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Startups in Rhein-BergBergisch Gladbacher Unternehmen entwickelt App für elektronische Wahlen

Lesezeit 4 Minuten
Fußballprofi Manuel Neuer (links) ist der wichtigste Investor bei VoteBase: Maximilian Pieters (mitte) und Payman Supervizer sind begeistert, ihn mit im Boot zu haben und sehen in ihm eine echte Bereicherung.

Fußballprofi Manuel Neuer (links) ist der wichtigste Investor bei VoteBase: Maximilian Pieters (mitte) und Payman Supervizer sind begeistert, ihn mit im Boot zu haben und sehen in ihm eine echte Bereicherung.

Die Firma VoteBase kann auf namhafte Investoren hinweisen - einer von ihnen Fußballprofi Manuel Neuer.

Mit dem Handy von jedem Ort der Welt den Bürgermeister oder gar die neue Bundesregierung wählen? Was in anderen Ländern bereits gelebte Praxis ist, ist in Deutschland aktuell noch Zukunftsmusik: elektronische parlamentarische Wahlen. Payman Supervizer und Maximilian Pieters wollen das ändern. Mit ihrem Bergisch Gladbacher Start-up VoteBase haben sie eine Wahl-App entwickelt, die nach eigener Aussage ein „Hochsicherheitstrakt“ ist. Der Nutzen: Wahlbeteiligung und Mitbestimmung erhöhen und vor allem die Demokratie stärken, denn neben Wahlen kann die App auch Bürgerbefragungen auf allen Ebenen abwickeln.

Die Idee entstand bei einem Treffen mit Freunden. „Einer sagte, er wolle nicht mehr wählen“, erzählt Payman. Das sei ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. „Wir sind eine der Top-Demokratien überhaupt“, sagt er. „Es ist an der Zeit, das demokratische Gefühl wieder neu zu beleben.“ Dies war Antrieb genug, vier Jahre lang intensiv an einer Lösung zu arbeiten. Manchmal verließen die Entwickler wochenlang das Büro nicht mal zum Schlafen.

Die Identifizierung erfolgt über den elektronischen Personalausweis

Payman öffnet die App und identifiziert sich mit dem elektronischen Personalausweis. Die App weiß nicht, wer die Person ist, die wählt, aber sie weiß, ob sie wahlberechtigt ist und ob sie bereits gewählt hat. Die Bedienung ist so einfach und intuitiv wie im Wahllokal. Statt eines Kreuzchens gibt es einen Fingertipp auf die gewünschte Partei. Nichts soll vom Wesentlichen ablenken. „Noch einfacher als Geld abheben“, sagt Payman. In Tests konnte auch die mit 96 Jahren älteste Teilnehmerin die App bedienen.

Was unterhalb des Sichtbaren steckt, ist hingegen ein hochkomplexes System mit verflochtenen Abläufen und Abhängigkeiten, das auf Blockchain-Technologie basiert. Die Hauptziele: Sicherheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Latte für diese Kriterien bei elektronischen Wahlen hat das Bundesverfassungsgericht sehr hoch gelegt. Bei VoteBase kann jeder Nutzer unabhängig von Dritten nachträglich prüfen, ob seine und andere Stimmen korrekt gezählt wurden, während die Anonymität bestehen bleibt.

Die Firmengründer halten ihr Programm für absolut sicher

Der Softwarecode ist öffentlich einsehbar. „Selbst der größte Verschwörungstheoretiker hat bei dem System keine Chance“, sagt Payman. VoteBase hat eine gutachterliche Bestätigung, dass sämtliche Anforderungen des Verfassungsgerichts erfüllt sind. Konkurrenz sieht der Gründer nicht: „Es gibt gute Anbieter in Deutschland, aber eine Hochsicherheitslösung von solcher Komplexität und solch hohem Sicherheitsanspruch wird man – auch weltweit – nicht finden.“ Das ist selbstbewusst. Ein Blick auf seinen Lebenslauf, den einer seiner Arbeitgeber einmal als „zick-zack“ bezeichnete, weist auf einen Menschen hin, der weiß, was er kann, und der tut, was ihn innerlich antreibt.

Aufgewachsen in einem Hochhauskomplex mit seiner alleinerziehenden Mutter hackt er bereits mit 13 Jahren im Computerkurs der Realschule andere Geräte im Raum. Immer tiefer dringt er über die Jahre in die Materie ein. Er arbeitet freiberuflich für Unternehmen und Institutionen, darunter auch geheimdienstnahe Stellen, simuliert Cyberangriffe auf deren Netzwerke und Systeme, um Schwachstellen aufzudecken. „Für mich war das viele Jahre ein Hobby“, sagt Payman. „Ja, du bekommst Geld, aber es war ein Hobby.“

Einer der Gründer studiert zuerst Medizin, will Chirurg werden

Dem „Hobby“ folgte er beruflich zunächst nicht, studierte Medizin, will Chirurg werden. Doch noch einigen Semestern ruft der Wunsch nach Selbstständigkeit. Er sattelt um und studiert International Management. Parallel zum Studium wird er Mitgründer eines Start-ups, verkauft aber später seine Anteile. „Wenn ich etwas entwickle, dann muss ich sagen können: Das ist krass, das gab“s noch nie“, begründet er den Schritt.

Stattdessen beginnt er festangestellt beim Beratungsunternehmen KPMG. Nach drei Jahren wird der Drang zur Selbstständigkeit wieder zu hoch. Er steigt aus dem festen Arbeitsverhältnis aus, beginnt mit der Entwicklung der Wahl-App und gründet VoteBase. Ein Jahr später erhält die App den „Smart Country Startup Award“ des Digitalverbands Bitkom. Unterstützt werden die Gründer von Investoren. Der wichtigste ist Fußballprofi Manuel Neuer. „Er bringt sich auch mit persönlichem Engagement ein und ist eine echte Bereicherung“, sagt Payman.

Rechtsunverbindliche Tests sind in Deutschland schwierig

Getestet hat VoteBase die Abstimmung per App bislang mit über einer halben Million Personen, viele davon im Ausland. „In anderen Ländern sind sie deutlich weiter“, sagt Payman und betont die Notwendigkeit, in Deutschland offener für rechtsunverbindliche Tests zu sein, um die Bürger zu sensibilisieren und Feedback zu erhalten. Bei einem Besuch in Indien gemeinsam mit anderen Start-ups zeigt der Verantwortliche einer Kommune spontanes Interesse und fragt: „Wir haben in ein paar Tagen Bürgermeisterwahl. Können Sie das?“ Sie konnten.

Über aufgestellte Tablets gab ein ganzes Dorf seine rechtlich verbindlichen Stimmen ab – realisiert von heute auf übermorgen. „International sind unsere Chancen sehr gut. In Deutschland ist es eine Frage der Geduld“, sagt der Gründer. Hat man als Start-up Geduld? „Es ist echt schwer. Wir müssen Kosten optimieren, um nachhaltig bestehen zu können“, sagt Payman, „aber der gesellschaftliche Nutzen, den das bringen wird, der Mehrwert für die Demokratie – der ist es einfach wert.“