Durch diese Entscheidung könnte die Stadt Bergisch Gladbach in Bedrängnis kommen.
„Toller rechtlicher Erfolg“Bergisch Gladbach muss Familie einen nahen Kitaplatz stellen
Ein Elternpaar aus Moitzfeld hat vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) erfolgreich den Anspruch auf einen Kita-Platz für ihren Sohn erstritten. In einer Eilentscheidung hat das OVG am 9. Juni festgestellt, dass die Stadt Bergisch Gladbach verpflichtet ist, dem zweijährigen Jungen einen wohnortnahen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte in Form einer Ganztagsbetreuung zur Verfügung zu stellen.
Die Stadt gerät nun unter Druck: Denn die Aussicht für Eltern, über eine Klage an einen Kita-Platz zu kommen, könnte gute Aussichten auf Erfolg haben. Aktuell fehlen im Stadtgebiet 500 Plätze für Kindergartenkinder.
„Das ist ein toller rechtlicher Erfolg“, sagt Mutter Sabrina Fahlenbock und bezeichnet das Urteil als „richtungsweisend“. Denn die Rechtsanwältin vertritt die rechtlichen Interessen von 25 weiteren Eltern aus Bergisch Gladbach bei der Durchsetzung ihres Rechtsanspruchs für Kinder ab einem Jahr.
Die Entscheidung des OVG folge einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. April 2023, erläutert Fahlenbock, gegen den die Stadt Bergisch Gladbach Beschwerde eingelegt habe. Die Stadt konnte jedoch nicht darlegen, dass alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – unter Berücksichtigung der Autonomie der freien Träger – ausgeschöpft worden seien, um einen Platz zur Verfügung zu stellen.
Gericht wies Argument der Stadt Bergisch Gladbach zurück
Hauptargument der Stadt war, sie betreibe keine kommunal geführten Kindertagesstätten. Alle Einrichtungen würden kirchlich, von freien Trägern oder Initiativen geleitet. Das Gericht wies dieses Argument zurück und stellte klar, dass die Pflicht der Stadt, angemessene Betreuungsplätze bereitzustellen, nicht aufgrund der Nutzung von externen Anbietern entfalle. Laut Stadtsprecherin Marion Linnenbrink ist es die erste Klage, die die Stadt verloren hat. Bisher habe allen klagenden Eltern ein Platz vermittelt werden können, so dass sich die Verfahren auf diese Weise erledigt hätten, beziehungsweise es zu keinem Urteil gekommen sei. Aktuell gebe es drei Klagen.
Um den Druck auf die Stadt zu erhöhen, ihre gesetzlichen Pflicht zu erfüllen, hat Fahlenbock am Montag beim Verwaltungsgericht Köln ein Zwangsgeldverfahren gegen die Stadt Bergisch Gladbach beantragt. In der Rechtsprechung würden üblicherweise 5000 Euro pro Monat und Fall als angemessen betrachtet. Diese Zwangsgelder fließen in die Landeskasse und gehen zu Lasten der kommunalen Haushalts. „Die Stadt begeht einen Rechtsbruch“, kritisiert Sabrina Fahlenbock.
Fahlenbock sagt, Stadt hätte früher reagieren müssen
Die unzureichenden Kapazitäten der Kindertagesstätten seien laut Fahlenbock auch darauf zurückzuführen, dass die Stadt seit 2009 keine Elternbefragungen durchgeführt habe, um eine Grundlage für die Ausbauplanung zu haben. Die Stadtverwaltung dagegen betont, dass das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) die Anregung zu turnusgemäßen Abfragen bei Eltern erst seit August 2020 enthalte.
Stattdessen könnten Jugendämter aber auch elektronische Anmeldeverfahren wie „Little Bird“ in Bergisch Gladbach zur Bedarfserhebung nutzen. In diesem Jahr 2023 hat die Verwaltung eine Abfrage bei den Eltern nach ihren Bedarfen gestartet.
Ausweichmöglichkeit in Lückerath wurde nicht umgesetzt
Außerdem moniert Fahlenbock, dass der Beschluss des Hauptausschusses im Juni 2020 zum Neubau einer Kita auf der sogenannten Lena-Wiese in Lückerath nicht umgesetzt wurde – obwohl die Stadt rechtlich daran gebunden sei. Wie die Stadt erläutert, sollte als Ersatz für die Lena-Wiese der Standort des jetzigen Containerdorfs in Lückerath genommen werden. „Die Umsetzung hat der Krieg und der enorme Zuzug an Flüchtlingen behindert“, berichtet Linnenbrink. Nun werden aktuell andere Flächen geprüft, die den Bedarf decken sollen“, sagt Linnenbrink.
Sabrina Fahlenbock steht jetzt aber immer noch mit leeren Händen für ihren Nachwuchs da. „Die Stadt kann nach mehrfachen Anfragen bei Kitas, die in zumutbarer Entfernung liegen, noch keinen Platz zur Verfügung stellen“, sagt Stadtsprecherin Linnenbrink, „wir werden uns aber weiterhin um einen Platz auch für das Kind von Frau Fahlenbock bemühen.“
Vorschlag für Kita
Sabrina Fahlenbock brachte wie berichtet die städtische Wiese gegenüber des Dorfplatzes in Moitzfeld für den Neubau einer Kita ins Spiel. Doch Verwaltung und Politik entschieden im Mai, dass das Grundstück nicht kurzfristig genutzt werden soll. Stattdessen soll ein Screening aller städtischen Flächen abgewartet werden. (ub)