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Schöffengericht BensbergLetzte Chance für Bürgerschreck von Wermelskirchen

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Jugendlicher Alkohol Symbolbild dpa

Symbolbild

Bergisch Gladbach / Wermelskirchen – Er war der Bürgerschreck von Wermelskirchen, torkelte volltrunken über die Umgehungsstraße, um den „Verkehr zu regeln“, bedrohte feiernde Jugendliche am Busbahnhof ebenso wie Polizisten, die ihn ins Gewahrsam brachten. Jetzt stand der 41-Jährige unter anderem wegen versuchter räuberischer Erpressung vor dem Bensberger Jugendschöffengericht. Seine Zukunft stand auf des Messers Schneide, doch die Richterinnen und Richter gaben ihm eine letzte Chance: Mit 900 Euro Geldstrafe kann er seinen Rückweg ins bürgerliche Leben weiter gehen.

Wer den adrett und freundlich wirkenden Frank B. (Name geändert) in Saal 106 des Amtsgerichtes sieht, kann sich den 41-Jährigen ohnehin kaum als Schreckensgestalt vorstellen. 17 Zeugen hat Richterin Milena Zippelius-Rönz geladen und bei jedem Zeugen steht der Angeklagte auf und entschuldigt sich, verlegen lächelnd, für seine Eskapaden.

Jobverlust warf ihn aus der Bahn

Alkoholprobleme hat der gelernte Mechaniker schon länger gehabt, doch richtig aus der Bahn geworfen ihn der Verlust des Arbeitsplatzes nach der Insolvenz des Arbeitgebers. Der Weg nach unten ist sehr weit: Arbeit weg, Freundin weg, Wohnung weg, am Ende sagen sogar seine in Hückeswagen lebende Schwester und ihr Mann „Stopp, bis hierhin und nicht weiter.“ Doch am Tag der Verhandlung sitzen auch sie im Gericht.

Einen bunten Strauß von Vorwürfen bietet die Anklage: Eine am Busbahnhof feiernde Gruppe von Jugendlichen sei er angegangen, sie soll ihm ihren Alkohol abtreten: „Gebt mir euren Wodka, sonst steche ich euch ab.“ Bei anderer Gelegenheit soll er volltrunken den Verkehr auf einer Tempo-70-Umgehungsstraße zu regeln versucht, außerdem einen Polizisten, der ihn ins Gewahrsam schaffte, bedroht. Auch sei er auf einen Dachboden eingedrungen, um dort zu schlafen, aber auch, um seine Notdurft zu verrichten.

Polizisten nehmen Entschuldigung an

Vor Gericht kämpft der Kölner Verteidiger Florian Storz höchst engagiert für den Angeklagten, weist darauf hin, dass sein Mandant sich monatelang in psychiatrischer Behandlung im Gladbacher Evangelischen Krankenhaus und danach in eine Therapie in Rheinland-Pfalz befunden habe. Und dass nun ganz kurzfristig eine Adaptionsphase folgen solle, in dem sein Mandant lernt, wieder auf eigenen Beinen zu stehen.

Storz ist es auch, der die jeweiligen Entschuldigungen des Mandanten einleitet: „Er ist dabei, wieder einer von uns zu werden“, sagt er zu einem der Polizisten, und der nimmt die Entschuldigung ebenso an wie seine Kollegen.

Trinkkumpan erinnert sich nicht

Das tun auch die jungen Männer, deretwegen der Prozess vor dem Bensberger Jugend- und nicht vor dem Erwachsenenschöffengericht stattfindet. Die angeklagte versuchte räuberische Erpressung ihnen gegenüber vom 18. September 2021 ist der schwerste aus dem Sammelsurium von Vorwürfen, das den zur Tatzeit mit fast 1,9 Promille alkoholisierten Frank B. vor das Schöffengericht gebracht hat. Doch bleibt am Ende einiges unklar.

An einer Stelle im Prozess wird die charmante Entschuldigungsoffensive sogar grotesk: Als Zeuge Nummer 7, ein 58-jähriger gelernter Zimmermann und bekennender Alkoholiker, über einen Streit am 30. Juni 2021 berichten soll und sich nicht daran erinnern kann, steht Frank B. dennoch wieder auf: „Es tut mir alles leid!“ Daraufhin Zeuge Nummer 7: „Ich weiß zwar nichts, was, aber gut …“

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Am Ende verurteilt das Gericht den Angeklagten wegen einer schweren räuberischen Erpressung im minder schweren Fall, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, und einer Bedrohung zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro. Die Staatsanwältin hatte 165 Tagessätze gefordert.