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Viel investiertZulieferer in Wiehl fürchtet nach KTM-Insolvenz um seine Zukunft

Lesezeit 5 Minuten
Bild eines Mannes, der ein Paar Motorradreifen durch eine Halle trägt.

130.000 unverkaufte Motorräder sollen im KTM-Lager stehen, die Produktion ist inzwischen heruntergefahren, Arbeitsplätze sollen abgebaut werden.

Ende November erfuhr die Brehmergroup aus Wiehl, dass Europas größter Motorradhersteller insolvent ist.

Frohe Festtage hatten andere. Bei Thomas Brehmer dominieren zurzeit tagsüber die Sorgen und nachts die Schlaflosigkeit. „Und der Weihnachtsbaum ist diesmal auch eine Nummer kleiner ausgefallen“, seufzt der 66-Jährige bedröppelt. Brehmer ist Ingenieur und Tüftler, vor allem aber Gründer und Geschäftsführer der Brehmergroup mit Sitz in Oberwiehl. Seit der Gründung 2003 ist das Unternehmen stetig gewachsen, aber das ablaufende Jahr sollte einen richtig großen Satz nach vorne bedeuten.

Wiehler Firma stellte erst jüngst den 100. Mitarbeiter ein

Und elf Monate lang sah es auch ganz danach aus. Kürzlich wurde der 100. Mitarbeiter eingestellt, in den Montagestraßen der erst 18 Monate alten Produktionshalle in Elsenroth brummte es – bis zum 26. November. An jenem Dienstag meldete der Motorradbauer KTM an seinem Stammsitz im oberösterreichischen Mattighofen Insolvenz an. Klingt weit weg, doch ausgerechnet in KTM, immerhin Europas größter Motorrad-Schmiede, sah Thomas Brehmer vor einigen Wochen noch einen richtig dicken Fisch, der in Oberwiehl ins Netz gegangen war.

Großaufnahme eines Lenkerschalters für ein Motorrad

Solche Lenkerschalter liefert die Firma Bremergroup an KTM.

Nach fast drei Jahren Entwicklung und diversen Testserien wurde die Brehmergroup im Sommer 2024 zum offiziellen Serienlieferanten für die neuen Lenkerschalter der KTM-Premiummodelle – eine hochkomplexe Mechatronik mit integrierten Mikroprozessoren, mit der Touchscreen und Getriebe gesteuert werden können. „Da geht es nicht um an und aus, sondern um die feine Kombination von Mechanik, Elektronik, Firm- und Software – das ist eine Weltneuheit“, betont Brehmer.

Wiehler investierten viel Geld in die Serienreife

Aber nicht nur in die Serienreife des High-End-Schalters haben die Oberberger zuletzt investiert, auch besonders zertifizierte Teststände für allerlei Umwelteinflüsse kosteten viel Geld. Gerade bei Oberklasse-Motorrädern haben die Bedienteile eben auch dann zu funktionieren, wenn das Motorrad stundenlang durch Regen, Eiseskälte oder Staub knattert.

Die Zulieferer von KTM fallen in diesen Tagen um wie die Dominosteine.
Thomas Brehmer über die Auswirkungen der KTM-Insolvenz

Nun ist KTM finanziell gescheitert – und wenn man österreichischen Medien glaubt, ziemlich krachend. Von bis zu drei Milliarden Euro Schulden ist die Rede. Die Hauptursache sehen Analysten des Zweiradmarktes in dem unbedingten Willen des CEO Stefan Pierer, weiter zu wachsen – obwohl die Branche das zurzeit gar nicht hergebe. Manche werfen Pierer „Größenwahn“ vor.

Firmenchef Thomas Brehmer mit den beheizbaren Motorradgriffen

Firmenchef Thomas Brehmer bekam im Sommer 2024 die KTM-Zusage für die Serienlieferung.

Denn während Riesen wie Honda und Yamaha ihre Produktion deutlich gedrosselt hätten, habe KTM für 2023 und 2024 weiter mit Vollgas gebaut. Resultat: „Zuletzt hieß es, dass KTM 130.000 unverkaufte Motorräder auf dem Platz stehen hat. Für den Motorrad-Markt ist das eine unfassbar riesige Zahl“, berichtet Thomas Brehmer.

KTM-Schreiben erreichte Oberwiehl Ende November

In Oberwiehl erhielt man am 29. November, dem Freitag vor dem ersten Advent, die Nachricht von der Insolvenz in einem knappen Schreiben, seither gibt es kaum neue Informationen aus der Alpenrepublik. Am Freitag vor Weihnachten fand die erste Gläubigerversammlung statt, auch Brehmer ließ seine Interessen und Forderungen dort von einem Anwalt vertreten, der sich im österreichischen Insolvenzrecht auskennt. Die für die Brehmergroup bittere Erkenntnis der Zusammenkunft: Mit viel Glück werden 30 Prozent der Rechnungen bezahlt werden, allerdings gestreckt auf zwei Jahre.

„Unter dem Strich werden uns zwei bis drei Millionen Euro fehlen“, hat Brehmer ausgerechnet. „Die Zulieferer von KTM fallen in diesen Tagen um wie die Dominosteine.“ Die Erstattung von knapp 800.000 Euro Planungsleistungen, die über das vertraglich Vereinbarte hinausgingen, deren Bezahlung man aber über die Serienfertigung kalkuliert hatte, hat Brehmer schon so gut wie aufgegeben. Hinzu kommt: Eigene Lieferanten der Schalterbauteile und Leiterplatinen bestehen auf Abnahme und Bezahlung – macht weitere 800.000 Euro. „Die interessiert nicht, ob KTM pleite ist. Die wollen von uns ihr Geld haben“, so Brehmer.

Die interessiert nicht, ob KTM pleite ist. Die wollen von uns ihr Geld haben.
Firmenchef Thomas Brehmer über seine eigenen Lieferanten

Keinen Hehl macht der Unternehmer daraus, dass die oberbergischen Banken derzeit die Garanten dafür seien, dass bei der Brehmergroup nicht auch das Licht ausgeht. Die Firma habe einen „echten Tiefschlag“ bekommen, von dem man sich nun erholen müsse, am liebsten mit allen Mitarbeitern, betont der Chef. Das gesteckte Umsatzziel von 30 Millionen Euro im Jahr 2026 werde man aber wohl abhaken müssen.

Was Brehmer besonders ärgert ist der Stil von KTM-Chef Pierer: So habe der noch Ende September einen großen Zulieferer aufgekauft und dort vollmundige Versprechen gemacht. Acht Wochen später wurde der Schuldenberg seines Unternehmens dann publik.

Wiehler Unternehmen hat weitere Standbeine

Zum Jahresende gibt es nun doch noch gute Nachrichten für Brehmer: Im Bereich Infrarotscheinwerfer, einem ganz anderen Standbein seines Unternehmens, ist ein Deal mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall gelungen. Trotzdem: Lieber würde er natürlich mit Motorrädern Geld verdienen als mit Kriegen, sagt Brehmer, selbst passionierter Zweirad-Fahrer. Der Rheinmetall-Auftrag bewahre ihn aber vor der eigenen Insolvenz.

Wie und ob es mit der Zusammenarbeit zwischen KTM und der Brehmergroup weitergeht, ob KTM überhaupt eine Zukunft hat, kann derzeit niemand verlässlich vorhersagen. Thomas Brehmer erhofft sich von der nächsten Gläubigerversammlung im Februar Klarheit. 2025 sollte eigentlich das Jahr werden, in dem der 66-Jährige so langsam in den Ruhestand geht. Nun steht der Unternehmer plötzlich vor der größten Herausforderung seines Berufslebens.


Eher gelassen hat Oberbergs Aushängeschild im Motocross, Lukas Platt, auf die KTM-Insolvenz reagiert. Der 28-jährige Gummersbacher fährt seit 2023 für das KTM-Sarholz-Racing-Team.

Als er jüngst bei seinem Team nach Ausrüstungsteilen für die ersten Tests im neuen Jahr gefragt habe, habe man ihm allerdings mitgeteilt, dass man mit einzelnen Bauteilen künftig strenger haushalten müsse. Um seine Zukunft bei dem Rennstall sorge er sich jedoch nicht, betont Lukas Platt im Gespräch mit dieser Zeitung.