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SchulbauoffensiveGrößte Gesamtschule in Bergisch Gladbach ist abrissreif

Lesezeit 5 Minuten
Man sieht die grauen Fassaden des Eingangsbereichs der Schule.

Die Integrierte Gesamtschule Paffrath ist laut Gutachten abrissreif.

Die Sanierung der Integrierten Gesamtschule Paffrath ist laut Gutachten nicht umsetzbar. Es läuft auf einen Neubau hinaus. Die Kosten werden noch ermittelt.

Das Gebäude der Integrierten Gesamtschule Paffrath ist wohl nicht zu retten. Die Zeichen stehen auf Abbruch. Aufgrund der vielen massiven Mängel fällt das Fazit der Machbarkeitsstudie eindeutig aus: „Die Generalsanierung erscheint nicht sinnvoll und nicht umsetzbar, ohne massive Kompromisse einzugehen.“ Diese Hiobsbotschaft erreicht die Mitglieder des Schulausschusses in der Sitzung am Donnerstagabend. Die Stadt hat ihre Schulen in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt. Dafür bekommt sie jetzt die Rechnung präsentiert.

Dabei sind die Kosten einer Kernsanierung der Integrierten Gesamtschule Paffrath (IGP), Gladbachs größter Schule mit 1500 Schülern, in der Studie noch gar kein Thema. Erst in einem zweiten Schritt stellt das beauftragte Fachbüro im Juni die beiden Szenarien - Sanierbarkeit oder Abbruch und Neubau – im Vergleich im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung in Bezug auf Zeit und Investition vor. Allen im Saal dürften sich darüber im Klaren klar sein: Das wird alles sehr teuer werden.

Fassaden bröckeln, technischen Anlagen sind marode

Die nackten Tatsachen liegen jetzt auf dem Tisch: Die Fassade, die Dachaufbauten und außenliegende Betonkonstruktionen des zwei- bis dreigeschossigen Gebäudes, Baujahr 1973, sind am Ende ihrer Lebensdauer angekommen. Sämtliche haustechnischen, sanitären und brandschutztechnischen Anlagen müssen vollständig erneuert werden. Eine komplette Schadstoffsanierung ist notwendig. Dies bedeutet, die Schule muss entkernt und bis auf die Tragmauern zurückgebaut werden.

Dazu kommt, dass ein modernes pädagogisches Raumprogramm einer Clusterschule mit Begegnungsstätten zur Differenzierung sind im verschachtelten Bestandsgebäude der IGP nur sehr eingeschränkt umzusetzen: Räume, die zusammengehören, teils dann ohne Tageslicht, müssten auf verschiedenen Etagen untergebracht werden.

Die Barrierefreiheit kann auch zukünftig nicht in allen Gebäudeteilen hergestellt werden
Angela Brock, Gutachterin

„Um den Flächenbedarf zu erfüllen, wären Anbauten notwendig. Für sie gibt es aber aufgrund baurechtlicher Bedingungen zum Teil keinen Platz“, sagt Angela Brock vom Unternehmen „Ernst and Young“. Zudem würden die Ersatzbauten nicht zum pädagogischen Profil der inklusiven Schule passen. Sie ließen sich nur schlecht mit dem Hauptgebäude vernetzen.

Und bei einem weiteren wichtigen Punkt müssen erhebliche Abstriche gemacht werden. „Die Barrierefreiheit kann auch zukünftig nicht in allen Gebäudeteilen hergestellt werden“, betont Brock. Aufzüge etwa könnten im Gebäude nur an einer Stelle eingebaut werden. Dies bedeute lange Laufwege für die Schüler. Rampen seien aufgrund notwendiger Längen nicht realisierbar.

„Das ist harte Kost, die wir hier bekommen“, sagt Anke Außendorf (Grüne). Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung müsse abgewartet werden, um die richtigen Fragen und Schlüsse zu ziehen. Andreas Ebert (SPD) fragt, ob das Tragwerk auf Stabilität untersucht worden ist? „Bisher nicht“, sagt Brock, dies müsse erst noch beauftragt werden. Sie weist aber jetzt schon auf ein Risiko hin: In den Stahlbeton-Stützen verlaufen Abwasserleitungen. Sind sie undicht, könnten sie Schäden verursacht haben.

Schulleiterin weist auf Chancen hin, die das Gebäude bietet

Die Gutachterin fasst zusammen: „Ein zukunftsfähiges Gebäude ist bei einer Kernsanierung nicht umsetzbar oder nur unter erheblichen finanziellen Aufwand.“

Robert Martin Kraus (CDU) möchte wissen, wie lange so eine Komplettsanierung dauert? Dazu geben die Gutachter erst beim nächsten Mal Auskunft. Brock sagt nur so viel: „Eine abschnittsweise Sanierung ist aus Brandschutzgründen ausgeschlossen.“ Zur Erinnerung: Die Generalsanierung des Otto-Hahn-Schulzentrums hat fünf Jahre lang gedauert.

„Von den Ausführungen muss ich mich erst einmal erholen“, sagt Angelika Wollny, Schulleiterin der IGP, die als Sprecherin der weiterführenden Schulen im Schulausschuss die Havarie vor Augen geführt bekommt. Auf Anfrage sagt sie am Tag danach: „Trotz der sachlichen Analysen und Gutachten sollte man nicht vergessen, welche Chancen das Gebäude bietet.“

Sie sei froh, dass die SPD noch einmal nachgefragt habe, ob das Grundgerüst des Gebäudes auch überprüft worden sei. Dies sei ihrer Meinung nach ein wichtiger Gesichtspunkt, der in der Machbarkeitsstudie keine Berücksichtigung gefunden habe: „Leider habe ich den Eindruck, dass für das ein oder andere Mitglied des Ausschusses die Möglichkeit einer Sanierung des Gebäudes in die Ferne gerückt ist“, sagt Wollny. Hoffnung ist an dieser Stelle wohl tatsächlich das einzige bleibt.

Ein endgültiges Urteil will sich am Donnerstag niemand erlauben. Eins steht aber fest: Für beide Varianten – Kernsanierung oder Neubau – ist ein Interims-Containerbau zur Überbrückung der Bauarbeiten erforderlich. Wie und an welcher Stelle dies bewerkstelligt werden soll, ist eine weitere Unbekannte.


24 Schulen stehen auf der Mängelliste

Die Integrierte Gesamtschule Paffrath ist ein besonders krasser Sanierungsfall, aber bei weitem kein Einzelfall. Insgesamt 24 Schulen stehen auf der Prioritätenliste der Stadt. Sie sollen in den kommenden 30 Jahren umfassend saniert und ausgebaut werden.

Den Zeitplan legte die Stadtverwaltung dem Schulausschuss jetzt vor – aber ohne die Angabe von Kosten. Auf Antrag der CDU will die Stadtverwaltung eine Kostenerstellung bis zur Juni-Sitzung vorlegen. Auf Grundlage dieses Kompromisses konnten die Fraktionen der Verwaltungsvorlage zustimmen.

Die einzelnen Schulen müssen wie berichtet bis zum Jahr 2035 oder sogar 2039 ausharren, bis bei ihnen überhaupt etwas passiert. Um die Prozesse zu beschleunigen, empfiehlt die Stadtverwaltung mehr Fachpersonal einzustellen. Der Zeitgewinn für die Schulen auf den hinteren Rängen würde fünf bis sechs Jahre betragen. Darunter könnten noch mehr solcher Großschadensfälle wie die IGP als tickende Zeitbomben vor sich hin modern. Das kann man nicht so genau wissen, gibt Fachbereichsleiterin Alexandra Meuthen zu. (ub)