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Egen 4Warum sich Künstler für Wipperfürths Wohnzimmerkonzerte bewerben

Lesezeit 3 Minuten
Die Lindlarer Band Aduril bei ihrem Konzert auf der Bühne in Egen 4 in Wipperfürth.

Musik in Egen 4: Der Eintritt ist moderat, die Konzerte immer ausverkauft.

Seit 30 Jahren organisiert Klaus-Peter Jung in Egen bei Wipperfürth Mini-Konzerte. Inzwischen bewerben sich die Künstler bei ihm.

Es ist ein Freitagabend im November, Nebelschwaden ziehen über den dunklen Weg. Dieser führt kilometerlang über schmale Straßen zwischen Wiesen und Wäldern, bis endlich Häuser und eine kleine Kirche mit Zwiebelturm auftauchen. Aus den Fenstern einer Scheune fällt warmes Licht, und im Inneren erzählen und lachen viele Menschen.

An den Wänden stehen Bücher und Schallplatten türmen sich bis unter die Decke. Auf einer kleinen Bühne stehen schon viele Instrumente bereit und in einer Ecke ist eine selbst gezimmerte Theke. Bunt gemixte Stühle und gemütliche Sofas laden zum Bleiben ein. Dieser magisch anmutende Ort ist die Bücherscheune von Klaus-Peter Jung in Wipperfürth-Egen.

Jazz, Blues- und Liedermacher treten in Egen auf

Hier, wo man es auf den ersten Blick überhaupt nicht vermutet, veranstaltet der ehemalige Sonderschullehrer seit nunmehr 30 Jahren Kleinkunst und Konzerte. Die Egener Kulturstätte galt lange als Geheimtipp und das Publikum reist teilweise von weither an, an diesem Abend auch aus Datteln und Sankt Augustin. Künstler aus ganz Deutschland bewerben sich bei Jung, um auftreten zu dürfen.

Was macht diesen Ort so besonders? Schnell wird klar: Jung geht es um die Begegnung zwischen den Menschen, um das Gespräch und um das schöne Erlebnis. „Schlechte Nachrichten gibt es so viele, es ist wichtig, das Positive hervorzuheben“, erzählt der Initiator über seine Motivation.

Besonders gerne lädt er Liedermacher ein, die etwas zu sagen haben, die Botschaften vermitteln möchten. „Das Publikum ist unheimlich wertschätzend, ganz egal ob sie die Künstler kennen oder nicht“, freut sich Jung, und diese respektvolle Atmosphäre spiegelt sich überall.

Premiere mit einem Blues-Duo aus Newcastle 1994

In einer Ecke tanzen die fünfjährige Mairy und ihre dreijährige Schwester Lizka mit Mama Carolin und Oma Dörte zur Musik. „Hier kann ich meine Kinder mitnehmen, das kann ich woanders nicht“, erzählt die Mutter.

Barbara und Achim Weiffen schätzen die ruhige Atmosphäre und das Gemütliche, wo sonst kann man ein Konzert vom Sofa aus genießen Familie Weidemann aus dem Nachbarort Großhöhfeld kommt, wann immer es geht, und lässt sich gerne von den unterschiedlichen Künstlern überraschen.

Vor 30 Jahren öffnete Jung zunächst einen anderen, kleineren Kneipenraum in der Scheune. Er merkte schnell: „Man macht Räume auf und bald kommen die Geschichten.“ Das erste Konzert fand dann eher zufällig 1994 statt. Ein Blues-Duo aus Newcastle in Nordengland war ursprünglich wegen eines anderen Konzertes in Deutschland, freute sich aber über weitere Auftrittsmöglichkeiten.

Ein Freund vermittelte das Duo an Jung und bald hörten andere Künstler davon und bewarben sich. Den ganzen Betrieb stemmt er nur mit seiner Familie. Nicht zuletzt darum schafft er es, den Eintritt günstig zu halten. „Niemand soll des Geldes wegen ausgeschlossen sein.“

Droht der Musikscheune 2024 das Aus?

An diesem Abend steht die Folkrockband Anduril mit ihrem „Nordic Circle“-Projekt auf der kleinen Bühne. Mit insgesamt 14 Musikern von Anduril, der Gruppe „Her Majesty Calling“ aus Köln, Scaladal und Cameron Arnd aus Schottland und Trude und Leif Johannessen aus Norwegen. Dazu rund 60 Besucher, damit ist die Scheune wieder rappelvoll.

Doch Ende kommenden Jahren wird wohl das letzte Konzert in Egen stattfinden. „Alles wird teurer und ich werde nicht jünger“, begründet der Musikliebhaber schweren Herzens seinen Entschluss. An diesem Abend genießt er jedoch Andurils kraftvolle Musik und ihre bedeutungsvollen Texte. „Das muss doch raus in die Welt, und jeder hier nimmt die Botschaft mit.“