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„Mehr Solawi braucht das Land“Auf Oberbergs solidarische Landwirte wartet viel Arbeit

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„Seht her, daraus wird Spinat, und ich mag ihn“, könnte Jonna (5) rufen, der mit Laila (9), Silas (7) und Mama Dr. Cora Pauly gerade die Setzlinge in die Erde bringt. 

Eiershagen – Diesen Spinat werden Laila (9), Silas (7) und Jonna (5) garantiert mögen, denn die Kinder von Dr. Cora Pauly haben das Gemüse selbst gepflanzt. Nebenan kommt Rukola in die Pflanzreihen, der Winterlauch daneben steht noch zur Ernte kräftig im Wuchs.

Dr. Cora Pauly, Tierärztin aus Waldbröl-Schnörringen, ist froh, dass sie mit zu den mittlerweile 130 Haushalten aus Reichshof, Nümbrecht, Waldbröl, Wiehl und Morsbach gehört, die sich mit „Solawi Oberberg“ beinahe selbst versorgen können. Solawi steht für Soldidarische Landwirtschaft, die Oberberg-Gruppe im Südkreis gibt es seit drei Jahren, die Bergische Solawi in Lindlar noch etwas länger.

Aus Kuhstall wird Hofdepot

Linda Wirth ist mit Mann und Kindern eine Frau der ersten Stunde bei Solawi Oberberg, die in Eiershagen einen ehemaligen Kuhstall zu einem Hofdepot umgebaut haben. Dort gibt es gerade frisch geerntete Austernseitlinge, die aus einem Projekt der Eckenhagener St. Antonius-Schule und der Gesamtschule stammen, es gibt Rote Bete und Möhren vom vorigen Jahr, die nach der Lagerung in einer traditionellen Sandmiete aussehen wie frisch geerntet, es gibt Äpfel von einer prämierten Streuobstwiese der Familie Thönes aus Ödinghausen und frischen Winterlauch von einem der beiden Eiershagener Äcker gleich nebenan.

Im Hofdepot werden Kartoffeln und Austernseitlinge abgewogen.

Fast ein Hektar groß ist diese Anbaufläche, die von Tim Vehlefeld verantwortlich betreut wird. Er ist studierter Landwirt und einer der wenigen Solawisti, die direkt in Eiershagen leben. „Die meisten kommen aus den umliegenden Dörfern“, sagt Lina Wirth, die in Wilkenroth wohnt.

Auch Fleisch im Angebot

Der Gedanke, der hinter Solawi steht, ist es nicht alleine, gesunde Lebensmittel zu erzeugen, sondern auch solidarisch füreinander einzuspringen, wenn es beispielsweise mal mit der Ernte nicht so klappt.

Kartoffeln etwa, die „Auf der Hardt“ in Nümbrecht von Stefan Schmidt und Helfern angebaut werden, sind so ein „problematischer Fall“, wie Lina Wirth berichtet. Ist die Ernte schlecht, wie vor zwei Jahren, springen die Solawisti unterstützend ein, kommt es zu einer guten Ernte, wie im vorigen Jahr, gibt es reichlich Kartoffeln für alle. Auch Fleisch ist im Angebot, wie Milch und Käse kommt es vom Hof, den Daniel Ufer in Bierenbachtal betreibt.

42 Gemüsearten

Neben dem Eiershagener Feldern stehen drei Foliengewächshäuser mit über 300 Quadratmetern Anbaufläche für die etwas empfindlicheren Gemüsesorten, wie beispielsweise Paprika. Allerdings, so Tim Vehlefeld, reichte eine Frostnacht vor gut einer Woche, um einigen der noch jungen Paprikasetzlinge zu schaden. „Mal sehen, ob sie durchkommen.“

Insgesamt sind es 42 Gemüsearten, die Solawi Oberberg anbaut, kultiviert und erntet. Jeweils im Herbst werden die Kontingente nebst Kosten festgelegt. So gibt es neben Obst, Gemüse und Kartoffeln zum Beispiel auch Honig aus der Bienenzucht von Heiko Neumann in Morsbach oder Nüsse und Beeren von Barbara Gennies aus Reichshof-Zimmerseifen.

„Heute werden wir nicht mehr belächelt“

Die braunen Hühner und ihr weißer Hahn in Eiershagen haben es dabei besonders gut: Ihnen steht ein mobiler Hühnerstall zur Verfügung, in dem sie schlafen, legen und brüten, ansonsten aber das ganze Jahr über draußen unterwegs sind, „echte“ Freilandhühner, deren Weide dank des mobilen Stalls tatsächlich wandert. Ein elektrifizierter Zaun hilft dabei, dass die Hühner nicht entweichen und schützt auch vor Mardern oder Füchsen.

Die braunen Eier, die mit dem Demeter-Siegel eines der strengsten Bio-Label tragen dürfen, kommen gleich frisch ins Hofdepot und werden dort frei verkauft, das heißt, keinem der nach Art und Menge vorgegebenen Ernteanteile zugeordnet.

Gut vernetzt

237 miteinander gut vernetzte Solawi-Gruppen und -Höfe gibt es mittlerweile in ganz Deutschland, mit Solawi Oberberg und der Bergischen Solawi gleich zwei im Oberbergischen Kreis. Sebastian Klein, Sprecher der im Juli 2017 in Reichshof-Fürken gegründeten Solawi Oberberg gehört nach wie vor dem Rat des Solawi-Netzwerkes auf Bundesebene an.

Obwohl das Motto der Solawisti „Lieber auf dem Acker als vor dem PC“ lauten könnte, verfügen fast alle Gliederungen der Gemeinschaft über gut gestaltete Internetauftritte. Neben Wissenswertem und Organisatorischem können dort beispielsweise auch Flächen angeboten werden, die sich für solidarische Landwirtschaft eignen. (mf)

www.solawi-oberberg.de

www.solidarische-landwirtschaft.org

Solawi, da sind sich Lina Wirth, Tim Vehlefeld und ihre Mitstreiter einig, funktioniert – ganz entgegen der im Vorfeld sowie im ersten Jahr geäußerten Bedenken aus der konventionellen Landwirtschaft. „Heute werden wir nicht mehr belächelt“, sagt Linda Wirth auch ein wenig stolz, tritt aber gleichzeitig auf die Werbebremse: „Im Moment können wir leider keine neuen Haushalte mehr aufnehmen, wir haben sogar eine Warteliste mit Interessenten.“

Ihr und den anderen wäre es dabei ohnehin lieber, es würden sich noch zusätzliche Solawi-Initiativen in der Gegend bilden, zumal ungebremstes Wachstum selten ein gutes Ende nimmt – aber: das ist eine andere Geschichte.