Mit 22 Noten pro Sekunde über die Klaviatur: Der Pianist Gregor Vidovic lebt heute in England. In Wiehl hat er noch immer eine große Fangemeinde.
BurghauskonzertKlaviervirtuose Vidovic zurück in Wiehl
Geboren wurde er in München. Seine familiären Wurzeln reichen nach Bosnien, schon als Kind ist Gregor Vidovic viel in der Welt umhergekommen. Seit fünf Jahren lebt der 53-jährige Musiker mit seiner Familie in Nottingham, wo er an mehreren Privatcolleges Klavier unterrichtet. Ein Ankerpunkt in diesem weltläufigen Leben war Wiehl, wo er nach dem Studium an der Kölner Musikhochschule immerhin fast 20 Jahre lang lebte.
„Ich bin total aufgeregt“, bekannte der Musiker denn auch, als er kürzlich mal wieder in Oberberg auftrat. Für das Konzert im Bielsteiner Burghaus , wo er früher regelmäßig spielte, war er eigens aus England angereist. Einige frühere Schüler saßen unter den gut 80 Gästen.
Preisgekrönt in Oberberg
2004 lebte er noch nicht lange in Wiehl, als Vidovic junge Musikerinnen aus Sarajevo für ein Konzert nach Oberberg holte. Im gleichen Jahr bekam er den Kulturförderpreis des Oberbergischen Kreises. Was sich seitdem nicht geändert hat, ist seine Mission. Er möchte Musik vermitteln, Brücken bauen zwischen Musiker und Publikum, zwischen den Völkern. Vidovics Spezialität sind noch immer Vortragskonzerte. Bei diesem Format erzählt der Klaviervirtuose allerlei Hintergründe zu den jeweiligen Komponisten und würzt den Abend mit amüsanten Anekdoten.
Für Neulinge ist dies auch an diesem Abend in Bielstein ein spannender und motivierender Einstieg, für erfahrene Zuhörer eine Quelle interessanter Informationen über die Komponisten sowie die sozialen und kulturellen Aspekte in den vorgestellten Epochen der Musikgeschichte. In diesem Konzert widmet sich Vidovic dem 19. Jahrhundert, im Übergang von der Klassik zur Romantik. „Die europäische Musik ist unvorstellbar ohne ihn“, kündigt er Frédéric Chopin an.
Ukrainische Opernmusik
Kraftvoll spielt Vidovic dessen „Nocturne“ in c-moll, bevor er die „Polonaise“ in fis-moll zum Besten gibt: „Das ist mein persönlicher Liebling wegen der komplexen Struktur und der Mazurka im Mittelteil.“ Gleich hiernach macht er einen Sprung über mehrere Jahrzehnte, zu den Russen Rachmaninow und Tschaikowski. Beim Durchforsten dieser Epoche sei er auf den ukrainischen Komponisten Mykola Lyssenko (1842-1912) gestoßen. Von diesem weiß Vidovic zu berichten, dass eine seiner Opern in Moskau nicht aufgeführt werden durfte, weil er auf den Text in ukrainischer Sprache bestanden und die russische Übersetzung abgelehnt habe. Schwungvoll würdigt er den Ukrainer mit dessen „Rhapsodie Nr. 2“.
Ausgiebig widmet sich Vidovic Franz Liszt und bezeichnet ihn als „Klaviator“, als Gladiator der Tasten. Im Umfeld der Konzerte habe es damals Verkehrsstaus gegeben, allerdings mit Kutschen. Bei seinen Auftritten seien Colliers aus dem Publikum auf die Bühne geflogen. Liszts aus zwölf Teilen bestehender Zyklus transzendentaler Etüden habe lange als unaufführbar gegolten. Derzeit gebe es nur etwa vier Pianisten weltweit, die ihn in seiner Gesamtheit beherrschen.
„Die Pandemie war lang und ich hatte viel Zeit“, sagt Vidovic, so habe er sich auch an einen Teil davon gewagt. „Knapp 8000 Noten bei sechs Minuten Dauer macht gut 22 Noten pro Sekunde“, rechnet er vor und beweist gleich darauf seine Virtuosität, indem er sich bei einem durchweg hohen Grundtempo zu dem steigert, was der Titel verspricht: „Wilde Jagd“.
Bevor er als traditionelle Zugabe seiner Konzerte Chopins „Revolutionsetüde“ spielt, gibt Gregor Vidovic zum Abschluss des Konzerts Liszts „Soirée de Vienne“. Den Titel übersetzt er frei als „Wiehler Abend“. Dafür gibt es natürlich Sonderapplaus.