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Ausstellung in GladbachDiese Frau identifizierte die Leichen in Butscha

Lesezeit 5 Minuten

„Jeder der 426 getöteten Zivilisten steht für eine Tragödie“, weiß Butschas stellvertretende Bürgermeisterin, Mykhailyna Skoryk-Shkarivska, die für die Identifizierung der Toten verantwortlich war.

Bergisch Gladbach/Butscha – Fünf Männer liegen in offenen Leichensäcken. Journalisten stehen darum, einige wenden ihre Gesichter ab. Das Bild, das Mykhailyna Skoryk-Shkarivska in den Händen hält, ist eine der ersten Aufnahmen der russischen Gräueltaten an ukrainischen Zivilisten, die Anfang April aus Butscha um die Welt gingen.

„Das waren fünf Freiwillige, die bei der Evakuierung der Menschen aus Butscha geholfen haben, als die Russen kamen“, sagt Mykhailyna Skoryk-Shkarivska auf Englisch.

Bilder haben sich ins Gedächtnis gebrannt

„Die russischen Soldaten haben ihren Bus gestoppt, sie gefangen genommen, gefoltert und in diesem Keller hingerichtet.“ Die 43-Jährige zeigt auf ein anderes Foto. Ihr haben sich die Bilder ohnehin längst ins Gedächtnis eingebrannt. „Ich war dafür verantwortlich, die Toten zu identifizieren“, sagt sie mit ruhiger Stimme.

Ein Sohn findet seinen auf offener Straße erschossenen Vater. Szenen wie diese gab es zigfach, sagt Alina Saraniuk, Assistentin des Bürgermeisters von Butscha, beim Besuch in Bergisch Gladbach.

Mykhailyna Skoryk-Shkarivska ist Butschas stellvertretende Bürgermeisterin, war vor dem russischen Angriff für die Digitalisierung der Stadt zuständig – und seitdem für die zivilen Todesopfer und ihre Angehörigen. Zusammen mit Alina Saraniuk, der Assistentin des Bürgermeisters von Butscha, ist sie am Wochenende als erste Delegation aus Bergisch Gladbachs neuer Partnerstadt in die rheinisch-bergischen Kreisstadt gekommen.

Bürgermeister aus Butscha und Gladbach eröffnen Ausstellung

Im Gladbacher Rathaus haben die beiden Frauen mit Bürgermeister Frank Stein eine Ausstellung eröffnet, die in Bildern des Krieges zeigt, „dass wir die Augen nicht vor diesen Taten verschießen dürfen“, wie Bürgermeister Stein es formulierte, die aber auch dazu aufrütteln soll, an der Seite der neuen ukrainischen Partner zu stehen und mit ihnen gemeinsam den Wiederaufbau anzugehen.

Viele wollen helfen

Spenden

Die Ausstellung im Rathaus mit den Bildern aus Butscha war noch nicht ganz eröffnet, da standen bereits erste Spender bereit. Margret Grunwald-Nonte vom Café „Himmel un Ääd“ in Schildgen übergab mit dem Dolmetscher, Pianist und großen Helfer bei der Ankunft ukrainischer Geflüchteter, Paul Kruk, 3000 Euro aus Benefizaktionen. Und Schulleiterin Sonja Frohleiks von der Gemeinschaftsgrundschule Kippekausen, avisierte sogar 56 000 Euro aus dem Spendenlauf, den die Schüler der GGS Kippekausen mit denen der Katholischen Grundschule In den Auen gemeinsam bei einem Spendenlauf eingesammelt hatten. Butschas Vize-Bürgermeisterin Mykhailyna Skoryk-Shkarivska war geradezu überwältigt und vereinbarte spontan, dass das Geld sehr gut für die Instandsetzung zweier Kindergarten-Dächer genutzt werden könne, von denen sie gerade berichtet hatte. (wg)

„Mehr als 400 Zivilisten sind getötet worden, viele von ihnen auf offener Straße erschossen“, erzählt Alina Saraniuk. „Und dann haben die russischen Soldaten verboten, die Toten zu bestatten. Erst Tage später konnten die Angehörigen zu den Getöteten auf die Straße. So wie dieser Sohn, der seinen Vater gefunden hat“, sagt die 26-Jährige und zeigt auf eins der 29 Pressebilder im Gladbacher Ratssaal, das sie besonders berührt.

Viele Familien obdachlos

Die Zerstörung

770 Familien in Butscha sind durch den russischen Angriff obdachlos geworden.

2881 Gebäude in Butscha wurden beim russischen Angriff zerstört, 2492 davon waren Privathäuser.

30 Unternehmen wurden komplett zerstört.

31 Einrichtungen wie Kitas und Schulen wurden zerstört, alle Computer nochmals eigens unbrauchbar gemacht.

Zerstört wurde auch die komplette Infrastruktur von Handynetzen, Strom-, Wasser- und Gasversorgung, wie Butschas stellvertretende Bürgermeisterin Mykhailyna Skoryk-Shkarivska in Bergisch Gladbach berichtet. (wg)

Ihr selbst war kurz vor dem russischen Einmarsch in Butscha die Flucht gelungen, über die Westukraine und Polen nach Berlin, wo sie studiert hat. Ihre Eltern wollten in Butscha bleiben. „Als es dann noch schlimmer wurde und sie doch mit dem Auto geflohen sind, haben die russischen Soldaten ihr Auto unter Feuer genommen“, erzählt sie. „Sie sind sofort raus und nur durch ein Wunder sind sie mit ihrem Leben davon gekommen“, sagt Alina Saraniuk.

Ehemann ist gefallen

426 Zivilisten aus Butscha, darunter zwölf Kindern, ist das nicht gelungen. „Die russischen Soldaten haben Krieg »gespielt« – mit Menschen, die sie einfach erschossen haben“, berichtet Vize-Bürgermeisterin Skoryk-Shkarivska. Für sie hat der russische Angriffskrieg lange vor dem Februar dieses Jahres begonnen. Bei der russischen Invasion 2014 hat sie ihren ersten Mann verloren. „Er hatte sich als Freiwilliger zur Armee gemeldet“, erinnert sich die heute 43-Jährige. „Ihr zweiter Mann und Vater ihres Sohnes, ist jetzt Soldat, verteidigt eine Brücke gegen russische Sabotage- oder Luftangriffe. „Er schickt mir immer Bilder, dass es ihm gut geht“, sagt sie und zeigt auf ihrem Handy Fotos ihres Mannes im Schützengraben.

Vorher war er an der Front im Osten der Ukraine. Für Mykhailyna Skoryk-Shkarivska ist der Tod jeden Tag allgegenwärtig. Nicht erst, seitdem sie im Auftrag der Stadt die Toten aus den Massengräbern bergen ließ. „Weil das nötige Gerät fehlte, haben wir eine Tür an einen Lastwagenkran gehängt“, sagt sie.

Wiederaufbauwille in Butscha ist groß

„Aber wir wollen nicht nur zurücksehen“, sagt Mykhailyna Skoryk-Shkarivska mit fester Stimme und spricht im Gladbacher Ratssaal davon, wie groß der Wiederaufbauwille ist und was besonders dringend gebraucht wird. Gezielt seien bei den russischen Angriffen vor allem Dächer zerstört worden, Schulen und Kindergärten, aber auch nahezu alle Busse, Fahrzeuge und zahlreiche Maschinen, derer die russischen Soldaten habhaft werden konnten, hätten sie mitgenommen oder zerstört (siehe auch „Die Zerstörung“).

„Gemeinsam können wir mehr schaffen“, ruft Butschas stellvertretende Bürgermeisterin den engagierten neuen Freunden in der Partnerstadt zu. „Wenn sie Partner von einigen unserer Wiederaufbauprojekte werden, wären wir sehr glücklich.“

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Eine Botschaft, die auch die am Samstag nach Gladbach gekommene Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf, Iryna Shum, sichtlich ergriffen hat. Ebenso wie das große Engagement der Bergisch Gladbacher, die bereits mehrere Hilfskonvois unter anderem mit Lebensmitteln, Rettungswagen und Feuerwehrfahrzeugen nach Butscha geschickt hatten. „Sie haben die Herzen und Häuser geöffnet und Sie sind vereint an der Seite der Ukraine“, würdigte sie die neue Partnerschaft. „Das ist ein großartiges Zeichen der Solidarität.“

Die Ausstellung „Butscha Bilder des Krieges – Ausstellung zur Hilfsaktion zugunsten der Partnerstadt“ ist im großen Ratssaal des Rathauses Stadtmitte noch bis Mittwoch, 14. September, zu sehen: am Montag und Dienstag jeweils von 10 bis 17 Uhr, am Mittwoch von 10 Uhr bis 15.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, Kinder und Jugendliche dürfen allerdings nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten hinein.