Der Rabbiner der Kölner Synagogengemeinde, Yechiel Leo Brukner, spricht im Vorfeld seines Nümbrecht-Besuchs mit Andreas Arnold über die aktuelle Lage in Israel.
InterviewKölner Rabbi vor Nümbrecht-Besuch – „Es treten wieder Analogien zur Nazi-Zeit auf“
Rabbi Bruckner, wie kam es dazu, dass Sie am Mittwochabend der Redner bei der Gedenkfeier sind?
Brukner: Ich komme auf Einladung des Partnerschaftsvereins Nümbrecht/Mateh Yehuda um Marion Reinecke. Sie kenne ich schon länger aus gemeinsamen Terminen und sie hat mich angesprochen.
Ist Ihnen Nümbrecht zuvor ein Begriff gewesen? Als Kölner Rabbi liegt dieser Ort ja quasi vor der Tür.
Bis Marion Reinecke mich angesprochen hat, wusste ich in der Tat nichts von Nümbrecht. Ich komme aus der Schweiz und durch meine Arbeit habe ich Berlin, Bonn, München und jetzt Köln kennengelernt. Natürlich ist mir auch Buchenwald ein Begriff. Mein Vater hat in der Nazi-Zeit das Konzentrationslager dort wie durch ein Wunder überlebt.
Was bedeutet diese Einladung für Sie?
Ich sehe sie als Zeichen des Willens zur Versöhnung und als ein Zeichen der Solidarität mit unserem Volk. Dass man in Nümbrecht die sogenannte Erinnerungskultur pflegen will, finde ich gut.
Das ist aber in diesen Tagen keine Selbstverständlichkeit.
Völlig richtig. Und daher ist es mir auch wichtig, dass das Credo „nie wieder“ nicht nur dahergesagt wird, sondern ernst gemeint sein muss fernab jeder Heuchelei. Das werde ich am Mittwochabend in Nümbrecht auch deutlich machen. Denn ganz aktuell erleben wir in Deutschland, dass wieder Analogien zur Nazizeit auftreten. Das muss von Juden, aber auch von Nichtjuden erkannt werden.
Sie sind in dieser Woche in Israel. Ist nach dem Terrorangriff der Hamas ein normales Leben möglich?
Tatsächlich durften wir unseren Sohn in diesen Tagen auf einer Militärbasis besuchen und dort mit seiner Familie die Beschneidung unseres Enkels feiern. Das war für uns alle eine große Freude und natürlich ist das auch ein Zeichen für den Fortbestand unseres Volkes in den Stunden Krieges.
Wie erlebt man in Israel die Haltung von Deutschland in diesem Konflikt?
Deutschland ist ein Spezialfall für uns. Man hat bisweilen den Eindruck, dass man dort die ersten Stunden und Tage des Krieges aus dem Gedächtnis gelöscht hat und dass binnen kurzer Zeit vergessen worden ist, wer wen attackiert hat. Das gilt für breite Teile der Bevölkerung, aber auch für Teile der Medien.
Was sagen Sie zu den propalästinensischen Demos auf deutschen Straßen?
Das ist für uns unfassbar. Wir sind zutiefst enttäuscht und wundern uns, dass man in Deutschland offenbar nicht die Kraft hat, auf den Tisch zu hauen. Es darf nicht sein, dass ein Gericht eine Demonstration im Nachhinein erlaubt, die zuvor bereits von der Polizei verboten worden ist. Das hier ist die Stunde der Prüfung, für die eben schon zitierten Worte, „nie wieder“. Das ist offenbar bei vielen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Das müsste Deutschland verstehen.
Wie erklären Sie Menschen, die Sie danach fragen, was die Hamas in Ihren Augen in Israel vorhat?
In ihrer Charta steht unmissverständlich, dass sie Israel eliminieren wollen. Alle Juden in dem Gebiet wollen sie eliminieren. Es wird dazu aufgerufen, jüdische Institutionen anzugreifen. Für mich sind die Terroristen der Hamas die Nachfolger von Adolf Hitler und den Nazis, denn es geht schon lange nicht mehr allein um das Territorium des Staates Israel, sondern darum, uns Juden zu vernichten.
Und wie können die Juden in Israel in Ihren Augen darauf reagieren?
Ich denke, dass wir keine andere Option haben, als zu sagen, dass es keine Hamas mehr geben darf. Das ist genau wie 1945 als die Welt gesagt hat, dass es keine Nazis mehr geben darf. Daran arbeiten wir und versuchen, mit unseren Angriffen, die Terroristen zu treffen. Wir wollen die Mörder ermorden. Leider sterben dabei auch Zivilisten, die von der Hamas als Schutzschild missbraucht werden.