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Altenberger-Dom-Straße in Bergisch GladbachSchildgen – wo alte Dorfstrukturen jung bleiben

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Bergisch Gladbach – „Stadtteilchen“ nennt Charlotte Bärenz diesen Ort, der sich um die Altenberger-Dom-Straße gruppiert. Ähnlich liebevolle Formulierungen hört man öfter, wenn man hier unterwegs ist. Zuwendung, Heimatgefühl, Vertrautheit klingen durch. „Die Schildgener sind sehr interessiert, ihr Stadtteilchen zu unterstützen, weil man das Fußläufige braucht“, weiß die Chefin der Bücherscheune.

Edeka-Markt, Bäcker, Apotheke, Fachhändler für Haustüren, Markisen, Haushaltwaren, Hifi und TV, Bestatter, Schreibwarenladen, Sportgeschäft, Fotograf, Schneider, Kramladen, Sparkasse, Buchhandlung, Gastronomie, Wäscheboutique, Reisebüro („Hier bucht Schildgen“), Reinigung, Postamt, Wochenmarkt – alles da, was man so braucht. „Nur eine Drogerie, die fehlt uns schon sehr“, findet Cathrin Pieper, die mit ihrem Bruder Herbert die Konditorei Pieper in dritter Generation betreibt. Seit Schlecker an der Ecke geschlossen hat, gibt es so etwas nicht mehr. Das Ladenlokal steht übrigens wieder leer . . . 

Obwohl Pieper etwas abseits des „Zentrums“ liegt, brummt der Laden. An der Brottheke steht eine Schlange, drinnen im Café treffen sich Freundinnen zum Frühstück. „Bei uns werden alle Torten selbst gemacht“, sagt Cathrin Pieper stolz. „Seit über 40 Jahren.“ An dem altmodischen 70er-Jahre-Flachbau hängt auch noch ein Hotel-Schild. „Manchmal kommen Wanderer, die den Pilgerweg nach Altenberg gehen“, sagt die Juniorchefin. „Aber selten.“

Richtung Altenberg geht es auch dorfabwärts. Eine wichtige Kreuzung ist die Kempener Straße mit dem kleinen Fachwerkhaus von Anneliese Breuer, deren liebevoll dekorierter Garten direkt an der Bushaltestelle Broicher Feld ins Auge fällt. Hier ist sozusagen das alte Herz des Dorfes, das mit seinen Einfamilienhäusern längst zum begehrten (und auch nicht ganz billigen) Wohnviertel geworden ist. „Als ich 1955 hier eingezogen bin, war das alles noch nicht da“, erinnert sich die 91-Jährige und deutet auf die Häuser gegenüber. „Da war das Kino, in dem mein Mann Vorführer war und ich Platzanweiserin.“

Ihr Sohn Klaus Krause ist mit seiner Frau Sylvia nach 30 Jahren aus England wieder nach Schildgen gezogen, um die Mama zu versorgen. „Vor 300 Jahren war das ein kleiner Hof“, ruft Nachbar Mathias Fröhlen, der sich intensiv mit der Geschichte des Dorfs beschäftigt hat, über den Gartenzaun. Hier kennt man sich. Wer mag, ist auch als Zugezogener willkommen.

Das hat Frank Schmitz festgestellt, als er vor sieben Jahren sein Tauchsportfachgeschäft nicht weit vom Irish Pub eröffnete. Was auf den ersten Blick sehr speziell wirkt, ist ein Erfolgsmodell. Seine Kunden kommen aus Köln, Wuppertal und sogar Belgien. „1500 Wartungen machen wir pro Jahr“, gibt Schmitz das Potenzial vor. Er fertigt sogar selbst Tauchanzüge: „Schauen Sie, der ist für eine Frau ohne Beine.“ Tauchkurse gibt es im Splashbad in Kürten und im Leichlinger Blütenbad.

Gleich gegenüber steht eine Schiefertafel mit der Aufschrift „Stangenbohnen, Wachsbohnen, Johannisbeeren, Kirschen“. Seit über 50 Jahren ist der kleine Kramladen von Gertrude Steffens Nachrichtenbörse und Nachschubdepot für Regionales, Futtermittel und Gartenbedarf. Die Schwester des bekannten Geflügelbauern hält hier charmant die Erinnerung an Tante Emmas Zeiten wach.

„Ich lebe gern hier“, gesteht Pfarrer Wolfgang Pollmeyer, der uns an „seiner“ Herz-Jesu-Kirche über den Weg läuft. Jetzt ist er Rentner und hilft in Refrath aus, doch nach 31 Jahren Amtszeit mag er nirgendwo anders als in Schildgen leben. Er strebt zur Bücherscheune, wo sich vor Ende der Ferien Hunderte Schulbücher stapeln. Die Buchhandlung ist einer seiner wichtigsten Anlaufpunkte. „Ja, es ist auch ein Treffpunkt, wo man Neuigkeiten austauscht“, bestätigt Charlotte Bärenz. Neuerdings arbeitet sie zusammen mit der evangelischen Begegnungsstätte Himmel un Ääd, die sich vor einem Jahr niedergelassen hat. „Das wird dem kulturellen Leben guttun“, glaubt sie. „Besonders freut mich, dass auch die jungen Leute kommen.“

Auf junges Publikum warten Claudia und Roland Huber meist vergeblich. „Sehr ruhig“ beschreiben die Fotostudio-Betreiber die Lage. „Das ganze Urlaubsgeschäft ist futsch.“ Studioaufnahmen und Passbilder sind ihre Standbeine – und der Schnellservice. „Abzüge im Fotoladen gehen vor Ort viel schneller und sind besser“, sagt Huber. Das ändere leider nichts an der Tatsache, dass die Kunden fast geschlossen ins Netz abwandern.

Eine junge Frau grüßt aus dem Dachfenster eines Fachwerkhauses, als es weiter abwärts Richtung Schlebuscher Straße geht und dem Abzweig zu Aldi bis ans traditionsreiche Haus Pohle, wo die Blumen in den Kästen vertrocknen. Am 12. Juli hat Alexandra Pohle die Gaststätte geschlossen, die sie geerbt hatte. „Wir haben drei Jahre versucht, dem Berg an Schulden Herr zu werden“, sagt Pohle verbittert. „Es tut mir Leid für die alten Gäste, die schon Jahrzehnte gekommen sind.“ Das Grundstück wird wohl von der Bank verkauft, es ist eine begehrte Wohnlage, idyllisch gelegen im Grünen.

Doch wohin strebt der Schildgener? Nach Leverkusen/Opladen, Köln oder Bergisch Gladbach? „Komplett nach Gladbach ausgerichtet“, sagt Bäckerstochter Cathrin Pieper wie aus der Pistole geschossen. „Die Rhein-Berg-Galerie, die Fußgängerzone, die S-Bahn.“ Zwei Buslinien (222, 227) pendeln im groben 15-Minuten-Takt zwischen Gladbach und Opladen/Leverkusen über Schildgen. Nur alle Stunde fährt der Bus 434 nach Köln – zum Wiener Platz.