- Wegen Corona zieht es immer mehr Menschen und ihre Hunde in den Wald
- Das ist eine Gefahr für die Rehkitze, die seitdem öfter von Hunden angegriffen werden
- Die Jungtiere leben ohnehin gefährlich : Weil sie in den Wiesen kaum zu sehen sind, geraten sie oft in die Mähdrescher der Bauern
- Um das zu verhindern, gibt es seit Mai 2019 die Kitzretter-Initiative
- Die hat durch das neue Hunde-Problem jetzt noch mehr zu tun
Oberberg – Die Kitzretter schlagen Alarm: Viele junge Rehe würden in Oberbergs Wäldern derzeit das Opfer freilaufender Hunde. „Wir bekommen immer mehr Anrufe von Menschen, die ein verletztes oder getötetes Tier entdeckt haben“, berichtet Angelika Bonsch aus Drabenderhöhe. Sie hat die Kitzretter-Initiative im Mai vergangenen Jahres gestartet, seither haben sich ihr mehr als 80 Tierfreunde angeschlossen. Und die haben nicht mehr nur alle Hände voll damit zu tun, Rehkitze von Wiesen und Weiden zu retten, bevor diese gemäht werden. Immer öfter werden die Retter auch zu Hilfe gerufen, wenn ein Jungtier zu Schaden gekommen ist.
Wegen Corona sind mehr Menschen und Hunde in den Wäldern
„Es frustrierend, wenn wir Kitze retten können – in diesem Jahr waren es schon fast 30 – und zugleich werden junge Rehe von Hunden gerissen“, sagt Bonsch. Ein Grund sei wohl, dass es viele Menschen in den Zeiten der Corona-Krise ins Freie zieht.
Das bestätigt auch Baldur Neubauer, der Jagdberater des Oberbergischen Kreises. Er geht er davon aus, dass derzeit tatsächlich viele junge Wildtiere jeglicher Art („vom Hasen bis hin zum Vogel“) von Hunden getötet werden. „Zahlen gibt es nicht, weil diese Fälle meist nicht dokumentiert werden.“ Weil auf den Wegen kein Leinenzwang bestehe, sei es durchaus möglich, dass mancher Vierbeiner ausreißt und seinem Jagdtrieb gehorcht. „Deswegen sollten Hundebesitzer mindestens in der Brut- und Setzzeit das Tier anleinen“, betont Neubauer. Diese Zeit beginne im April und ende dann Mitte Juli.
Tierärzte entscheiden über Leben und Tod
Tatsächlich werden solche Fälle nur selten gemeldet, zum Beispiel dem Veterinäramt des Oberbergischen Kreises. „Die Zahl ist sehr überschaubar“, berichtet Kreissprecher Philipp Ising. „Viele Anrufer wollen uns leider weder ihren Namen, noch ihre Adresse mitteilen.“ Isings Erklärung für diese Scheu: „Am Ende könnte es ja zu einem Verfahren gegen den Hundebesitzer kommen – und dafür ist niemand gern der Auslöser.“ Er rät aber unbedingt zu einem Anruf bei der Behörde unter (02261) 88-39 00, allein um des leidenden Tieres Willen.
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Haben die Kitzretter ein verletztes Jungtier in ihre Obhut genommen, entscheidet ein Tierarzt über Leben und Tod. „Gibt es keine Hilfe mehr, wird das Kitz eingeschläfert“, schildert Angelika Bonsch. Kann es gesund gepflegt werden, vermittelt sie das Tier an eine qualifizierte Pflegestelle in Bergisch Gladbach oder Burscheid. Die Aufzucht eines Kitzes sei heikel. Sie warnt davor, ein Jungtier mit nach Hause zu nehmen, um es dort aufzupäppeln. „Kitze sollten nur mit unbehandelter Ziegenmilch getränkt werden“, nennt Bonsch nur einen Grund dafür. Ein Problem sei aber, dass jene Pflegestellen meist ausgelastet seien, „auch wegen der Kitze, die ein Hund gebissen hat“. Für zwei Tiere sucht sie derzeit Hilfe. „Noch steht nicht fest, ob beide durchkommen.“ Angelika Bonsch ist zu erreichen unter 0160/98 58 70 30.#
Reh aus Loch gerettet
Dass Jäger nicht nur Tiere schießen, sondern sich auch um Hege und Pflege kümmern, zeigt eine Rehrettung der besonderen Art, die sich auf dem Dannenberg ereignet hat. Im Marienheider Höhenort hörte am Donnerstag eine Spaziergängerin ein panisches Fiepen vom Osterfeuerplatz, ganz in der Nähe des Dorfhauses. Es stellte sich heraus, dass ein Kitz in Not geraten war.
Der örtliche Jäger Martin Altjohann wurde alarmiert, mit Unterstützung von Bernd Hebebrand und Rainer Berges eilte er zur Hilfe. Das Kitz war in ein knapp anderthalb Meter tiefes Loch gefallen. Dieses dient während der Osterfeuer als Halterung für große Tannen – und ist sonst mit einer massiven Betonplatte verschlossen. Unbekannte müssen diese entfernt haben, vermutet Altjohann. Dem wenige Wochen alten Kitz wurde das zum Verhängnis: Es konnte sich nicht aus eigener Kraft aus der Falle befreien und schrie nach der Mutter. Den Männern gelang es, das Tier aus dem Loch zu heben. Schnell machte es sich auf in die Büsche. Am Abend konnte Altjohann erleichtert beobachten, dass Mutter und Kitz wieder vereint waren. (ag)
Zurückhaltender beurteilt Manfred Kind, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, die Lage. Gleichwohl ruft er Hundehalter zu mehr Vorsicht auf, zumal es im Wald heute deutlich voller sei als vor Corona. „Das Problem mit wildernden Hunden gibt es immer wieder“, sagt Kind. Er habe Verständnis dafür, dass Mensch und Hund in diesen Tagen gern durch Oberbergs Wälder streifen. „Beide müssen raus. Und Hunde müssen sich auch mal ohne Leine austoben dürfen.“