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Zehn Stunden durch OberbergVon der Odyssee des Notfall-Patienten Torsten Schröder

Lesezeit 4 Minuten

Gedränge herrschte am Tag vor Silvester nicht nur in den verbliebenen Arztpraxen. Auch die eigens früher geöffneten Notfallpraxen an den Krankenhäusern erlebten einen enormen Ansturm.

  1. Torsten Schröder hatte sich den Tag vor Silvester sicherlich anders vorgestellt.
  2. Auf der Suche nach ärztlicher Hilfe erlebte der 44-Jährige aus Reichshof-Borner eine zehnstündige Odyssee zwischen mehreren Anlaufstellen.
  3. Ein Protokoll seiner Geschichte.

Oberberg – Es gibt Tage, da kommt alles zusammen, was man überhaupt nicht gebrauchen kann. Der 30. Dezember war so ein Tag für Torsten Schröder – und für etliche andere, die kurz vor dem Jahreswechsel von einem heftigen grippalen Infekt außer Gefecht gesetzt wurden. Auf der Suche nach ärztlicher Hilfe erlebte der 44-Jährige aus Reichshof-Borner eine zehnstündige Odyssee zwischen der Praxis seines Hausarztes, der zentralen Anlaufstelle für den hausärztlichen Notdienst in Duisburg und den Notarztpraxen an den Krankenhäusern in Gummersbach und Waldbröl.

Sein Fazit des Horrortages: „Das mittlerweile kaputtgesparte Gesundheitssystem ist im Oberbergischen angekommen. Ich hatte nur eine Bronchitis; wie sich jemand fühlt, der dort mit starken Schmerzen sitzt oder Kinder zur Behandlung mitbringt, will ich mir nicht ausmalen müssen.“ So ist es Torsten Schröder ergangen:

Kurz vor 8 Uhr

Schröder ruft seinen Hausarzt an. Der ist selbst krank und rät – weil wegen des bevorstehenden Jahreswechsels viele Praxen geschlossen seien – Schröder solle nach Waldbröl oder Gummersbach fahren, die Notfallpraxen dort hätten ab 10 bzw. 13 Uhr geöffnet.

8.30 Uhr

Schröder will die Informationen verifizieren, auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung sind die Öffnungszeiten für beide Notfallpraxen mit 19 Uhr angegeben. Schröder wählt die Zentrale des ärztlichen Notdiensts unter 116 117 an und erfährt nach 25 Minuten in der Warteschleife, dass man ihm keine Auskunft geben könne, weil er zu den regulären Sprechzeiten der Arztpraxen anrufe. Er solle sich nach einem anderen Allgemeinmediziner umsehen.

10.15 Uhr

Nach telefonischer Anfrage im Krankenhaus Waldbröl, wann die Notarztpraxis geöffnet habe, trifft Schröder dort ein und zählt 40 wartende Patienten, die mangels genügender Sitzgelegenheiten im Stehen darauf warten zum Arzt vorgelassen zu werden. Schröder fährt nach Hause und legt sich ins Bett.

13.30 Uhr

In der Annahme, die Notfallpraxis am Krankenhaus Gummersbach sei erst ab 13 Uhr geöffnet, startet Schröder Richtung Kreisstadt und trifft auf denselben Andrang wie in Waldbröl. Andere Kranken erzählen, sie warteten schon seit 10 Uhr, alles gehe nur sehr schleppend. 52 Wartende habe man am Anfang gezählt.

17 Uhr

Ein Patient erzählt in Gummersbach, er sei gerade im Krankenhaus Waldbröl gewesen, dort säßen immer noch Patienten, die seit 11 Uhr schon warteten.

18.15 Uhr

Schröder wird ins Behandlungszimmer gesetzt. „Behandelt worden bin ich gut und kompetent. Aber der Arzt tat mir leid; der war nach diesem Behandlungsmarathon so gut wie ,durch’.“

18.30 Uhr

Schröder verlässt das Krankenhaus und zählt beim Rausgehen noch 20 wartende Patienten.

Zu wenig Informationen für Patienten

„Der Mann hat mit allen Schilderungen recht“, sagt Dr. Renate Krug-Peltier, die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Oberberg. Geplant gewesen sei dieser Tag völlig anders: In Erwartung, dass es am 30. Januar, einem Montag und ganz normalen Werktag vor Silvester, auch 2019 zu einem erhöhten Patientenaufkommen kommen würde, hatte die KV schon früh entschieden, die Notfallpraxen an den Krankenhäusern nicht erst nach Feierabend sondern bereits tagsüber zu öffnen. Auch der Fahrdienst sei im Einsatz gewesen – als zusätzlichen Service parallel zu den an diesem Werktag geöffneten Praxen.

Nur dort, so Krug-Peltier, hatte der Erkältungsvirus genauso zugeschlagen wie unter den Patienten. Torsten Schröders Hausarzt hatte es ebenso erwischt wie eine Reihe seiner Kollegen. Die Kombination von erkrankten Ärzten und ungewöhnlich großem Patientenansturm hätten den 30. Dezember zu einem Ausnahmetag gemacht. Trotzdem, so Krug-Peltier, werde man innerhalb der KV Oberberg überlegen, ob man solche Dienste künftig nicht besser doppelt besetze.

Mit den Verantwortlichen der Notdienstnummer 116 117 will die KV in jedem Fall Rücksprache nehmen: „Dort hätte man Herrn Schröder ausdrücklich an die anderen Hausarztpraxen verweisen können und die aktuellen Öffnungszeiten der Notfallpraxen für diesen Tag nennen müssen.“

Mit Torsten Schröders Erlaubnis hatten wir seine schriftliche Schilderung des 30. Dezember an die KV Oberberg weitergeleitet. Die Reaktion darauf verzögerte sich: Die Mitarbeiterin der KV-Geschäftsstelle ist dem Jahreswechsel erkrankt, und der KV-Vorsitzenden erging es zum Jahreswechsel nicht anders. Sie war ebenfalls heftig erkältet „und in den Tagen dreimal beim HNO-Kollegen“.