Verwaiste ElternWaldbröler Selbsthilfegruppe bietet trauernden Eltern Raum
Waldbröl – Hanna war sechs Jahre alt, als der Krebs ihr das Leben nahm. Bis dahin hatte ihre Mutter Tanja Zielke wie eine Löwin um sie gekämpft, doch letztlich diesen Kampf verloren. Das Schlimmste, was Eltern passieren kann, war eingetreten, denn eigentlich ist doch der Plan jedes Elternteils, seine Kinder aufwachsen zu sehen.
Auch Christa Meuter musste mit dem Verlust einer Tochter zu leben lernen: Kims Geburtstag wird in der Familie mit ihrer Leibspeise als Festessen weiterhin gefeiert. In diesem Jahr hat sich ihre Mutter Kinderbilder angeschaut, um daraus ein Kaleidoskop an Erinnerungen zusammenzustellen – und sich fast ein bisschen vor den Emotionen gefürchtet, die auftauchen könnten, zumal die Pandemie verhinderte, dass die Familie zusammenkam. „Wir haben uns per Video getroffen und gemeinsam gegessen, und das tat gut.“
Teil eines bundesweiten Netzwerks
Christa Meuter und Tanja Zielke sind nicht nur vom Tod eines Kindes erschütterte Eltern. Sie leiten auch die Waldbröler Selbsthilfegruppe „Leben ohne dich“, die Teil eines bundesweiten Netzwerks von Regionalgruppen unter dem Dach des Vereins „Leben ohne dich“ und des Paritätischen ist. Christa Meuter ist zudem ausgebildete Trauerbegleiterin und sehr froh, dass die Treffen an jedem dritten Dienstag im Monat auch in Zeiten der Kontaktbeschränkungen zunächst weitergehen durften.
„Die Evangelische Kirchengemeinde in Waldbröl stellt uns das Gemeindehaus zur Verfügung. Da allen im Team klar war, dass Selbsthilfe enorm wichtig ist, durften wir weiter Treffen anbieten“, sagt sie. Jetzt allerdings, so ergänzt Tanja Zielke, werde gerade neu überlegt, wie diese Treffen stattfinden können. „Wir werden wohl auf digitale Möglichkeiten, auf Kontakt über WhatsApp und das Telefon ausweichen“, kündigt sie an.
Acht bis zwölf Teilnehmer finden regelmäßig den Weg zur 2014 gegründeten Gruppe. Darunter auch Ehepaare wie Britta und Roland, die beim Anzünden der Kerze um ihren Sohn Kevin trauern und im Austausch mit den anderen zugeben, dass nicht nur der erste Schmerz nach dem Tod des Kindes furchtbar ist, sondern auch die Erkenntnis, dass dieser Schmerz irgendwann nachlässt.
„Ich will diesen Schmerz zurück. Er gehört doch zu meinem Kind“, sagt Britta, und die anderen Eltern nicken: Sie kennen diese paradoxe Situation, in der man steckt, wenn man das Gefühl hat, das Kind entschwindet mit dem Nachlassen der Trauer und der Rückkehr der Lebensfreude. So berichtet Tanja Zielke: „Ich konnte Hanna jetzt ein Stückchen gehen lassen, doch es gibt immer wieder Tage, die grauenhaft sind.“
Ein Raum für Verständnis und Mitgefühl
Das ist es, was die Treffen ausmacht. Es fließen viele Tränen. Manchmal, wie im Fall von Lilli, die ihre Tochter Lorraine betrauert, braucht es viel Zeit, um Worte zu finden. Doch immer ist da auch dieses Nicken im Raum, das Ausredenlassen, das Verständnis und Mitgefühl der anderen. Und die Hilfe, die aus den gleichen Erfahrungen resultiert.
Horst Rau hat seine Tochter Stephanie vor 16 Jahren loslassen müssen. Er sagt, dass es ein schreckliches Gefühl sei, wenn einem die Zukunft mit seinem Kind genommen wird: „Doch in dieser Gruppe erhalten wir Hilfe zur Selbsthilfe von inspirierenden Menschen.“ Wenn Außenstehende ungeduldig werden, weil „es doch jetzt auch mal gut sein muss“, wissen die Teilnehmer der Gruppe, dass Trauer Zeit braucht. Dass sie so individuell ist, wie jeder Einzelne, der sich hier mitteilt. So sagt Andrea, sie habe fast unmittelbar nach Pascals Tod den Kontakt zur Gruppe gesucht, Lilli indes brauchte mehr als ein Jahr, um die Kraft dafür zu finden.
Auch außerhalb der Stunden im Gemeindehaus trifft sich die Gruppe zu Aktivitäten, es finden Gedenkgottesdienste statt. Geschwister können seit 2018 in Kierspe bei der „Leben ohne dich“-Gruppe Unterstützung finden, denn, so sagt Christa Meuter: „Sie brauchen ganz eigene Schutzräume.“
Informationen gibt es bei Christa Meuter unter (0 22 62) 71 21 70 oder Horst Rau unter (0 22 61) 97 81 70.www.leben-ohne-dich.de