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Selfless-DayWie Wiehls CVJM die Nachbarschaftshilfe auf die ganze Stadt ausdehnt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann putzt die Brüstung eines Balkons mit einem Schwamm.

Frühjahrsputz in Wiehl, mit Hilfe des CVJM.

Am Samstag halfen Mitglieder des CVJM Wiehl anderen Menschen im Haus und im Garten. Eine Gegenleistung wollten sie nicht.

Die paar Regentropfen von oben machen Niklas Belo nichts aus. Der 25-Jährige drückt den Hebel und schon jagen 150 Bar Wasserdruck den Grünspan von den Terrassenplatten. Eigentlich wäre heute für den passionierten Sportler mal wieder eine Runde Bouldern in der Lindlarer Kletterhalle fällig gewesen, stattdessen putzt der Wiehler einem völlig fremden Menschen den Balkon.

Es ist Samstag und beim CVJM in Wiehl ist Selfless-Day. „Selbstlosigkeitstag“ heißt das übersetzt, und für den Christlichen Verein junger Menschen in der Oberbergischen Stadt ist es eine Premiere: Einen Tag lang stellen die Mitglieder ihre Arbeitskraft den Mitmenschen zur Verfügung, eine Gegenleistung dafür erwarten sie nicht.

Ein Mann reinigt mit einem Hochdruckreiniger eine Terrasse.

Einsatz mit dem Hochdruckreiniger und Besen.

Der Tag ist für die CVJM-ler ein Versuchsballon und ein Zeichen zugleich. Ein Versuchsballon, denn „wir wollen abschätzen, wie groß der Bedarf ist“, erklärt Vorsitzender Norman Pescheck. „Senioren, Alleinstehende, Menschen mit Einschränkung“, zählt Pescheck die Zielgruppe auf.

Die Aktiven wollen den Menschen helfen, denen das soziale Netzwerk fehlt. Sie wollen die Aufgaben übernehmen, die früher oft die direkten Nachbarn übernommen haben. Das Zeichen, das die Wiehler setzen wollen, ist „Nächstenliebe, etwas an die Gemeinschaft zurückgeben“, sagt Jannis Schoger.

Selfless-Day: Der Gemeinschaft etwas zurück geben

Gerade hat der 25-Jährige Laub aus einer Dachrinne gekratzt. Er bildet mit Niklas Belo und Nick Altenhöfer das Team, das den fremden Balkon auf Vordermann bringt. Der Balkon gehört Werner Voß und Heidrun Vogel. Voß ist 67 Jahre alt und freut sich über die Hilfe. „Ich wäre den ganzen Tag damit beschäftigt, was die Jungs hier in ein paar Stunden schaffen“, sagt er und bringt Kaffee zu den Helfern.

Körperlich ist Voß fit und gibt selbst ehrenamtlich Seniorensportkurse. Vielleicht fällt es ihm dadurch leichter, selbst um Hilfe zu bitten. Das „Geben und Nehmen“ seien die „Mosaiksteinchen der Solidarität“, erklärt er und fachsimpelt dann weiter mit Nick über den Hochdruckreiniger.

Zwei junge Menschen in Arbeitskleidung säubern eine Bäuschung neben einer Straße.

Einen Tag stellen die Aktiven ihre Arbeitskraft den Menschen zur Verfügung, die sie brauchen können.

Voß hat selbst die Arbeitskluft angezogen und packt mit an, wenn er nicht gerade das Kaffeetablett balanciert. „Das Gemeinschaftliche zwischen den Generationen, das tut meiner Seele gut“, formuliert er es später. Über einen Aushang habe er vom Selfless-Day erfahren und einfach angerufen.

CVJM will den Selfless-Day wiederholen

Die drei CVJM-ler erhalten für das Säubern des Balkons viel Anerkennung. Das sei ein weiterer Aspekt des Selfless-Days: „Aus der eigenen Bubble rauskommen, mit Menschen sprechen und damit die Gemeinschaft stärken“, erklärt Vorsitzender Pescheck.

Knappe fünf Kilometer Luftlinie entfernt reißt gerade Kyra Zurawski Bodendecker samt Wurzeln aus einer Böschung und wirft sie in Richtung der Schubkarre. Die 25-jährige Kyra hätte zu Hause eigentlich genug zu tun, renoviert sie doch mit ihrem Freund doch die gemeinsame Wohnung. „Aber das muss er heute alleine machen“, sagt sie.

Auch für die Wiehlerin steht der Aspekt der Nächstenliebe im Vordergrund: „Helfen, ohne etwas dafür zu erwarten“, nennt sie das. In der Schubkarre liegt Gestrüpp, das Marcel Wirths zu einem Anhänger karrt.

Für den 28-Jährigen ist der Einsatz ein Heimspiel: Vater Mario (65) hatte sich beim CVJM gemeldet, denn die steile Böschung vor der Garage sollte wieder ansehnlich werden. Die Wirths bedanken sich bei den Helfern mit einem gemeinsamen Mittagessen. Mutter Sigrid hat Kartoffelsalat gemacht und Würstchen erwärmt, auch von den anderen Einsatzstellen kommen die Helferinnen und Helfer des Wiehler Aktionstags zur Mittagspause ins Hause Wirths.

Ein Mann hält ein Mobiltelefon ans Ohr.

Norman Pescheck, Vorsitzender des CVJM Wiehl beim Arbeitseinsatz auf dem Selfless-Day.

Vier Einsätze bewältigen die sechs Wiehler im Alter zwischen 25 und 38 Jahren an diesem Samstag. Jeder Einsatz dauert mehrere Stunden und ist körperlich fordernd. Ein Auftrag zum Holzhacken und eine Kellerentrümpelung müssen allerdings wetterbedingt ausfallen. „Das holen wir in den kommenden Tagen nach“, verspricht Pescheck.

Steigender Bedarf in Wiehl

Der CVJM überlege, den Selfless-Day zu einer regelmäßigen Einrichtung zu machen. „Zwei Mal im Jahr ist in der Überlegung“, berichtet Norman Pescheck. Auch eine ständige Hilfs-Hotline für kleine Dienste in der Nachbarschaft sei ein Ansatz. Es müsse nicht immer die Gartenarbeit sein, auch eine Einkaufshilfe oder kleine Reparaturen im Haushalt seien denkbar. Der Bedarf steige angesichts der demografischen Entwicklung.