Verbrecher wurden hier gehenktUralte Reichshofer „Gerichtslinde“ muss gefällt werden
- Die Linde in Dreslingen ist uralt, womöglich bis zu 600 Jahre alt. Nun droht ihr Ende.
- Wir haben mit Besitzer Berthold Altwicker gesprochen und die Geschichte der „Gerichtslinde“ zurückverfolgt.
Reichshof-Dreslingen – „Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, fällt mein Blick zuallererst auf die Femelinde“, erzählt Berthold Altwicker aus der Reichshofer Ortschaft Dreslingen. „Ich hänge sehr an dem Baum, der gehört ja zum Dorf“, sagt er.
Doch jetzt sei die Standsicherheit akut gefährdet: „Das kann ich nicht mehr verantworten.“ Deshalb, so Altwicker als Eigentümer, soll die uralte Linde in den nächsten Tagen gefällt werden.
Das Ende einer langen, durchaus bewegten Geschichte: An ihrem Standplatz neben dem denkmalgeschützten Gefängnis war sie der Vollstreckungsort für zum Tode verurteilte Verbrecher, die an ihren Ästen gehängt wurden. Daher stammt der Name „Femlinde“ oder „Gerichtslinde“. Der Bruchsteinbau könnte auf den ersten Blick von Anfang des 18. Jahrhunderts stammen, wie an der nagelkopfbeschlagenen Eingangstür mit der Inschrift „Anno 1713“ zu lesen ist.
Aus Erzählungen seiner Vorfahren weiß Eigentümer Altwicker jedoch, dass sich die Jahreszahl lediglich auf den Einbau der „neuen“ Tür bezieht, der Bau selbst sei wesentlich älter. Gestützt wird diese Annahme durch die urkundliche Erstnennung des Dorfes 1467: „Die Linde zu Dreiselingen wird beim Grenzumgang erwähnt“ (Klaus Pampus, Gummersbach 1998). Danach wäre die Gerichtslinde jetzt rund 600 Jahre alt.
Inneres vom Baum vermodert
Im Laufe der Jahrhunderte vermoderte das Innere des aufgerissenen Stammes, sodass der Baum 1913 nach einem Sturmschaden mehrere Meter hoch mit insgesamt 3000 Ziegelsteinen ausgemauert wurde, um ihn zu stützen. Altwicker erinnert sich, dass in seiner Kindheit bei einem Sturm durch einen Blitzschlag wiederum die Hälfte der Linde abgebrochen sei. In den 1950er und 1960er Jahren habe es unter der ausladenden Krone viele Feste mit Musik und Tanz gegeben. Der Baum sei auch der Namensgeber für seine Gastwirtschaft „Zur Linde“.
Im Sommer 1979 stellte die Untere Naturschutzbehörde des Oberbergischen Kreises den Baum als Naturdenkmal unter Schutz, den sie jedoch schon 1987 nach einem Baumgutachten wieder zurücknahm, das die Linde nicht mehr als auf Dauer erhaltungsfähig klassifizierte. Der Baum sei so etwas wie eine „Intensivstation“. Er sei innen so morsch, dass menschliche Maßnahmen die Statik nicht mehr sichern könnten und fiele nun mit allen Rechten und Pflichten wieder in die Obhut und Betreuung des Eigentümers zurück. Altwicker könne ihn eingehen oder fällen lassen.
Dieses Todesurteil wollte der „Lindenwirt“ nicht gelten lassen: Gemeinsam mit dem Heimat- und Verschönerungsverein Denklingen wurde der Baum im Frühjahr 1988 mit Motorsäge und einem Mobilkran auf eine Höhe von zehn Metern gestutzt und die Schnittflächen fachgerecht mit Baumwachs versiegelt.
„Ich muss alte Bäume um mich haben – die gehören nicht nur in den Wald“, meint der heute 80-Jährige. Doch in den letzten Jahren habe sich der Zustand des Baumes weiter verschlechtert: „Ich habe die Linde weitere 30 Jahre gehalten, doch ich bin in der Sicherungspflicht und kann das Risiko nicht mehr verantworten.“ Gerade wenn die Krone jetzt belaubt sei, könne sie beim nächsten Sturm umstürzen.