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VolkstraktorenwerkeWaldbröl sollte einst eine Großstadt werden

Lesezeit 4 Minuten
Eine Ansicht der Waldbröler Ortschaft Rossenbach.

Von der Idylle der Ortschaft Rossenbach wäre nach der Umsetzung von Leys Plänen nichts mehr übrig geblieben.

Vor 25 Jahren wurden Robert Leys Pläne für die „Stadt der Volkstraktorenwerke“ in Waldbröl dokumentiert.

Was bei den meisten Menschen heutzutage ein verständnisloses Kopfschütteln über dieses Maß an absurdem Größenwahn auslösen würde, war ihm selbst, Dr. Robert Ley, bitterernst. Waldbröl sollte die größte Stadt zwischen Köln und Kassel werden, 100.000 Einwohner zählen. Diese sollten in überdimensionierten Wohnvierteln in Büscherhof, Baumen, Boxberg, Hahn und Diezenkausen leben, während das Ortszentrum den Großbauten vorbehalten blieb: dem Kraft-durch-Freude-Hotel und der Adolf-Hitler-Schule.

Rathaus, Parteigebäude, Bank, Oper, Schauspielhaus, Kunsthalle und mehr würden um einen Marktplatz mit ausgehenden Prachtstraßen gruppiert. Per Vollbahn und mit zwei Autobahnbindungen sollte Waldbröl erschlossen werden und – ach, ja – eine U-Bahn war auch noch vorgesehen.

Auf dem Boxberg sollten Kasernen entstehen

Die Gerbereien, zu jener Zeit noch prägend für die wirtschaftliche Kraft Waldbröls, sollten verschwinden und die meisten Landwirte gleich mit den Gerbern, sie sollten im Elsass und in Lothringen große Ackerflächen bewirtschaften, damit das gigantischste Projekt zur Industrialisierung Waldbröls, die „Volkstraktorenwerke“, im Bröltal um Rossenbach hochgezogen werden konnte. Auf der anderen Seite der Stadt, auf dem Boxberg, sollten große Kasernen errichtet werden, die erste für die Waffen-SS. „Das bringt Blutauffrischung, das sind wir unseren jungen Mädchen schuldig. Der Verwandtschaftskram muss aufhören.“

Das sind Zitate von Dr. Robert Ley, dem aus Nümbrecht-Mildsiefen stammenden Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Leiter der Deutschen Arbeitsfront. Er bezeichnete es als „Herzenssache, für Waldbröl etwas zu tun“. Er, der er aus kleinen Verhältnissen herausgekommen sei, aus „Mildsiefen über Waldbröl, das war ein weiter Weg“. Dafür sei er dankbar, denn sonst sei er „größenwahnsinnig geworden“. In solchen Reden, wie er sie im Saal Althoff hielt oder auch in schriftlichen Aufzeichnungen hinterließ, hat er sich selbst unfreiwillig deutlich charakterisiert – aber in seinem Größenwahn hielt ihn auch kaum jemand auf.

Albert Speer sollte Vollmachten für den Umbau Waldbröls erhalten

Wie Bayreuth die Richard-Wagner-Stadt sei, so werde Waldbröl die Stadt der Volkstraktorenwerke sein und ihn, Ley, in ewigem Gedenken behalten. Sein Ansinnen, die Volkstraktorenwerke in Waldbröl aus dem Boden zu stampfen, stieß dabei zunächst sogar auf Widerstand. Ferdinand Porsche als Erfinder des „Volkstraktors“ hatte 1939 erwogen, die Produktion in Braunschweig und damit in der Nähe des Wolfsburger Volkswagenwerkes aufzubauen, während Ley in anderem Dimensionen dachte und Hitler auf seine Seite brachte.

Der „Führer“ verfügte 1940 zudem in einem Erlass, dass Generalbauinspektor Albert Speer erweiterte Vollmachten für den Aus- und Umbau Waldbröls bekommen sollte. Gegenüber Hitlers Visionen von „Führer-Städten“ oder Gau-Hauptstädten, nahmen sich Leys Pläne für Waldbröl sogar noch vergleichsweise bescheiden aus.

Ein altes schwarz-weißes Foto: Ferdinand Porsche schenkt Robert Ley einen „Volkstraktor“.

Ferdinand Porsche schenkte Robert Ley einen „Volkstraktor“.

1941 setzte Ley, der die Oberaufsicht über die Waldbröler Planungen besaß, den aus Bröl stammenden Geschäftsführer der Deutschen Arbeitsfront, Otto Marrenbach, als „Beauftragten vor Ort“ ein, ebenso dessen Bruder Fritz Marrenbach, der zum „Kreisleiter von Gummersbach“ aufgestiegen war. Seinen eigenen Bruder, Ernst Ley, setzte Robert Ley zum geschäftsführenden Büroleiter der von Otto Marrenbach in Waldbröl errichteten Volkstraktorenwerk-Dienststelle ein.

Nicht nur gegenüber der eigenen Verwandtschaft, sondern auch gegenüber den Grundstückseigentümern im Bröltal zeigten sich die Nazi-Granden großzügig, für den Ankauf wurden in der Regel 30 Prozent über Wert bezahlt. So hatte die Deutsche Arbeitsfront bis 1944 rund 350 Hektar Land, darunter 100 bebaute Grundstücke, sowie mehr als 100 Hektar an Forstflächen erworben, das Ganze überwiegend in Rossenbach und Niederhausen.

Die Umsiedlung der Bauern nach Elsass-Lothringen wurde durch den Verlauf des Krieges gestoppt, im September 1944 dann endgültig auch jegliche Planung für die „neue Stadt Waldbröl“. Pläne, Modelle oder Fotografien sind heute nicht bekannt und vermutlich auch nicht erhalten.

Dass die Planungen und Großbauten der Deutschen Arbeitsfront in Waldbröl jedoch so umfassend dokumentiert sind, ist im Wesentlichen Birgit Rosendahl zu verdanken. Als Studentin der Kunstgeschichte, der Historischen Geografie und der Klassischen Archäologie an der Uni Bonn recherchierte sie zum Thema und verfasste vor 25 Jahren ihre Magisterarbeit. Diese wurde nicht nur sehr gut bewertet, sondern mit Unterstützung der Kulturstiftung Oberberg in Buchform unter dem Titel „Die Stadt der Volkstraktorenwerke – Eine Stadtutopie im Dritten Reich“ im Wiehler Martina-Galunder-Verlag veröffentlicht.