauline Willberg machte dem ohne Verteidiger vor Gericht erschienenen Techniker und Kaufmann gleichwohl im Verlaufe der Verhandlung mehrfach klar, dass die Dinge nicht zu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen seien. Es gehe immerhin um eine Straftat, um einen Verstoß nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches, auf den Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe stehe. Objektiv sei der Verstoß erfüllt, die Parole sei verboten. Die andere Frage sei aber, ob das dem Angeklagten auch subjektiv bewusst gewesen sei.

Am Ende waren sich Staatsanwältin und Richterin einig: Die Staatsanwältin beantragte Freispruch, den die Richterin mit Hinweis auf die subjektiven Aspekte und das ergänzende Wort „endlich“ auch verkündete. Auf die Erstattung seiner Auslagen verzichtete der Angeklagte: „Ich bin ein bisschen in Eile und nehme sie als Strafe auf mich.“

Oder als Lehrgeld.