Das Thema Ausbildung wird auch in den Rathäusern im Oberbergischen Kreis immer wichtiger. Wir haben uns in einigen umgehört.
Bewerbungsverfahren laufenDie Verwaltungen in Oberberg brauchen dringend Nachwuchs
Die Marktstadt möchte mehr Menschen locken, mit touristischen Zielen und Angeboten sowie neuen Veranstaltungen will sie sich attraktiver machen. Solche Aufgaben legt Waldbröls Bürgermeisterin Larissa Weber am 1. August in die Hände einer jungen Frau: Denn zum ersten Mal hat die Stadt eine Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit eingerichtet. „Wir dürfen nicht immer nur auf den Wandertourismus setzen“, betont Weber.
Die Stadt Waldbröl ist eine der größten Ausbildungsstätten
Weil aber die angehende Fachkraft im Rathaus die Stadt in- und auswendig kennenlernen soll, hat sich die Verwaltung entschlossen, die Ausbildung – trotz des großen Aufwands dahinter – selbst in die Hand zu nehmen – in Kooperation mit der Nachbargemeinde Windeck und der „Wir für Waldbröl“-GmbH. Mit den Verwaltungen der Stadt Wiehl und des Oberbergischen Kreises ist Waldbröls Rathaus eine der größten kommunalen Ausbildungsstätten, die zudem Teil dualer Bachelor-Studiengänge sind. Doch auch dort ist der Mangel an geeigneten Bewerbern angekommen. Zurzeit laufen die Bewerbungen, Auswahlrunden sind gestartet.
„Für uns zahlt es sich jedoch aus, dass wir jährlich auch viele Praktika vergeben“, sagt Weber. „Viele unserer Azubis haben vorher bei uns hineingeschnuppert, da hat sich der Aufwand dann also gelohnt.“ In den Jahren 2021 und 2022 haben ihren Angaben zufolge 70 Jugendliche dies getan. Auch Tim Hoffmann hat während seiner Schulzeit ein Praktikum im Bürgerdorf absolviert. Jetzt ist der 18-Jährige der erste Azubi, der in Waldbröl das Handwerk des Fachinformatikers für Systemintegration erlernt. „Ich habe immer viel am und mit dem Computer gearbeitet“, erklärt der Waldbröler. „Nun ist es mein Ziel, hier in der Stadt die Digitalisierung voranzubringen.“
EDV-Mann Marius Simon verantwortet die Ausbildung. Diese einzurichten sei dringend notwendig gewesen. „Im ländlichen Raum bietet der Arbeitsmarkt kaum Nachwuchs.“ So werde Tim Hoffmann nicht nur im eigentlichen Beruf geschult, sondern zudem mit den Arbeitsprozessen und den Abläufen in einer Verwaltung vertraut gemacht. „Das spricht klar für die Ausbildung im eigenen Haus“, urteilt Simon. Und das hat auch die Gemeinde Morsbach erkannt. Dort beginnt im August ebenfalls eine Ausbildung in eben diesem Beruf.
„Wie schwierig Nachbesetzungen – insbesondere im IT-Bereich – sind, haben wir bereits erfahren müssen“, sagt Bürgermeister Jörg Bukowski. „Daher wollen wir einen eigenen Auszubildenden anlernen.“ Für eine kleine Verwaltung sei das ein Kraftakt – „auch, weil sich immer eine Kollegin oder ein Kollege bereiterklären muss, die Qualifikation dafür zu erwerben“.
Oft ist die Suche nach geeigneten Azubis mühsam
Aber auch die Auswahl der Kandidaten ist mühsam. Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius: „Die Leistungen der Bewerber lassen im Auswahltest trotz befriedigender bis guter Zeugnisse seit Jahren nach.“ Meist bleibe nach Test und Auswahlgespräch nur eine Person übrig, die geeignet erscheine.
Aber auch dann sei längst nicht alles in trockenen Tüchern, ergänzt Marienheides Bürgermeister Stefan Meisenberg: „Uns hat zuletzt die Kandidatin kurzfristig abgesagt.“ Meisenberg fasst zusammen, was Auswahlrunden so schwierig macht: „Weniger Bewerber, unvorbereitete Bewerber, weniger qualifizierte Bewerber.“ Ähnliches ist aus der Gemeinde Reichshof zu hören: „Wir hatten zuletzt elf Bewerbungen und haben acht Einladungen zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen“, sagt dort Rathaussprecherin Ursula Valbert. „Aber nur vier davon wurden wahrgenommen.“
Verstehen können das Felix Becher und Tom Müller in Waldbröl nicht: Die beiden befinden sich im vierten Semester eines Dualen Studiums zum Bachelor of Laws in der Stadtverwaltung und an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Köln-Kalk. „Zum einen möchte ich einen Beruf erlernen, der mir später Sicherheit bietet“, sagt der 19-jährige Becher. „Zum anderen möchte ich dazu beitragen, dass sich meine Heimatstadt weiterentwickelt.“ Sein Ziel sei es, von der Verwaltung übernommen und dort dann im Fachbereich Bauen eingesetzt zu werden. Müller (20) will dagegen in der Kämmerei arbeiten.
Ein so klares Ziel haben offenbar die wenigsten Schulabgänger vor Augen. Besonders in den vergangenen Jahren habe sich die Beschäftigung mit dem späteren Beruf verändert, so die Beobachtung des Wiehler Stadtsprechers Volker Dick. „Es zeigt sich, dass sich echtes Interesse an einer Ausbildungsstelle erst in den letzten drei Monaten vor dem möglichen Beginn einer Ausbildung entwickelt.“ Bislang sei die Stadt Wiehl aber immer in der Lage gewesen, offene Ausbildungsplätze „mit guten und vielversprechenden jungen Menschen zu besetzen“.
Diese Berufe und Ausbildungsgänge werden angeboten
Oberbergischer Kreis: Verwaltungswirt/in, Vermessungstechniker/in, Fachinformatiker/in Fachrichtung Systemintegration, Notfallsanitäter/in, Bachelor of Laws im Kommunalen Verwaltungsdienst (Duales Studium), Bachelor of Arts in der Verwaltungsinformatik sowie in der Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre sowie „Soziale Arbeit“ (jeweils Duales Studium).
Bergneustadt: Bachelor of Laws im allgemeinen Verwaltungsdienst (Duales Studium).
Engelskirchen: Informatikkaufleute, Fachinformatiker/innen für Systemintegration, Verwaltungsfachangestellte.
Gummersbach: Verwaltungswirte, Bachelor of Laws im allgemeinen Verwaltungsdienst (Duales Studium), Praxisintegrierte Ausbildung zur/zum Erzieher/in (Fortsetzung zurzeit allerdings ungewiss).
Marienheide: Verwaltungsfachangestellte, Bachelor of Laws im allgemeinen Verwaltungsdienst (Duales Studium).
Morsbach: Verwaltungsfachangestellte, Verwaltungswirte, Fachinformatiker/in Fachrichtung Systemintegration.
Nümbrecht: Verwaltungsfachangestellte, Kaufleute für Tourismus und Freizeit (wird nur alle drei Jahre besetzt).
Reichshof: Verwaltungsfachangestellte.
Waldbröl: Verwaltungsfachangestellte, Bachelor of Laws im allgemeinen Verwaltungsdienst (Duales Studium), Bachelor of Arts (verschiedene Schwerpunkte, Duales Studium), Fachinformatiker/in, Straßenwärter/in, Garten- und Landschaftsbauer/in, Kaufleute für Tourismus und Freizeit.
Wiehl: Bachelor of Laws im allgemeinen Verwaltungsdienst (Duales Studium), Verwaltungsfachangestellte, Straßenwärter/in, Gärtner/in der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau, Praxisintegrierte Ausbildung zur/zum Erzieher/in. (höh)