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TraditionsbetriebBielsteiner Stahlwerk Kind & Co. wird verkauft

Lesezeit 4 Minuten
Ein glühender Block Stahl kommt aus einer Presse.

Kraftakt: Die Stahlindustrie soll klimaneutral werden. Das Bild zeigt eine Schmiedepresse mit 3000 Tonnen Presskraft.

Die Georgsmarienhütte Holding will alle Anteile übernehmen. Der Stahlstandort Bielstein wird aber wohl nicht darunter leiden.

Das Bielsteiner Edelstahlwerk Kind & Co. bekommt voraussichtlich schon bald einen neuen Eigentümer. Die Georgsmarienhütte Holding (GMH) beabsichtigt alle Anteile der GmbH & Co. KG zu erwerben. Das Bundeskartellamt hat schon sein Einverständnis gegeben. Die Genehmigung der Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich, wo die GMH -Gruppe zwei Werke unterhält, steht noch aus.

Die Vertragspartner sind sich nach Informationen dieser Zeitung einig, wollten sich auf Anfrage aber weder zu dem Deal insgesamt noch zu Hintergründen und Detailfragen wie dem Kaufpreis äußern. GMH-Sprecherin Luciana Filizzola teilt nur mit: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aktuell zu diesem Thema kein Statement abgeben und keine Fragen beantworten.“

Eine Stele mit dem Firmenlogo am Werkseingang.

Ob der Traditionsname Kind erhalten bleibt, ist fraglich.

So bleibt unter anderem unklar, ob die Marke „Kind & Co.“ erhalten bleiben soll. Die Bielsteiner Belegschaft ist über den Verkauf informiert worden. Am Standort sind etwa 420 Menschen beschäftigt.

IG-Metall-Sekretär Simon Stefer berichtet, dass die Gewerkschaft am Verkauf bisher nicht tiefer beteiligt war. „Es gab noch kein Gespräch mit dem neuen Eigentümer.“ Er hoffe aber, dass sich das Unternehmen mit einem großen Investor im Rücken neu im international hart umkämpften Stahlmarkt positionieren kann.

Bielsteiner Familienbetrieb in vierter Generation

Der Gewerkschaftssekretär verbindet mit der Übernahme die klare Hoffnung, dass die Mitarbeiter wieder in die Tarifbindung zurückkehren, aus der sich Kind & Co. verabschiedet hat. „Wir gehen mit der Erwartungshaltung in die Gespräche, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird, sondern dass bei der Tochter die gleichen Maßstäbe gelten werden wie bei der Mutter.“

Die Bielsteiner Firma ist ein Traditionsbetrieb, gegründet wurde das Unternehmen Carl Kind & Co. 1888. In vierter Generation ist Kind & Co bis heute ein Familienunternehmen geblieben. Vorsitzende der Geschäftsführung ist Susanne Wildner. Hintergrund des Verkaufs sind offenbar die erheblichen Investitionen, die in der Branche mit der Umstellung auf eine CO2-neutrale Stahlproduktion einhergehen. Der Hebel zur Reduktion von CO2 ist auch in der Stahlindustrie der Umstieg auf grünen Strom.

Eine Wiese oberhalb des Wiehltals.

Auf einer Fläche oberhalb des Stahlwerks soll eine Freiflächenphotovoltaikanlage errichtet werden.

Gerade hat der Planungsausschuss der Stadt Wiehl eine Bebauungsplanänderung auf den Weg gebracht, der Kind & Co. erlaubt, auf einem bisher ungenutzten Bereich im Norden des Betriebsgeländes eine Freiflächenphotovoltaikanlage zu errichten. Diese soll Sonnenstrom für den Eigenbedarf erzeugen. Die Grünfläche liegt im Hang auf der anderen Seite des Wiehl-Flusses und der Wiehltalbahntrasse, ist aber schon seit 1975 als potenzielles Industriegebiet ausgewiesen.

Wir gehen mit der Erwartungshaltung in die Gespräche, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird, sondern dass bei der Tochter die gleichen Maßstäbe gelten werden wie bei der Mutter.
Simon Stefer, IG Metall

Der dort produzierte Strom wird aber nicht annähernd ausreichen, um die energieintensive Stahlproduktion zu gewährleisten. Die klimafreundliche Produktionsumstellung ist eine Herkulesaufgabe, die für einen Großkonzern wie GMH leichter zu stemmen ist. Die Gruppe hat sich den „green steel“ auf die Fahne geschrieben. GMH versteht sich als Vorreiter in der nachhaltigen Stahlproduktion. Dazu gehört der Einsatz von Elektrolichtbogenöfen an vier Standorten, der die

CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Hochöfen um das Fünffache reduziert. Die GMH-Gruppe hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, bis 2039 vollständig klimaneutral zu sein.

Der Erwerb des Bielsteiner Edelstahlwerks ist Teil einer größeren Expansionswelle. Erst im August hat GMH die strategische Übernahme der Alba Metall Saar GmbH als „weiterer Schritt in der strategischen Expansion der GMH Gruppe im Stahlschrottmarkt“ bekannt gegeben. Das Unternehmen wurde in GMH Recycling Saar GmbH umbenannt und nahtlos in die Organisationsstruktur der Gruppe integriert. Bis 2025 soll eine „vollständige Verschmelzung“ erfolgen.

Diese Integration biete auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der früheren Alba Metall Saar GmbH erhebliche Vorteile, kündigte die Unternehmensleitung an. In Bielstein gehen die Hoffnungen in die gleiche Richtung.


Die neue Eigentümerin

Die Georgsmarienhütte Holding hat ihren Hauptsitz in der nach dem Stahlwerk benannten niedersächsischen Stadt südlich von Osnabrück. Zur Gruppe gehören nach eigenen Angaben 6000 Mitarbeiter an 15 Standorten in mehr als 50 Ländern. Diese erwirtschaften einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro. Die GMH-Gruppe ist ein Komplettanbieter von Stahl als Vormaterial, erschmolzen aus Schrott, bis hin zu montagefertigen Komponenten. Sie ist nach Unternehmensangaben eines der größten in Privatbesitz befindlichen metallverarbeitenden Unternehmen Europas.

Gegründet wurde die Holding 1997 vom damaligen geschäftsführenden Gesellschafter des Stahlwerks Georgsmarienhütte, Jürgen Großmann. Das Stahlwerk gehörte von 1923 an zum Klöckner-Konzern, bis der defizitäre Betrieb 1993 von dem Klöckner-Manager Großmann für einen symbolischen Betrag erworben wurde.