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„Abschaum wird aussortiert“Obdachlose unzufrieden mit neuem Treffpunkt in Gladbach

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Obdachlose Zweitplatz Parkplatz Schnabelsmühle 161121

Nach Schließung der Sozialstation fühlen sich Gladbacher Obdachlose von der Stadt abgeschoben.

Bergisch Gladbach – Weggesperrt und abgeschoben fühlen sich die Obdachlosen auf dem Parkdeck an der Schnabelsmühle: „Der Abschaum wird aussortiert, damit die feine Gesellschaft nicht mit unserem Anblick konfrontiert wird“, sagt Jonas, 30, resigniert (alle Namen geändert). Hier, am hintersten Ende auf dem oberen Deck des öffentlichen Parkplatzes Schnabelsmühle, hat die Stadt für die Menschen, die auf der Straße leben, einen neuen Treffpunkt eingerichtet.

Hinter der zwei Meter hohen grünen Plastikplane – blickdichte Absperrung und Sichtschutz in einem – sitzen an diesem feuchtkalten Dienstagmorgen sieben Obdachlose auf Holzpaletten unter dem offenen Unterstand, manche mit einem Bier in der Hand. „Zum Glück regnet es nicht“, sagt Gerd, 48, das Dach sei viel zu klein, „prasselt der Regen und pfeift der Wind werden wir hier nass.“

Ohne Corona-Abstand unter der Plane

Gegen Mittag wird es immer richtig voll, so um die 12 bis 17 Leute sind es in der Regel, berichtet er. „Dann quetschen wir uns eng nebeneinander, ohne Abstand und das mitten in Corona.“ Die Risikosituation ist auch einem Gladbacher aufgefallen. Er bringt ein Päckchen medizinische Masken vorbei. Sein Engagement sei rein privat, sagt er.

Manche schlafen sogar hier. Auf den Holzpaletten liegt noch eine Decke. „Ist auch besser so. Betrunken oder zugedröhnt mit harten Drogen ist das sonst sehr gefährlich im Dunkeln am Kreisverkehr“, meint Dirk, 47. Am Unterstand ist es abends auch stockdunkel. Eine Lampe gibt es nicht. „Wir haben hier auch Frauen. Sie fühlen sich nicht sicher, weil der Platz so abgelegen ist.“ Alle, die an diesem Morgen da sind, sind sich einig: „Wir wollen unseren Treffpunkt am alten Rathaus zurück.“

Sozialstation kann noch nicht wieder öffnen

Die Sozialstation an der Dr.-Robert-Koch-Straße schloss 2020 corona-bedingt und ist seitdem zu. Die Beratungsstelle hatte sich für wohnungslose Menschen zur Hauptanlaufstelle entwickelt. Anwohner und benachbarte Jugendeinrichtungen fühlten sich belästigt. Deshalb, so das Konzept der Stadtverwaltung, sollte das Angebot eines zweiten festen Platzes dazu beitragen, die Szene zu entzerren. Dafür ausgesucht wurde das städtische Wiesengrundstück entlang des Zanders-Grundstücks am Kreisverkehr Schnabelsmühle zwischen Bushaltestelle und Kreisverkehr.

Doch die Gestaltung des Zweitplatzes dort habe sich kurzfristig nicht realisieren lassen, erklärt Stadtsprecherin Marion Linnenbrink. Deshalb sei als kurzfristige Lösung das Parkdeck als „provisorischer Zweitplatz“ errichtet worden. „Provisorisch“ deshalb, als dass abgewartet werden solle, wie der Zweitplatz angenommen werde. In Kürze werde noch die Beleuchtung verbessert, was auch dem Parkplatz nütze. Die Stadtverwaltung sagt auch zu, dass der Erstplatz an der Sozialstation wiedereröffnet wird. Die Vorbereitungen liefen bereits.

Wohnungslosen im Forumpark mit Bußgeldern gedroht, keine verordnet

„Es ist gut, dass ein Platz für einen zweiten Treffpunkt gefunden worden ist“, sagt Judith Becker vom Netzwerk Wohnungsnot, Träger des Streetworker-Projekts. Eine Sozialpädagogin und ein Krankenschwester, jeweils auf halber Stelle, kümmern sich um die Menschen, die einen Großteil ihrer Zeit auf der Straße verbringen. Treffen viele Menschen aufeinander, könne es zu Spannungen kommen. Da sei es gut, eine Ausweichmöglichkeit zu haben. Der neue Platz sei barrierefrei, dies sei auch gut.“

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Die Mitglieder der Straßenszene fühlen sich trotzdem verstoßen. Zuletzt haben sie sich immer im Forumpark getroffen. Es gab deshalb viele Beschwerden bei der Stadt. „Uns sind Bußgelder angedroht worden, wenn wir nicht verschwinden“, sagt Gerd. Wie die Stadtverwaltung allerdings mitteilt, seien bisher keine Verwarngelder angeordnet worden. Der Ordnungsdienst stehe im Austausch mit der Klientel, um für den neuen Platz zu werben.