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Studie gestartetWarum in Bergisch Gladbach riesige Rohrpost verschickt werden soll

Lesezeit 4 Minuten
CargoCap 2

So sieht das Frachtrohrnetz im Verbund mit Gasleitungen, Kanal und U-Bahn aus. Jede Kapsel fasst zwei Paletten. 

  1. Prof. Dietrich Stein kämpft seit Jahrzehnten für das Projekt CargoCap.
  2. Er will die Städte damit vom Lkw-Verkehr befreien.
  3. Eine Machbarkeitsstudie soll nun die Wirtschaftlichkeit prüfen.

Bergisch Gladbach – Seit 21 Jahren kämpft Professor Dr. Dietrich Stein für eine Idee. Er wird überall mit Lorbeeren bedacht. Der Verkehrsausschuss des NRW-Landtags Landtag stellte sich schon 2003 einstimmig hinter das Konzept. Nobelpreisträger Theodor Hänsch übernahm das Projekt in seine Sammlung der 100 wegweisenden Produkte der Zukunft, „die unser Leben verändern werden“.

Doch so nahe wie jetzt in Bergisch Gladbach war der inzwischen 80 Jahre alte Emeritus für Bauverfahrenstechnik der Ruhr-Uni Bochum der Verwirklichung des Konzeptes noch nie. Wenn die am Donnerstag offiziell von Stadtbaurat Harald Flügge gestartete Machbarkeitsstudie zum Thema Cargo-Cap in einem Jahr ergibt, dass die neue Infrastruktur zwischen Kölner Straße und Stadtmitte wirtschaftlich betrieben werden kann, dann könnte das der Durchbruch sein.

CargoCap 1

Michael Zalfen, Harald Flügge, DietrichStein und Carsten Deckert sind von der Frachtröhre überzeugt. 

„Am nächsten Tag fangen die in Köln an zu buddeln, denn die haben die Probleme, die wir mit dem Lastverkehr auf der Straße haben, ja noch in viel größerem Maße“, ist Gladbachs Vize-Bürgermeister Michael Zalfen (SPD) überzeugt.

Rohrpost-System mit riesigen Frachtkapseln

Cargo-Cap ist eine unterirdische Rohrpost für Güter und Waren, kalibriert auf die Dimensionen von Euro-Paletten, die von einem Güterverteilzentrum auf der grünen Wiese zu den Produktionsstandorten in den Gewerbegebieten und den Einkaufszentren der Innenstadt führt und wieder zurück.

Die Frachtkapseln rollen in der 2,80 Meter durchmessenden Röhre als endlose Wagenkette, nach dem Ausladen werden die Versandgüter für Privathaushalte von Lastfahrrädern oder E-Mobilen übernommen, um die letzte Meile zur Haustür zurückzulegen. Das Ziel ist die nahezu Lkw-freie Stadt: weniger Lärm, weniger Staub, weniger Abgas, weniger Stau, weniger Klimabelastung.

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Grundsätzlich ist die Wirtschaftlichkeit des Systems in wissenschaftlichen Studien bereits festgestellt worden, aber noch nicht in einem konkreten Fall. Das soll jetzt in Gladbach geschehen. 30 000 Euro hat der Hauptausschuss des Rates dafür bei den Haushaltsberatungen im Dezember freigestellt.

Die von Stein gegründete Gesellschaft CargoCap GmbH tut nochmal das gleich dabei, die übrigen 75 Prozent der auf eine Viertelmillion Euro veranschlagten Machbarkeitsstudie bezahlt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück). Außerdem sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (Berlin), die Hochschule Düsseldorf (HSD) und das Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und Strukturpolitik (Rufis) mit im Boot, um sicherzustellen, dass diese Studie hieb- und stichfest wird.

„Am Ende werden wir einen Vorschlag für die Errichtung eines Cargo-Cap-Netz in Gladbach unterbreiten“, nimmt Stein optimistisch ein positives Resultat der Studie vorweg. Wenn dann die Politik grünes Licht gibt, könnte sich in fünf Jahren der unterirdische Kapselzug in Bewegung setzen.

Vergleiche zur ersten Eisenbahnstrecke in Deutschland

Stein spricht absichtlich nicht von Tunneln: Tunnel sind Verkehrsbauwerke und teuer, verursachen enorme Belästigungen in der Bauphase und erfordern jahrelange Bauleitplanungen. Stein ist hingegen Fachmann für Kanal- und Leitungsbau, kam ursprünglich mal aus der Wasserwirtschaft und fragte sich um die Jahrtausendwende, warum man nicht auch Güter durch Leitungen schicken kann, wenn es mit Flüssigkeiten und Gasen so gut funktioniert.

Man kann, aber vorher muss man die Leute überzeugen. Seit seinem Ruhestand als Hochschullehrer macht Stein praktisch nichts anderes als den Paradigmenwechsel zu predigen. Den möglichen Bau einer ersten Anlage in Bergisch Gladbach vergleicht er mit dem Bau der ersten Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth. „Das wurde damals auch belächelt, und es wurde ein weltumspannendes Schienennetz daraus“, sagt Stein.

1800 Firmen werden mit einbezogen

Der erste Schritt ist jetzt, alle 1800 Firmen anzuschreiben, die im Einzugsgebiet des CargoCap-Netzes liegen, und sie um ihre Logistikdaten zu bitten. „Damit haben wir bereits begonnen“, berichtet Dr. Carsten Deckert, Professor für Innovations- und Produktmanagement an der Düsseldorfer Hochschule, der für die technische Bewertung zuständig ist, Rufis macht die betriebswirtschaftliche Evaluierung, das DLR die makroökonomische. Am 28. Mai ist im Gladbacher Rathaus am Konrad-Adenauer-Platz auch ein Treffen mit den Vertretern der Wirtschaftsunternehmen vorgesehen. „Für diese Datenerhebung haben wir drei Monate vorgesehen“, schätzt Deckert.

Stein hat noch ein historisches Beispiel parat: „Bei der Einführung der Stadtentwässerung stand man vor dem gleichen Problem. Über Leitungen abführen oder mit Kübelwagen abfahren.“ Man stelle sich mal vor, die Entleerungsfahrzeuge hätten sich durchgesetzt.