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Nager breiten sich in Oberberg ausAm Niederrhein landen Nutrias schon auf der Speisekarte

Lesezeit 4 Minuten
Ein Nutria sitzt am Ufer eines Gewässers und hält seine Pfoten am Mund.

Nutrias breiten sich im Oberbergischen Kreis immer weiter aus.

Der Stausee in Engelskirchen-Osberghausen oder das Ufer der Dörspe bei Derschlag sind echte Tummelplätze für Nutrias. Oberbergs Jäger nehmen sie daher aufs Korn, doch in den Kochtopf, wie am Niederrhein, kommen sie hierzulande noch nicht.

Als er davon gehört habe, sei er schlagartig – aber nur kurz – Vegetarier geworden, sagt Axel Blüm und schüttelt sich. Denn einen argen Feind des Aggerverbands in die Pfanne zu hauen oder auf dem Grillrost zu brutzeln, das käme dem Verbandssprecher dann doch nicht in den Sinn. Tatsächlich aber gibt es am Niederrhein seit September Kurse zur schmackhaften Zubereitung der Nutria. Dort hat sich dieser Nager so stark vermehrt, dass ihn Jägerinnen und Jäger aufs Korn nehmen, um Schäden zu verhindern.

Eine solche Plage droht dem Oberbergischen Kreis ebenso, Axel Blüm ist in großer Sorge: „Der Stausee in Engelskirchen-Osberghausen oder das Ufer der Dörspe bei Derschlag, das sind echte Tummelplätze der Nutria.“ An der Dörspe untersagen Schilder bereits das Füttern der Tiere. „Aber das wird ignoriert“, schimpft Blüm.

Der See liegt links im Bild, um den See stehen viele herbstliche Bäume.

Das Ufer des Stausees in Osberghausen ist ein beliebter Tummelplatz der Nutria.

Die vermeintlich possierlichen Nutria, auch Biberratte oder Sumpfbiber, sind gefährlich, weil sie gerne buddeln und lange Tunnelsysteme graben, die das Gelände unsicher machen und Bauwerke durchaus ins Wackeln bringen können. „Zum Beispiel Rückhaltebecken und Staubereiche, die dem Schutz gegen Hochwasser dienen“, sagt Axel Blüm. Und würden neue Retentionsflächen geschaffen, so sei das leider wie eine schriftliche Einladung, ergänzt er. „Dafür wird der Boden entsteint, sodass die Nutria schön wühlen kann.“

Im Kampf gegen den unerwünschten Gast aus Südamerika setzt der Aggerverband auf die Arbeit von Schädlingsbekämpfern, aber noch nicht auf die Treffsicherheit von Oberbergs Jägerinnen und Jägern. Die legt aber immer öfter auf die Nutria an: Im Jagdjahr 2021/2022 wurden nach Angaben von Oliver Sadowski, stellvertretender Kreisjagdberater, 55 Nutria und vier Bisamratten zur Strecke gebracht. „Landesweit steigen die Zahlen sehr deutlich“, berichtet der Reichshofer.

In Oberbeg will noch niemand Nutrias kochen oder grillen

Wurden in der Jagdzeit 2020/2021 landesweit fast 27.7000 Nutria erlegt, so waren es 2015/2016 nach seinen Angaben dagegen keine 8600. Bisher werden die getöteten Tiere offenbar entsorgt. Kochen, braten oder grillen will sie noch niemand. „Tatsächlich habe ich mal vor bestimmt 40 Jahren in Köln mal Nutria gegessen“, berichtet Günter Allmann, Inhaber des Restaurants Ballebäuschen in Reichshof-Hespert, und erinnert sich an „ein mildes Wildaroma wie Hase“.

Schmackhaft gemacht worden sei ihm die Nutria von einer Delikatessenhändlerin übrigens als Wasserkaninchen. „Das war okay, aber eben nicht das beste Wildfleisch.“ Auf die Karte setzen werde er Nutria wohl nicht, dafür sei die Hemmschwelle bei seinen Gästen wohl zu groß, ahnt Allmann. „Man müsste da sehr, sehr viel Aufklärung leisten.“ Die niederrheinische Idee, den Schädling einfach aufzuessen, finde er aber gut.

An einem Zaun hängt ein Schild mit der Aufschrift „Tiere bitte nicht füttern!“.

An der Dörspe zwischen Derschlag und Bergneustadt verbieten Schilder das Füttern von Tieren wie eben dem Nager. Doch das wird offenbar gerne ignoriert.

Allmanns Kollege Marcus Tomasetti winkt ebenfalls ab, auch in der Bergneustädter „Feste Neustadt“ kommt die Nutria nicht auf den Tisch. „Wir haben Wild und vor allem Hirsch auf der Karte, das reicht“, findet der Koch. Im Privaten würde er sich auf diesen Gaumenkitzel durchaus einlassen und mal in Nutria beißen. „Probiert habe ich dieses Fleisch bisher noch nicht.“

Während Axel Blüm beim Aggerverband in Gummersbach von großem Nagerärger spricht, ist Ilona Weyer beim Wupperverband entspannter. „Wir haben an unseren Anlagen in Oberberg noch keine Nutria-Schäden festgestellt“, schildert sie. Gleichwohl nehme der Wuppertaler Verband diese Gefahr sehr ernst. „Sollten die Winter weiterhin milder werden, fürchten wir größere Nutria-Ansiedlungen, weil sich die Tiere dann noch stärker vermehren als bisher.“


So kam die Nutria das erste Mal auf den Tisch

Jüngst hat die Kreisjägerschaft Neuss zum ersten Mal Nutria serviert und zu einem Kochkurs in den „Strümper Hof“ nach Meerbusch eingeladen. „23 haben mitgekocht“, sagt Birgit Jansen von der Kreisjägerschaft, die Organisatorin. „Und weil der Kurs so gut ankommt, gibt es am 17. Januar den nächsten.“

Das Prinzip der Nachhaltigkeit habe sie auf die Idee gebracht, verrät Jansen. Am Niederrhein gibt es für jedes erlegte Tier eine „Schwanzprämie“. Sie erklärt: „Ein Stück vom Schwanz wird abgetrennt und eingeschickt, dafür gibt es Geld.“ Der Rest des Tieres aber werde entsorgt. „Nutria ernähren sich vegetarisch und sind ein Wildtier – warum sie also nicht zubereiten?“ Das sei eben nachhaltig und regional überdies. „Das Fleisch ist rötlich und erinnert an Hase oder Spanferkel.“ Das Naserümpfen vieler störe sie nicht, sagt Birgit Jansen. „Aber man darf beim Essen auch nicht zu sehr an Ratten denken.“

Gejagt werden darf die Nutria in Oberberg sowohl mit der Flinte als auch mit Lebendfallen. Wer Fallen aufstellen will, benötigt aber eine besondere Ausbildung und die Genehmigung aus dem Kreishaus. „Da die Nutria als invasive Art eingeschätzt wird, gibt es die in den meisten Fällen“, führt Sprecherin Iris Trespe aus. Leben in dem betreffenden Revier keine Biber, so Trespe weiter, dürften dort sogar Totschlagfallen verwendet werden. (höh)