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Freiwillige gesuchtWie ein Einsatz mit dem Kältebus in Bergisch Gladbach abläuft

Lesezeit 5 Minuten
Ehrenamtler Stephan Schinkel räumt ein und verteilt verschiedene Lebensmittel an die Bedürftigen.

Ehrenamtler Stephan Schinkel räumt ein und verteilt verschiedene Lebensmittel an die Bedürftigen.

Der Verein Die Platte möchte mit seinem Angebot Menschen vor Kälte und Hunger schützen.

Es ist 18.30 Uhr. Vor einem kleinen Ladenlokal in Bergisch Gladbach steht ein Transporter gefüllt mit Kisten voller Salat, Lauch, Kohlrabi, Zitronen und Äpfeln. Zusätzlich stehen zwei Behälter mit warmem Wasser bereit. „Für die Fünf-Minuten-Terrinen, die geben wir mit als erstes heraus“, sagt Ali Misini, Gründer und Vorsitzender des Vereins Die Platte. Jeden Montag und Mittwoch fährt der Kältebus des Vereins zum Bahnhof Bergisch Gladbach und verteilt Lebensmittel, warme Getränke, Decken und Hygieneartikel an Menschen, die diese Unterstützung brauchen.

Ehrenamtler Stephan Schinkel räumt eine Kiste mit Äpfeln in den Kältebus.

Ehrenamtler Stephan Schinkel räumt eine Kiste mit Äpfeln in den Kältebus.

Als der Bus gegen 19 Uhr am Bahnhof vorfährt, warten dort bereits rund 20 Menschen. Die ehrenamtlichen Helfer bauen alles in Windeseile auf: Erst die Tische, darauf die Kisten mit Lebensmitteln und daneben das warme Wasser, fast 20 Liter, für die Suppe. Auch Kaffee, Kakao und Tee werden zubereitet. Hier und da gibt es ein paar Süßigkeiten. „Für die Energie“, sagt Ehrenamtler Stephan Schinkel, der den Verein bereits seit einigen Jahren unterstützt.

Bergisch Gladbacher Kältebus will Menschen schützen

Der Verein will Menschen schützen. Die Menschen, die auf die Hilfe des Vereins angewiesen sind, stellen sich in einer Reihe vor den Tischen auf. Sofort fangen die Ehrenamtler an, Essen und Getränke an die „Schützlinge“ zu verteilen. „Schützlinge“, so nennt der Verein die Bedürftigen. Denn: „Wir wollen die Menschen eben schützen. Vor Kälte, vor Hunger. Gäste, Klienten, das klingt so unpersönlich“, erklärt Ali Misini.

Immer mehr Menschen nutzen das Angebot des Kältebusses. „Manchmal kommen sogar 35 Personen, gerade am Monatsende, wenn das Geld knapp wird,“ erzählt Ali Misini. Seit 2022 kämen auch viele Geflüchtete aus der Ukraine, die die Unterstützung dringend bräuchten oder Rentner, deren Rente zu gering sei, berichtet der Vorsitzende des Vereins. Für letztere übernehme der Verein auch die Medikamente, wenn am Ende des Monats oder im Frühjahr wegen der Nebenkostenabrechnung das Geld fehle.

Milch, Schinken, Quark und vieles mehr wird an die Menschen gespendet.

Milch, Schinken, Quark und vieles mehr wird an die Menschen gespendet.

Auch Schulkinder werden vom Verein unterstützt. Selbst für Tiere bietet er Hilfe an. Neben Futter übernimmt die Platte auch die Kosten für Operationen und Einschläferungen. Für die Vergabe der Lebensmittel, Getränke und Essen gibt es einen klaren Ablauf: Von 19 bis 19.30 Uhr erhalten zunächst bedürftige Obdach- und Wohnungslose aus der Region Unterstützung. Danach auch Geflüchtete. So ist die Reihenfolge.

Die Ehrenamtler verteilen die Lebensmittel, Terrinen und Getränke parallel. „Dann staut es sich vor dem Kältebus auch nicht“, sagt Ali Misini. Die Verteilung läuft planmäßig ab. Die Ehrenamtler gießen Kaffee auf, rühren Terrinen an und überreichen sie den Wartenden. Diese nehmen sie dankend an, treten aus der Schlange heraus und machen Platz für die weiteren Bedürftigen.

Die Ehrenamtler sind völlig eingespannt, unterhalten sich nebenbei trotzdem mit ihren „Schützlingen“. Jeder soll das bekommen, was er oder sie braucht. Damit das klappt, müssen die ehrenamtlichen Helfer wie ein eingespieltes Team funktionieren. „Wir sind wie eine große Familie hier“, sagt Stephan Schinkel und lacht.

Bedürftige konnten Wunschzettel für Weihnachten schreiben

Neben dem Kältebus gibt die Platte jeden zweiten Samstag Kleidung und Hygieneartikel bei einem Kleider-Basar aus. Außerdem veranstaltet der Verein eine gemeinsame Weihnachtsfeier mit den „Schützlingen“. Etwa 100 Besucher sollen kommen.

Für die Feier konnten die Bedürftigen Wunschzettel mit Weihnachtswünschen im Wert von 25 Euro bei der Platte abgeben. Erfüllt werden die Wünsche von den Bürgern Bergisch Gladbachs oder, wenn sich keiner findet, vom Verein selbst. Hinzu kommen große Geschenktüten, in denen sich Gegenstände für den alltäglichen Bedarf befinden: Hausschuhe, Decken, Regenschirme. Bereits seit 2018 tourt der Kältebus durch die Stadt – als erster seiner Art vor Ort.

Während er früher auch in Refrath und Bensberg gehalten hat, steht er nun ausschließlich am Bahnhof in Bergisch Gladbach. „Es ist schwierig, Fahrer zu finden. Die Verpflichtung ist zu groß, gerade in der Weihnachtszeit“, erklärt Lucie Misini.

Bergisch Gladbacher Kältebus sucht freiwillige

Sie ist die stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Die Platte zählt rund 150 Mitglieder, als Fahrer tätig sind 18. Offen für neue Menschen, die den Verein und die Bedürftigen unterstützen wollen, sei der Verein immer. „Wir brauchen Menschen, die sagen: Ich bin für dich da. Du bist nicht allein“, schildert Ali Misini.

Neben Fahrern benötigt der Verein vor allem Spenden. Insbesondere haltbare Lebensmittel. Aber auch warme Mützen, Decken, Socken und Isomatten sind gefragt. „Letzten Samstag war es so kalt, dass wir bereits Handschuhe und Thermohosen ausgeben mussten“, sagt Ali Misini. Geldspenden seien für den Verein ebenfalls unerlässlich. Auch das Auto und das Zubehör müsse bezahlt werden. „Wir freuen uns über jeden Cent und danken allen, die in dieser Zeit ein wenig Menschlichkeit zeigen“, betont der Vorsitzende.

Auch soziale Kontakte sind für Bedürftige wichtig

Knapp eine Dreiviertelstunde nach dem Eintreffen des Busses beginnt sich die Menschenschlange aufzulösen. Lebensmittel, Essen und Getränke sind verteilt, die Kisten praktisch leer. „Mir fällt wirklich ein Stein vom Herzen, wenn ich hier bin“, erzählt einer der Besucher des Kältebusses, der namentlich nicht erwähnt werden möchte. „Hoffentlich bleibt hier alles so, wie es ist.“

Vereinzelt stehen noch Bedürftige vor dem Bus, unterhalten sich miteinander und mit den Ehrenamtlern. „Oft ist es für die Schützlinge wichtiger, dass sie hier Gespräche finden, als dass sie die Lebensmittel erhalten“, erzählt Talino Kiefer. Der 19-Jährige hilft dem Verein seit knapp fünf Jahren ehrenamtlich. „Die Gespräche tun ihnen gut, aber auch uns. Wir kennen uns, wir umarmen uns. Das ist eine Win-Win-Situation“, ergänzt Lucie Misini.

Der Platz vor dem Kältebus leert sich immer mehr. Bald geht es auch für die Ehrenamtler nach Hause. Dafür müssen sie nur noch die Kisten, Wasserbehälter und Tische wieder einräumen. Ali Misini ist zufrieden mit der heutigen Hilfsaktion. „Es kommen immer mehr Menschen, die unsere Hilfe benötigen. Ich hoffe, dass wir ihnen noch viele weitere Jahre helfen können.“ (omv)