Auszeit von Mord und TotschlagErholungsheim für traumatisierte Polizisten eröffnet
- Suizide, schwere Verkehrsunfälle, Schießereien, Schlägereien, Mord und Totschlag.
- Etwa 50 Mal im Jahr kümmert sich das psychosoziale Unterstützungsteam der nordrhein-westfälischen Polizei, nach solchen Einsätzen um traumatisierte Kollegen.
- Das neue Erholungsheim der NRW-Polizeistiftung am Waldbröler Bitzenweg soll den betroffenen Polizeibeamten dabei helfen, nach erschütternden Erfahrungen zurück in den Alltag zu finden.
Waldbröl – Am Montag hat der Stiftungsvorstand zusammen mit Innenminister Herbert Reul die Einrichtung in der 117 Jahre alten Villa am Bitzenweg , die nach ihrem vorherigen Zweck als „Altes Forsthaus“ bekannt ist, offiziell eröffnet.
Vier etwa 50 Quadratmeter große, hochwertig renovierte Appartements stehen dort den betroffenen Polizisten und ihren Familien zur Verfügung. Zur Ausstattung gehören ein Fitness- und Wellnesskeller, ein kleiner Kinderspielplatz und eine Grillhütte. Mehr als eine Million Euro hat die Stiftung in Kauf und Ausbau investiert.
Seminarraum in Keller
Reden kann helfen. Im Keller findet sich ein Seminarraum. Hier kann sich auch eine ganze Einsatzgruppe nach einer dienstlichen Herausforderung austauschen. Dennoch soll das Erholungsheim kein Therapiezentrum sein, betont das Kerpener Vorstandsmitglied Erika Ullmann-Biller. Im Normalbetrieb ist es einfach ein Ferienhaus im Bergischen Land, abseits von allem Polizeidienst.
Früher musste die NRW-Polizeistiftung die seelisch angegriffenen Kollegen für Erholungsurlaube in kirchlichen Einrichtungen oder in den Heimen der Bayerischen Polizeistiftung unterbringen. Das eigene Haus, das nun zur Verfügung steht, sei umso wichtiger, weil die Zahl der belastenden Einsätze zunehme, berichtet Stiftungsvorsitzender Diethelm Salomon. Man sei sensibler geworden für die Tatsache, „dass Menschen auch in der Seele verletzt werden können“.
Der evangelische Polizeiseelsorger Dietrich Bredt-Dehnen aus Wuppertal sagt: „Die Love-Parade war eine Wendepunkt.“ Innenminister Reul weiß: „Früher galt bei der Polizei, ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Heute bemühe sich die Polizei um eine enge Betreuung ihrer Mitarbeiter. „Aber da ist noch Luft nach oben“, gibt der Minister zu. „Deshalb ist das Erholungsheim ein Riesengeschenk.“
In seiner Rede beim Festakt im Saal des Waldbröler Krankenhauses lobte Reul: „Die Arbeit der Polizeistiftung ist unbezahlbar.“ Das Forsthaus sei eine wichtige Ergänzung der Betreuung von Einsatzkräften. Dass man sich um traumatisierte Beamte kümmert, habe für ihn Vorrang: „Denn die Polizisten halten jeden Tag den Kopf hin, damit die Bürger keine Schläge abbekommen.“
Villa Waldesruh
Das Haus am Bitzenweg wurde 1902 im Auftrag des Düsseldorfer Industriellen Karl Schumacher errichtet. Bald darauf entsteht in unmittelbarer Nähe der Kaiser-Wilhelm-Turm, der Besuchern der Parkanlage einen weiten Ausblick bietet, aber bereits nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Baufälligkeit abgerissen wird. 1920 übernimmt die Kölner Eisengroßhandlung Jac Ziegler das Haus, um ein Einholungsheim für ihre mehr als 100 Angestellten einzurichten. Von 1926 an gehört das Haus dem Dortmunder Bankier Dr. Heinrich Wolff, der hier mit seiner wachsenden Familie 26 Jahre lang dort lebt. 1952 erwirbt das Land NRW die Villa, um das Forstamt Waldbröl unterzubringen. Als erster Hausherr zieht Forstmeister Eberhard Erler ein.
Die letzten Mitarbeiter des Waldbröler Forstamts ziehen 2010 um in die neue Dienststelle des Regionalforstamts in Gummersbach. Von 2012 bis 2014 wird das „Alte Forstamt“ Übergangsdomizil der Waldbröler Polizei, bis diese in den Neubau an der Brölbahnstraße wechselt. Nach langen Verhandlungen kann die Polizeistiftung 2017 die Villa übernehmen. (tie)
Stiftungsvorsitzender Salomon dankte besonders seinem oberbergischen Vorstandskollegen Kay Wegermann für dessen Einsatz beim Umbau des Forsthauses. In dem von der Gummersbacher Polizistin Michaela Laduch moderierten Festakt kam auch Peter Keil von der „Dance Company“ zu Wort, der Minister Reul als dritten „Blues Brother“ ausstaffierte. Die Theatergruppe der Polizei hat mit ihren Musicals bald die Gesamtsumme von 100 000 Euro für die Stiftung eingespielt.
Kreisdirektor Klaus Grootens freute sich in seinem Grußwort, dass das Erholungsheim seinen Platz in Oberberg gefunden hat: „Hier gibt es viele Plätze, an denen man seine Seele baumeln lassen kann.“ Zu den Gästen der Eröffnungsfestes, die das bestätigen können, gehörte Angela Vonnegut, die als Tochter der Familie Wolff in der Villa ihre Kindheit verbracht hat. Die Bonnerin findet: „Schön, dass das Haus jetzt diesem Zweck dient.“