Zeichen für RücksichtnahmeRekordzahlen bei Motorradkorso im Bergischen
Köln/ Altenberg – Wenn der Sheriff mit Blau- und Rotlicht und amerikanischer Polizeisirene am Dom ankommt, hat die Frau mit dem schwarz-rot-goldenen Staubwedel ihre Arbeit längst getan. Jedes Jahr stehe sie mit dem markanten Reinigungsgerät am Straßenrand, berichten die Teilnehmer der Motorrad-Gedenkfahrt zum Saisonabschluss – „nicht weit entfernt von Altenberg, vielleicht zwei, drei Dörfer vorher.“
Irgendwo zwischen Schlebusch und Schildgen also begrüße sie fröhlich winkend den Korso, zu dem diesmal gleich zwei Polizeibikes aus USA gehören, die schon von der Landstraße aus lautstark auf sich aufmerksam machen.
„So viele sind noch nie dabei gewesen“
Bei strahlendem Sonnenschein schwärmten am Samstag mehrere tausend Fahrer mit ihren Motorrädern, Trikes und Quads von Köln nach Altenberg aus, um ein Zeichen für Weitsicht und Rücksichtnahme im Verkehr zu setzen und verstorbener Freunde und Mitfahrer zu gedenken. „So viele sind noch nie dabei gewesen“, freut sich Peter Güsgen aus Dormagen-Straberg und schätzt, dass es weit mehr als die gut 5000 sind, mit denen die Veranstalter gerechnet haben.
Das Wetter sei eben außergewöhnlich gut. „Wir hatten schon Regen, Frost und Schnee“, erinnert er sich an frühere Fahrten. Dann bleiben viele lieber zuhause als auf der Strecke. Nicht nur in Altenberg ist die mittlerweile 41. Gedenkfahrt, die die „Aktion Blauer Punkt“ organisiert, längst auch eine Zuschauerattraktion.
Pfarrer Ingolf Schulze ist „Motorradfahrer-Seelsorger“
Menschen stehen am Straßenrand, winken und applaudieren, zücken Kameras und Smartphones. Fast eine Stunde dauert das Defilee der Maschinen zum Märchenwaldparkplatz, der die Massen diesmal gar nicht fassen kann. Viele Fahrer suchen sich Parkplätze am Dom und im weiteren Umfeld.
An der Verpflegungsstation am Märchenwald bilden sich lange Schlangen. „Ärgerlich ist nur, dass nicht mal die Hälfte der Fahrer zum Gottesdienst gehen“, sagt einer der Teilnehmer. Nicht mal die Hälfte reicht in diesem Fall allerdings, um das Gotteshaus mehr als gut zu füllen. Als Pfarrer Ingolf Schulz, der Beauftragte für die Motorradfahrer-Seelsorge in der Evangelischen Kirche im Rheinland, ans Mikrofon tritt, sind sämtliche Kirchenbänke besetzt; viele müssen den Gottesdienst stehend verfolgen. Neben dem Marienaltar wird sogar der Platz für die Gedenklichter knapp.
Predigt über Freundschaft und den Lärm der Welt
Der Pfarrer trägt Zopf und Warnweste, spielt Mundharmonika und singt mit der Band, die die Gedenkfeier umrahmt. Er weiß, wovon er spricht, nicht nur aus religiöser Sicht: Ingolf Schulz ist auch Motorradfahrer. Bei der Predigt hält er einen Seitenschneider in der Hand – ein Werkzeug, das ihm ein mittlerweile tödlich verunglückter Freund einst geschenkt habe, derselbe, der auch das hölzerne Mini-Motorrad gebastelt hat, das (umgeben von Kerzen, Helmen und einer Rettungsdecke) im Altarraum liegt.
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Um Freundschaft geht es ihm in seiner Predigt, um Freundschaft, die ein Geschenk und ein Spiegelbild der Liebe Gottes sei. Und so wie man mit billigem Werkzeug nicht reparieren könne, dürfe man mit billigen Lösungen auch keinen Menschen abspeisen. Vor dem Lärm der Welt, „den heute auch einige von uns aus Begeisterung produziert haben“, gelte es, die leisen Stimmen wahrzunehmen. Ob Mensch oder Maschine: „Es kommt immer auf die Qualität an, in jeder Beziehung.“