Mit Poetry Slam und Comedy tritt Jana Goller am Sonntag in der Alten Drahtzieherei in Wipperfürth auf. Im Interview erzählt sie von sich und ihren Auftritten.
Interview Poetry-Slammerin Jana Goller flirtet gerne mit dem Publikum
Sie stehen auf der Bühne, ganz allein. Hunderte von Augen schauen Sie an, da schlägt das Herz ein bisschen schneller, oder?
Auf jeden Fall. Vor Auftritten bin ich manchmal noch aufgeregt, aber ich finde, das gehört dazu. Es zeigt ja, dass einem das wichtig ist, dass man Leidenschaft hat und selbst emotional bewegt ist.
„Hallo, ihr süßen Zuckerschnecken“, so begrüßen Sie gerne Ihr Publikum. Was steckt dahinter?
(lacht) Ja, das stimmt. Ich glaube, damit lässt sich die Distanz zum Publikum verringern. Ich mache das, um ein bisschen Lockerheit und Gelassenheit reinzubringen, vielleicht auch, um nahbarer und authentischer zu sein.
Wie wichtig ist das Publikum?
Ohne Publikum keine Show. Es macht schon was aus, ob man während des Auftrittes Feedback zurückbekommt, durch besondere Stille im Raum, durch Applaus, durch ein Aufatmen oder ein Lachen. Das trägt zur Atmosphäre im Raum bei und gibt mir auf der Bühne das Gefühl von „es kommt an oder halt nicht“.
Flirten Sie gerne mit dem Publikum?
Ich flirte immer gerne, auch mit dem Publikum.
In Ihren Texten spielt Ihr eigener Körper oft eine zentrale Rolle.
Ich glaube, mit einem Körper auf einer Bühne zu stehen ist immer auch politisch oder wird zumindest politisiert. Wenn ich als queere Frau auf der Bühne stehe, dann gehen Erwartungshaltungen, Assoziationen, Werte, Meinungen mit einher, die ich nur vermuten kann, die ein Publikum vielleicht hat oder auch nicht. Sich darüber Gedanken zu machen, ist wichtig. Einmal, um mich ein bisschen zu schützen und vorbereiten zu können. Andererseits kann man mit Erwartungshaltungen auch spielen.
Haben Sie bei einer Aufführung schon erlebt, dass Leute schroff oder ablehnend auf Sie reagieren?
Poetry-Slam findet in der Regel als Wettbewerb statt. Ich bekomme eine Wertung für meinen Auftritt, da fließt nicht nur mein Text ein, auch meine Person auf der Bühne wird ein Stück weit mitbewertet. Bekomme ich eine niedrige Wertung, frage ich mich schon: „OK, lag das jetzt nur an dem Text? Wäre die gleiche Wertung gekommen, hätte ein hetero Mann diesen Text vorgetragen?“ Nach dem Auftritt kommen manchmal Leute auf mich zu und wollen Feedback oder Meinungen bei mir abgeben. Einmal kam eine Person und sagte: „Ich finde, Du kleidest Dich viel zu auffällig und Deine Texte brauchen das gar nicht.“ Dabei ist Kleidung ja Ausdruck von Identität und manchmal frage ich mich, ob Leute überhaupt darüber nachdenken, was persönliche Grenzen sind.
Sie sprechen über Themen wie Nacktheit und Scham. Darüber zu sprechen, fällt den meisten Menschen nicht leicht, schon gar nicht gegenüber Fremden.
Ich denke, das ist ein Thema, das alle beschäftigt. Alle haben einen Körper und manchmal ist er nackt. Themen wie Identität, aber auch Intimität anzusprechen, pubertäre Entwicklung, und Körper, die sich verändern – das ist total schambehaftet. Ich finde es wichtig, darüber ins Gespräch zu kommen und sich damit weniger allein zu fühlen.
In einem Text vergleichen Sie Ihren Körper mit einem Gebäude und erzählen, wie andere über dieses Gebäude bestimmen wollen, was gelungen ist und was nicht. Eine eigene Erfahrung?
Ich glaube, dass wir alle diese Erfahrungen mehr oder weniger bewusst machen, dass Körper bewertet werden, wie man sich kleidet, welche Körperform man hat. Das geschieht sowohl von dem sozialen Umfeld, als auch auf einer gesellschaftlichen Ebene wie in den sozialen Medien. Welche Personen auf dem Deckblatt erscheinen, welche Körper als Ziel oder Norm dargestellt werden – das fließt alles mit ein.
Wie sind Sie Poetry-Slammerin geworden?
Vor allen Dingen durchs Auftreten. Die meisten Poetry-Slams haben einen niedrigen Zugang. Man kann sich einfach anmelden und mitmachen, und je mehr man herumkommt und mitmacht, desto bekannter wird man, desto eher findet man den eigenen Schreibstil, die eigene Performance Art. Dann passiert es relativ schnell, dass man Fuß fasst in der Szene und gebucht wird.
Wenn Sie einen neuen Text schreiben, wie gehen Sie vor?
Eine Person aus meinem Umfeld hat mir mal einen schönen Tipp gegeben: „Man muss mit den eigenen Texten schwanger gehen.“ Das heißt, dass man eine Idee erstmal im Kopf hin und her abwägt und nicht einfach drauf los schreibt, sich erstmal Gedanken macht, was man überhaupt sagen will und wie man dahin kommt. Dann kommt man auch viel schneller in den Schreibflow, weil man schon eine Vorstellung im Kopf hat.
Welche Rolle spielen Rhythmus, Satzmelodie und Reim?
Für mich persönlich eine große Rolle. Es gibt ganz unterschiedliche Stile beim Slam. Es gibt Leute, die auch einfach nur eine Kurzgeschichte lesen oder einen Tagebucheintrag, aber ich mag es voll gerne, wenn Texte rhythmisch sind und die Sprachmelodie einen durch den Text trägt, wenn man mal schneller und mal langsamer wird. Und ich mag es, wenn Reime den Text ein bisschen ineinander flechten.
Was erwartet das Publikum am Sonntag in Wipperfürth?
Mein aktuelles Repertoire an Bühnenmaterial. Das sind Gags aus meinem Stand-up-Comedyprogramm. Das sind rhythmische Texte, die ich bei Poetry-Slams vortrage. Das ist eine Kurzgeschichte, die in Wipperfürth spielt. Es geht um die Suche nach Identität, das große Ganze und Banale im Alltag. Ansonsten bin ich während der Show offen für Fragen – zu meinen Texten und Themen, zu mir als Person. Fragen, die ich beantworten möchte, um in einen Dialog zu kommen.
Zur Person Jana Goller (23) ist Autorin, Moderatorin und Veranstalterin aus Wipperfürth. Schon in der Grundschule trug sie selbst geschriebene Geschichte vor. 2019 macht sie ihr Abitur am St.-Angela-Gymnasium. Seit 2015 ist sie Teil der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene und engagiert sie sich für mehr Diversität auf der Bühne und in Vereinen. Sie studiert Erziehungswissenschaften an der Universität zu Köln. 2021 war sie Finalistin der NRW-Meisterschaften in Bielefeld, auch im Oktober 2024 wird sie bei den NRW-Meisterschaften im Poetry-Slam in Düsseldorf antreten. 2024 gewann ihre Kurzgeschichte „Alles begann mit einem Körper“ den Schreibwettbewerb „Voll (un)abhängig“ im Oberbergischen Kreis.
Am Sonntag, 8. September, 18 Uhr (Einlass ab 17.30 Uhr), tritt sie mit dem aktuellen Programm „All das Leben in Worten“ in der Alten Drahtzieherei in Wipperfürth auf. Karten (15/7.50 Euro plus VVK-Gebühr) gibt es in der Buchhandlung Colibri, Marktstraße Wipperfürth, und online. www.altedrahtzieherei.de