Die Baugenossenschaft Wiehl sorgt seit 75 Jahren für günstige Mieten. Derzeit kümmert sie sich vor allem um die Modernisierung des Bestands.
ImmobilienmarktWiehler Genossenschaft würde gern mehr bauen

Auf dem Wiehler Sonnenhang finden sich ihre größten Häuser. Über die Geschicke der Baugenossenschaft wachen (v.l.) Michael Söntgerath, Bernd Faulenbach, Dieter Fuchs und Ulrich Jobsky.
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Die Zukunft des Wohnens ist schon 75 Jahre alt. Damals begann die Baugenossenschaft Wiehl, preisgünstigen und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen, wie er heute wieder gefordert wird. Die oberbergischen Kommunen weisen längst nur noch ausnahmsweise neue Einfamilienhaussiedlungen aus. Sie sollen und wollen nicht noch mehr Fläche versiegeln und mehr Autoverkehr provozieren. Stattdessen fördern die Stadt- und Gemeinderäte den Bau von zentrumsnahen Mehrparteienhäusern – so wie es die Wiehler Baugenossenschaft seit 1948 macht.
Und sie würde es weiterhin so machen. Aber das ist nicht so einfach. Beim Rückblick im Jubiläumsjahr machen Vorstand und Aufsichtsrat der Baugenossenschaft deutlich, dass ihr Fokus darauf liegt, den Bestand zu pflegen, denn das sei schwierig genug in Zeiten der Baukostenkrise und Energiewende.
Baugenossenschaft wurde 1948 von der Stadt Wiehl gegründet
Die Stadt unterhält seit 1991 auch eine eigene Bauentwicklungsgesellschaft, die nach eigener Auskunft ebenfalls „eine sichere und sozialverantwortliche Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung“ zum Ziel hat. Dennoch ist das Rathaus auch mit der Genossenschaft eng verbunden. Gegründet wurde sie 1948 einen Tag vor der Währungsreform vom damaligen Bürgermeister Erwin Frackenpohl, dem Gemeindedirektor Hugo Weber und dem Steuerberater Franz Schlimgen. Auch die beiden amtierenden ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder Dr. Dieter Fuchs und Bernd Faulenbach, heute Pensionäre, waren einst im Rathaus beschäftigt.
Gründungszweck der Genossenschaft war es, wegen der enormen Wohnungsnot nach dem Krieg Kleinsiedlerstellen und größere Miethäuser für Flüchtlinge zu bauen, berichtet Fuchs. Die ersten Häuser entstanden am alten Sportplatz. Die Siedlungsgenossenschaft half den Neubürgern auch als Dienstleister bei der Betreuung von geförderten privaten Bauprojekten. Mitte der 1960er Jahre begann dann der Bauboom, der auf dem Sonnenhang und in Drabenderhöhe mehrgeschossige Großbauten entstehen ließ.
Wir investieren Schritt für Schritt, nur so, wie es der Etat zulässt. Damit sind wir immer gut gefahren.
Der Bielsteiner Rechtsanwalt Ulrich Jobsky hat Anfang der 1970er Jahre selbst in einer Drabenderhöher Genossenschaftswohnung gelebt. Seit 1976 vertritt er die Interessen der Mitglieder im Aufsichtsrat. Diese, sagt Jobsky, seien anders als die Teilhaber eines Immobilienfonds weniger an einer Dividende interessiert und bekommen derzeit auch keine. Alle Gewinne werden in die Sanierung der Häuser investiert, ohne dass die Mieten dramatisch steigen dürfen. „Wir investieren Schritt für Schritt“, sagt Jobsky, „nur so, wie es der Etat zulässt. Damit sind wir immer gut gefahren“.
Michael Söntgerath, seit 2018 als Nachfolger seines Vaters Friedhelm geschäftsführendes Vorstandsmitglied, sieht diesen Kurs in der Tatsache bestätigt, dass 290 Interessenten auf der Warteliste stehen. Kein Wunder, der durchschnittliche Quadratmeterpreis der Genossenschaftswohnungen liegt bei 4,93 Euro, weit unter dem Wiehler Mietspiegel.
Also warum baut die Genossenschaft nicht mehr davon? Zum einen fehlt es an Grundstücken, zum anderen sind die Baukosten so explodiert, dass sie mit niedrigen Mieten nicht mehr gegenfinanziert werden können. Eine mögliche Beteiligung an der Bebauung des Pro-Markt-Geländes steht darum infrage.
Vorstand und Aufsichtsrat sind sich jedenfalls einig, dass sie mehr als genug mit der Modernisierung zu tun haben, vor allem wegen der Wärmewende. Die meisten Heizungen werden derzeit mit Erdgas betrieben.
Dennoch steht der Beginn einer Baumaßnahme im Zentrum von Wiehl kurz bevor. An der Wiesenstraße lässt die Genossenschaft ein bestehendes Zwölf-Parteien-Haus energetisch sanieren und in diesem Zuge um drei barrierefreie Wohnungen aufstocken. „Wenn kein Bauplatz da ist, muss man in die Höhe gehen“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Jobsky. Vorstand Dieter Fuchs ergänzt: „Und wenn wir bei den Baukosten wieder mithalten können, dann bauen wir auch mehr, gerade weil für uns der Gewinn nicht im Vordergrund steht.“
Die Baugenossenschaft Wiehl in Zahlen
1700 Wohneinheiten hat die Baugenossenschaft Wiehl in 75 Jahren gebaut und zum Teil wieder verkauft.
495 Wohnungen in 83 Mehrfamilienhäusern bewirtschaftet die Genossenschaft heute. Der Schwerpunkt des Bestandes liegt in Wiehl und Neudieringhausen, das einst zum Wiehler Gemeindegebiet gehörte. Es gibt aber auch Objekte in Drabenderhöhe, Bielstein, Marienhagen und Oberwiehl.
87 Einheiten sind Sozialwohnungen. 150 Euro kostet jeder der acht Genossenschaftsanteile, die mindestens besitzen muss, wer in eine Genossenschaftswohnung einziehen will.
590 Mitglieder mit zusammen 4600 Anteilen hat die Genossenschaft derzeit. Die Stadt Wiehl hat 62 Anteile, aber auch nur eine Stimme in der Genossenschaftsversammlung. (tie)