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Das Dorf steht KopfAmerikaner John Kurtenbach sucht in Kurtenbach nach Vorfahren

Lesezeit 4 Minuten

Der Amerikaner John Thomas Kurtenbach steht am Ortsschuld von Nümbrecht-Kurtenbach.

Kurtenbach – Helle Aufregung im Nümbrechter Dorf Kurtenbach: Als Günter Meyer in der Kurtenbacher „Dorfecke“ einen Brief in den Postkarten werfen möchte, wundert er sich. „Da saß mitten am Vormittag ein Mann um die 60 auf der Bank, neben ihm eine Frau mit asiatischen Gesichtszügen, vor ihm auf dem Tisch mehrere Salzbrezeln und eine Bierflasche.“ Hat sich da jemand verfahren? Zumal ein Stück weiter ein Auto mit auswärtigem Kennzeichen parkt.

Meyer, der im Nachbarweiler Rose wohnt, steigt also aus, um zu helfen. „Guten Tag!“, bringt der Fremde auf Deutsch hervor, und dann ergießt sich auch schon ein ganzer Schwall aufgeregter Sätze über den verdutzten Günter Meyer – auf Englisch. Meyer erfährt, dass der unerwartete Besucher John Thomas Kurtenbach heißt und dass der Amerikaner aus Nebraska angereist ist, um an Ort und Stelle dem Ursprung seines Familiennamens auf die Spur zu kommen.

Bier und Brezeln: Kurtenbach genießt eine „typisch deutsche Mahlzeit“

Zum Beweis hält der 53 Jahre alte Kurtenbach dem Oberberger seinen Reisepass unter die Nase. „Er nannte seine Suche – mit Hilfe eines Internet-Übersetzers – eine Pilgerreise“, erzählt Meyer. „Und war bereits in Lindlar-Kurtenbach gewesen und in der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid.“ Da gibt es zwar – wie die Kurtenbacher wissen – kein Kurtenbach, sondern nur ein Kurtsiefen. Dafür leben da aber viele Menschen, die Kurtenbach heißen. Jetzt wollte er nach Nümbrecht-Kurtenbach. Und weil er es für eine typisch deutsche Mahlzeit hielt, hatte er Bier und Brezeln mitgebracht.“

Im Oberbergischen gibt es zwei Kurtenbachs.

Besonders interessiert zeigte sich der Besucher aus Amerika an dem Wappen, das die Dorfgemeinschaft anlässlich der 700-Jahr-Feier Kurtenbachs im Jahr 2016 in der „Dorfecke“ aufgestellt hat.

In Nebraska lebten mehr als 500 Kurtenbachs

In Nebraska lebten mehr als 500 Kurtenbachs, berichtet der Mann aus Nebraska, sein Vorfahre sei zwischen 1850 und 1890 von Deutschland nach Amerika ausgewandert. Vielleicht aus dem kleinen Nümbrechter Dorf? Da muss Meyer passen und möchte deshalb den Gast zu Birgit Zimmermann von der Dorfgemeinschaft bringen.

Vielleicht weiß sie ja mehr? „Birgit!“, ruft der Amerikaner und strahlt – überraschenderweise. Doch dann stellt sich heraus, dass er auf diesen Namen schon bei der Vorbereitung seiner Pilgerreise gestoßen ist, als er Kurtenbach googelt. Dabei hat er auch einen Zeitungsartikel über die Dorfgemeinschaft entdeckt. Und vor der Brezelpause hat er bereits bei einigen der 56 Dorfbewohner und auch auf dem nahen Bauernhof eben nach Birgit Zimmermann gefragt, aber sich wohl nicht richtig verständlich gemacht.

Ganz Nümbrecht-Kurtenbach steht Kopf

Inzwischen steht das ganze Dorf Kopf. Nur Birgit Zimmermann bekommt von allem nichts mit: Sie ist einkaufen. Später staunt die Kurtenbacherin nicht schlecht über die Aufregung, mit der sich gleich mehrere Nachbarn nach ihrer Rückkehr auf sie stürzen. Was um alles in der Welt will ein Amerikaner von ihr? Der ist inzwischen abgereist.

„Denn schon am nächsten Tag wollte er zurückfliegen“, weiß Günter Meyer. „Ich hätte ihm aber wohl auch nicht helfen können“, bedauert Zimmermann. „Hier gibt es Lang und Stöcker, aber nicht Kurtenbach als Familienname.“ Auch ein spontaner Telefonrundruf erbringt kein anderes Ergebnis. Immerhin hat ihr Sohn Max ein Foto von dem Besucher aus Amerika gemacht. Seine „typisch deutschen“ Brezeln hat John Kurtenbach auf dem Tisch in der „Dorfecke“ unberührt zurückgelassen. Vielleicht haben sie ihm nicht geschmeckt. Oder vielleicht hat er sie in dem ganzen Trubel schlicht vergessen.

Infobox: Auch die Ortsschilder sind beliebt

Seine erste urkundliche Erwähnung findet Kurtenbach im Jahr 1316. Tief im Westen der Gemeinde Nümbrecht liegt dieses kleine Dorf, das bis zur Gebietsreform 1969 zur Gemeinde Marienberghausen gehört. Am letzten Wochenende im Juni 2016 haben die Kurtenbacherinnern und Kurtenbacher das 700-Jährige ihres Ortes gefeiert.

Zurzeit hoffen sie, dass aus dem Dorf eine geschlossene Ortschaft wird, damit dort Tempo 30 eingerichtet werden kann, die Anträge dafür liegen im Rathaus. „Und aus dem Rhein-Sieg-Kreis hat uns bereits jemand gefragt, ob er dann die grünen Ortsschilder kaufen kann“, berichtet Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius. „Der Mann heißt nämlich auch Kurtenbach.“

Zwei Jahre vor dem großen Dorfjubiläum damals entwirft die Dorfgemeinschaft ein Wappen für Kurtenbach. Darauf zu sehen ist auch eine fröhliche Kuh. Denn, so sagen Birgit Zimmermann und Klaus Richter von der Gemeinschaft, Kurtenbach habe eben mehr Kühe als Einwohner. Damals waren es übrigens 60, also Einwohnerinnen und Einwohner. Seinen Namen verdankt der Ort zwei Bächen, die sich dort vereinen und schließlich in die Bröl fließen. (höh)