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Neues BuchWerner Kronenberg blickt zurück auf 58 Jahre an der Schule

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt Werner Kronenberg mit seinem neuen Buch.

Werner Kronenberg, ehemaliger Leiter des Wipperfürther EvB-Gymnasiums.

Werner Kronenberg, der frühere Leiter des Wipperfürther EvB-Gymnasiums. blickt in seinem neuen Buch auf Schule, Schüler und das Leben zurück

Werner Kronenberg ist 71 Jahre alt. „58 Jahre davon habe ich in der Schule verbracht“, rechnet er vor. Zuletzt – von 2010 bis zu seiner Pensionierung 2018 – war der gebürtige Scheeler Leiter des Engelbert-von-Berg-Gymnasiums Wipperfürth. Kein Wunder also, dass ihn das Thema Schule bis heute nicht los lässt.

Mit „Old School Forever“ hat Kronenberg sein mittlerweile sechstes Buch geschrieben und es im Selbstverlag herausgebracht. Es ist gleichermaßen ein persönliches pädagogisches Bekenntnis wie eine bitterböse Abrechnung mit der überbordenden Schulbürokratie und den Irrungen und Wirrungen neuerer Didaktik.

Bitterböse Abrechnung mit der Schulbürokratie

Schon der Untertitel „Erinnerungen eines pädagogischen Dinosauriers“ verrät, dass sich Werner Kronenberg fühlt, als sei er aus der Zeit gefallen – oder sie über ihn hinweggeschritten. „Eine echte Biografie sollte (das Buch) nicht werden“, schreibt der Autor in der Einleitung. Und doch liefert die eigene Schullaufbahn den roten Faden der Erzählung, einschließlich gelegentlicher Abschweifungen.

Die Leser erfahren von der wilden und weitgehend unbeschwerten Kindheit eines Dorfjungen. Als echtes Arbeiterkind – der Vater malochte als Hammerschmied im Leppetal – ist er auf dem Gymnasium in den 1960er Jahren ein Exot. „Dä Jung sull et ins besser haan“, sei das Credo seiner Eltern gewesen, erinnert sich der Autor.

Bis 1968 war das EvB eine wilhelminische Kadettenanstalt. Dann wehte ein frischer Wind von Aufklärung und Widerspruch durch die aufgerissenen Fenster und Türen.
Werner Kronenberg

Vergnügt erzählt er Schoten, wie jene von zwei Achtklässlern, die sich eines Tages die Backpfeifen von Lehrer H. nicht mehr gefallen lassen, ihn am Kragen packen, ihn sich wie einen Ball zuwerfen und abwechselnd ohrfeigen. Die Affäre wird vertuscht, der Lehrer strafversetzt. „Ich hatte meine Lektion gelernt“ so Kronenberg. „Autoritäten verdienen nicht einfach schon dadurch Respekt, dass sie Macht oder Gewalt ausüben.“

Am EvB-Gymnasium erlebt der Pennäler zwei unterschiedliche Einrichtungen. „Bis 1968 war das eine wilhelminische Kadettenanstalt“, erinnert sich Kronenberg. Doch plötzlich wehte „ein frischer Wind von Aufklärung und Widerspruch durch die aufgerissenen Fenster und Türen“. Im Unterricht wird Jean Paul Sartre gelesen – und gelegentlich sogar geraucht. Es war die Zeit der Hippies, und auch Werner Kronenberg trägt seine Haare lang.

Als im Unterricht geraucht wurde

Der Autor erzählt sehr unterhaltsam von seinen Vorbildern, von der Zeit an der Uni in Aachen, wo er Französisch und Geschichte auf Lehramt studiert, und dem Auslandsjahr in Lyon, der Hochzeit und der Zeit als Referendar am Albertus-Magnus-Gymnasium Bensberg (AMG) und Junglehrer am Gymnasium Kreuzgasse in Köln. Auf einer Klassenfahrt rutscht Kronenberg die Hand aus, er verpasst einem betrunkenen Schüler, der reglos in seinem Erbrochenen auf dem Fußboden liegt, in Panik zwei schallende Ohrfeigen – worauf der wieder zu sich kommt. Der Lehrer beichtet dem Vater des Jungen sein „Vergehen“. Der verpasst dem Filius eine dritte Ohrfeige, auf dass ihm die Lust am Alkohol vergehe.

Am AMG, auf das Kronenberg wieder zurückgekehrt war, machte sich der Lehrer als Regisseur an der Schul-AG weit über Bensberg hinaus einen Namen, mit progressiven Stücken wie „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind und Brechts „Dreigroschenoper“. Mittlerweile zum stellvertretenden Schulleiter aufgerückt, ficht er manchen harten Kampf mit der Schulaufsicht. Neuere didaktische Modelle , in denen der Lehrer nur noch als „Lerncoach“ vorgesehen ist, sind dem erfahrenen Pädagogen ein Graus.

Mehrere Bewerbungen auf eine Stelle als Schulleiter – unter anderem in Lindlar – scheitern, bis Kronenberg 2010 ans EvB in Wipperfürth zurückkehrt, dieses Mal als Direktor wo er „mit Zuckerbrot und Peitsche, zwischen Liberalität und Autorität“ die Zügel in der Hand hält. Die Einführung des G8-Abiturs, der Streit um Inklusion am Gymnasium und nicht zuletzt die Einführung des gebundenen Ganztags laufen nicht ohne Blessuren ab. 2018 – bald darauf kam die Corona-Pandemie – geht Werner Kronenberg in Pension. „Genau zum richtigen Zeitpunkt“, wie er heute im Rückblick sagt.

Was „Old School Forever“ besonders lesenswert macht, ist die lebendige Sprache, gepaart mit einer wunderbar ironischen Selbstreflexion des Autors, die durchaus zum Nachdenken anregt. Bleibt nur ein kleiner Kritikpunkt: Die eine oder andere Abschweifung und seitenlange Briefe und Auflistungen hätte man kürzen können.


Werner Kronenberg: Old School Forever. Erinnerungen eines pädagogischen Dinosauriers. Books on Demand 2024, 244 Seiten. 23,99 Euro.

Werner Kronenberg liest aus seinem Buch „Old School Forever“ 19. September, 19 Uhr, Mensa des EvB-Gymnasiums, Lüdenscheider Straße, Wipperfürth. 20. September, 18.30 Uhr, Treffpunkt Bücherwurm, Jan-Wellem-Straße, Lindlar-Frielingsdorf. 25. September, 19.30 Aula des Albertus-Magnus-Gymnasiums, Kaule, Bensberg. 27. September, 19 Uhr, Haus im Park, Kurfürstenstraße, Lindlar-Scheel. 20. November, 15 Uhr, Jugendheim St. Apollinaris, Jan-Wellem-Straße, Lindlar-Frielingsdorf.