Nach der Flut ist vor der FlutAggerverband verstärkt in Oberberg den Hochwasserschutz
Oberberg – Klaus Walbeck senkt das Messflügelgerät langsam ab. Der Wasserstand der Agger ist in dieser Woche so niedrig, dass der Propeller, mit dem der Hydrologe des Aggerverbands die Fließgeschwindigkeit misst, kaum die Oberfläche berührt. Nicht zu glauben, dass der Pegel in Rebbelroth vor einem Jahr 60 Zentimenter höher lag. An der Leppe und vor allem der Sülz war der Pegel im Juli damals noch einmal mehr als doppelt so hoch.
Der Aggerverband wirbt mit dem Slogan „Wasser, wir wissen, wie's läuft“. Diesen Anspruch will er in Zukunft auch bei extremem Hochwasser erfüllen. Mehr Messpunkte sollen präziser und schneller anzeigen oder sogar vorhersagen helfen, wo eine Flut bedrohliche Ausmaße annimmt. Das Hochwasser vom Juli 2021 brachte zutage, dass es Handlungsbedarf gibt.
Fünf Jahre lang müssen noch Schäden der Flut 2021 beseitigt werden
Allein bei den eigenen Klärwerken hat der Aggerverband schon 1,5 Millionen Euro Reparaturkosten aufgewendet, die Eigenleistungen der Soforthilfe nicht eingerechnet. Fördermittel in Höhe von weiteren 3,5 Millionen Euro sind beantragt, um die Schäden an Uferbereichen und Brücken zu beseitigen. Fünf Jahre lang werde der Verband damit noch zu tun haben, kündigt Verbandsvorstand Prof. Dr. Lothar Scheuer an.
Um so wichtiger sei es, „mehr wasserwirtschaftliche Resilienz“ zu erreichen, also den heftigen Wetterereignissen zu trotzen, die der Klimawandel mit sich bringt, sagt Scheuer. Gleich nach dem Juli-Hochwasser hat der Verband begonnen, in Zusammenarbeit mit den 24 Mitgliedskommunen kritische Punkte zu identifizieren. Auch Hinweise von Anwohnern waren und sind willkommen. Inzwischen gehen die Wasserbauer von 250 bis 500 Hotspots aus. Dabei handelt es sich meist um Brücken oder Verrohrungen, also Punkte, an denen die Bäche und Flüsse auf Straßen treffen und Treibgut für eine Verstopfung sorgen kann – mit möglichen verheerenden Folgen wie an der Leppe in Engelskirchen.
Aggerverband will Zahl der Warnpegelstationen erhöhen
Ein Propellermessgerät wie an der Rebbelrother Pegelmessstelle kommt nur zweimal im Jahr zum Einsatz, um die Daten zu überprüfen. Ansonsten liefert dort eine Drucksonde im Gewässer permanent Livedaten, die auch im Internet veröffentlicht werden. Der Aggerverband will die Zahl solcher Warnpegelstationen, deren Daten auch an das Landesumweltamt gehen, von sechs auf zehn erhöhen. Dazu kommen technisch weniger aufwendige Pegelanlagen, deren Zahl um acht auf 40 steigen soll.
Deren Messergebnisse sollen, so schwebt es dem Aggerverband vor, künftig auch direkt an die örtlichen Rathäuser und Feuerwehren gehen. Eine Ampel zeigt diesen dann an, ob eine Brücke möglicherweise verstopft oder sogar eine Evakuierung erforderlich ist, weil das Wasser in eine Siedlung strömt. Um solche Extremsituationen frühzeitig abschätzen zu können, arbeitet der Aggerverband an neuen Niederschlagsabflussmodellen und will die Zahl seiner hydrologischen Fachingenieure auf vier verdoppeln.
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Wenn die Aggertalsperre nicht geschlossen worden wäre, hätte man es in Rebbelroth mit einem 60 Zentimeter höheren Pegel zu tun gehabt und noch in Overath wäre die Agger 20 Zentimeter höher gestiegen, sagt Lothar Scheuer. Die Talsperren können also bei Starkregen eine entscheidende Rolle spielen. Doch die dafür im Vorfeld erforderliche Absenkung des Füllstandes muss derzeit noch jedes Mal von der Bezirksregierung genehmigt werden. Der Verbandsvorstand wünscht sich mehr Spielraum bei der regionalen Reaktion auf Dürre oder drohenden Starkregen.
Aus Sicht des Aggerverbandes sollte es zudem mehr Rückhalteflächen geben, die Starkregenfluten aufnehmen können. Lothar Scheuer stellt sich darauf ein, dass dabei Widerstände überwunden werden müssen, weil der Platz in den oberbergischen Tälern eben sehr umkämpft ist. Der Schrecken der Flut gerate all zu schnell in Vergessenheit. Scheuer spricht von „Hochwasserdemenz“.
Diese stelle sich auch bei manchem Anwohner ein, wenn er einen Teil seines Vorgartens für die Aufweitung eines Bachabflusses hergeben soll, bedauert Scheuer. „Aber ohne die Grundstückseigentümer geht es nicht.“