AboAbonnieren

Kirchensynode in GummersbachSuperintendent macht Mut zum „Aufstehen“

Lesezeit 4 Minuten

Der frühere Bischof Jochen Bohl gehörte am Samstag zu den Gästen der Herbstsynode in Dieringhausen.

Gummersbach – Wenn das so einfach wäre: Den Glauben so leben, wie es einem gerade guttut, also vergnügt, erlöst, befreit. Dieser Aufgabe diene alle Arbeit der Kirche, betonte Michael Braun, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises An der Agger, und forderte die Teilnehmenden der Herbstsynode auf, diese Freiheit, den Glauben, zu leben. Mit dem einfachen Wort hatte Braun seine Eröffnungsrede zur Synode, die am Freitagabend und am Samstag in Gummersbach-Dieringhausen stattfand, betitelt.

Aufzustehen, das ist in der Zeit massiver Kirchenaustritte durchaus eine Herausforderung. Denn groß sei die Versuchung, dies tatenlos hinzunehmen und schließlich der Depression ob dieser schweren Situation anheimzufallen. So formulierte es Gastredner Jochen Bohl, zuletzt – von 2004 bis 2015 – war der heute 72-Jährige Bischof der sächsischen Landeskirche.

Ehemaliger Bischof warnt vor einer Überforderung

In seinem jüngsten Buch fragt er die Kirche „Was nun?“ und skizziert deren Wandel im 20. Jahrhundert bis heute. Manchem Gläubigen, so Bohl, lägen die Austritte wie ein Schatten auf der Seele, er selbst empfinde sie als Schmerz. „Denn alleine Christus nachzuspüren, das ist ein Ding der Unmöglichkeit, christliches Leben ist auf Gemeinschaft angewiesen.“ Und das finde in den Gemeinden statt, dort entfalte sich das kirchliche Leben zuerst.

Für Bedürftige

Eine Summe von rund 50 000 Euro überweist der Evangelische Kirchenkreis An der Agger an seine 24 Gemeinden mit dem Auftrag, dieses Geld an Bedürftige als Zuschuss für steigende Energiekosten auszuzahlen. Die Summe selbst ist dem Kirchenkreis als Energiepreispauschale im September zugegangen. Sollte dieser vorerst geschätzte Betrag nicht zustande kommen, will der Kirchenkreis in die eigene Kasse greifen, um bedürftige Gemeindemitglieder zu unterstützen.

Einstimmig beschlossen wurde von der Synode zudem der Haushalt für 2023 und 2024, damit bekommt der Kirchenkreis damit einen Doppelhaushalt. Und zum ersten Mal in seiner Geschichte fiel das Votum einstimmig. (höh)

Für die Einladung des früheren Bischofs musste sich der Kreissynodalvorstand indes Kritik anhören. Warum nicht jemand eingeladen worden sei, der sich nicht bereits seit Jahren im Ruhestand befinde, wollte etwa Pfarrer Hans-Georg Pflümer (Wiehl) wissen, und nannte Anna-Nicole Heinrich, die 26 Jahre alte Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Denn in der Einbindung junger Menschen und junger Familien sahen die Teilnehmenden einen wichtigen Baustein für die Zukunft.

Zudem wollte Pfarrerin Judith Krüger (ebenfalls Wiehl) vom Superintendenten wissen, wie sie der Aufforderung, den Glauben zu leben, ihn zu verbreiten, nachkommen solle, wenn sie sich doch um die Umsatzsteuer, Klimakonzepte für die Immobilien oder auch den Verkauf kirchlicher Gebäude kümmern müsse. Ebenso warnte Jochen Bohl vor einer ständigen Überforderung der Kirchengemeinden.

Superintendent Michael Braun verwies darauf, dass auch der Kirchenkreis arbeite wie eine Kreisverwaltung oder mindestens die einer Kommune: „Wir alle müssen schlanker werden, bevor in wenigen Jahren noch weniger werden.“

Neue „Stelle auf dem Markt“ auf den Weg gebracht

Unter diesem Zwang baut der Kirchenkreis bis 2030 zwei Drittel seiner eigenen Pfarrstellen ab, von heute neun Stellen soll es dann nur noch drei geben. Eine davon aber ist neu und wurde am Samstag mit breiter Mehrheit auf den Weg gebracht: „Stelle auf dem Markt“, so lautet der Arbeitstitel für diese zunächst auf fünf Jahre befristete Tätigkeit, die sich an Geistliche, Diakoninnen und Diakone, Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten richtet und eine offene Stelle, einen „Markt der Möglichkeiten“ beschreibt.

Damit begegne die Kirche den Menschen wieder auf Augenhöhe, urteilte Dr. Sascha Flüchter, Dezernatsleiter der Evangelischen Kirche im Rheinland. Und das müsse sie auch tun, forderte Flüchter und griff die Geschichte des St. Martin auf, der einst vor dem Bettler von seinem Pferd gestiegen war. „Christlich zu sein, bedeutet wahrhaft menschlich zu sein. In schwieriger Zeit ist das aber eine brennende Herausforderung.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Mut, diese anzugehen, machten der Synode auch der katholische Kreisdechant Christoph Bersch, Professor Dr. Friedrich Wilke als stellvertretender Landrat und Jürgen Marquardt, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Gummersbach. Marquardt: „Kirche ist die Heimat für Menschen, die gestalten und sich nicht gestalten lassen wollen.“ Ebenso forderte er dazu auf, „sich von der Jugend ermutigen zu lassen“.